Quartalszahlen: So verkauft Elon Musk Teslas Schrumpfkurs als Wachstum

Tesla schrumpft und verliert Geld. Das Unternehmen verkauft weniger Autos und macht weniger Umsatz mit geringeren Margen als VW. Aber während der Telefonkonferenz(öffnet im neuen Fenster) zu den desaströsen Finanzresultaten des ersten Quartals 2024(öffnet im neuen Fenster) versuchte Elon Musk die Investoren mit einer Reihe rhetorischer Tricks zu überzeugen, dass es der Firma gut gehe und sie sogar schneller wachse als zuvor.
Ein Vergleich mit Aussagen der Vergangenheit zeigt jedoch, dass der Autohersteller die Ambitionen in allen Bereichen stark zurückgefahren hat. Die Ankündigungen zu Teslas neuem Masterplan 3.0 vor einem Jahr sind jetzt schon Geschichte.
Geschichte sind auch alle Ambitionen in der Akkuherstellung. In den letzten 10 Minuten der Telefonkonferenz bezeichnete Musk die Akkuproduktion von Tesla als nicht sehr wichtig. Sie sei immer nur eine Absicherung gegen hohe Preise von Lieferanten gewesen und nötig, um mehr über die Lieferketten der Akkuherstellung zu lernen.
Das klang beim Battery Day 2020 noch ganz anders . Damals wollte Tesla mit der 4680 und überlegener Technik die Akkuherstellung revolutionieren und die Stromspeicher in alle Autos einbauen.
Immer mehr Führungspersonal verlässt die Firma
Es ist also kein Wunder, dass sich Drew Baglino - der als Chefingenieur der Antriebs- und Akkuentwicklung mit Musk 2020 auf der Bühne stand - aus dem Unternehmen zurückgezogen hat . Sein größtes und wichtigstes Projekt wurde von Tesla schlicht gestrichen, als wäre es nie wichtig gewesen. Am Ende der Pressekonferenz gab auch Martin Viecha, Teslas Verantwortlicher für Investorenbeziehungen, seine Entscheidung bekannt, das Unternehmen in den nächsten Monaten zu verlassen.
Damit folgt er auch Rohan Spatel, dem Chefstrategen des Unternehmens, und vielen anderen. Zusammen mit vielen weiteren Einschnitten scheint damit plausibel, dass sie von Tesla nicht entlassen wurden, sondern unzufrieden mit den Aussichten im Unternehmen waren und die Firma deshalb verließen.
In der Fragerunde wurde Musk auch gefragt, ob er selbst noch motiviert sei, bei Tesla zu arbeiten. Darauf antwortete er emotionslos und ohne jeden Enthusiasmus, dass Tesla den größten Teil seiner Zeit einnehme. Er stelle sicher, dass Tesla floriere, und das werde die Firma auch noch in der Zukunft.
Was zu dieser Zukunft in den nächsten Jahren nicht gehören wird, ist das 25.000-Dollar Auto. Auch wenn Tesla versuchte, den Eindruck zu erwecken, dass diese neue Autogeneration sogar noch schneller käme als gedacht.
Kaum konkrete Aussagen zu neuen Autos
Tesla spricht nicht mehr vom 25.000-Dollar-Auto. Alle Fragen danach wurden ausweichend beantwortet. 2023 plante Tesla noch, den Autobau ab 2025 mit völlig neuen Modellen zu revolutionieren und dafür neue Fabriken in Mexiko aufzubauen. Das Ziel war, im Jahr 2030 20 Millionen Autos pro Jahr zu verkaufen. Diese Ziele wurden gestrichen und dies dennoch als Beschleunigung von Teslas Plänen verkauft.
2025 sollen neue Modelle gebaut werden. Dabei sollen Einsparungen gemacht werden, indem "Aspekte" der einst geplanten Entwicklung der Autos der neuen Generation mit "Aspekten" der herkömmlichen Produktion verbunden werden. Es sollen also in den alten Fabriken etwas günstigere Autos hergestellt werden.
Dabei sollen vor allem bereits neu entwickelte Komponenten wie Verbesserungen am Akku, dem Antriebsstrang, den Sitzen und den Niedrigspannungsnetzen übertragen werden. Es dürfte sich bei den für 2025 angekündigten Autos also eher um Modellpflege als um neue Modelle handeln. Es gab zu diesen neuen Autos keinerlei konkrete Aussagen.
Tesla plant, die Produktionskapazität in den bestehenden Fabriken durch höhere Effizienz auf 3 Millionen Autos pro Jahr zu steigern. Laut Unternehmensangaben hat Tesla heute bereits Kapazitäten von mehr als 2,35 Millionen Autos pro Jahr, wie viel mehr, erklärt das Unternehmen nicht. Verkauft wurden 2023 aber nur 1,8 Millionen Autos und im ersten Quartal 2024 sank der Absatz auf das Niveau von Ende 2022.
Tesla will weniger Kapital investieren
Das sogenannte Unboxed-Herstellungsverfahren, das den größten Teil der Einsparungen bringen sollte, um den Preis von 25.000 US-Dollar zu erreichen, ist laut Tesla aber zu riskant. Wie hoch die Einsparungen sind, wurde nicht gesagt. Zu Preis und Kosten wurde nichts bekanntgegeben. Auch sonst gab es keinerlei konkrete Aussagen zu den neuen Autos, außer dass sie 2025 kommen sollen.
Es sei für Tesla wichtig, in die Verbesserung der Produktion zunächst möglichst wenig Kapital zu investieren, bevor größere Investitionen getätigt würden. Das sind merkwürdige Aussagen für einen Konzern, der angibt, über 20 Milliarden US-Dollar an Bargeld zu verfügen und im Rest des Jahres noch mehr zu haben, das jederzeit ausgegeben werden könne.
Dabei erklärt Tesla, die heutige Zeit sei eine Zwischenphase mit niedrigerem Wachstum, die nur die nächste Wachstumsphase vorbereite. Aber eine Phase niedriger Nachfrage wäre strategisch genau der richtige Zeitpunkt, Investitionen zu tätigen und neue Produktionsmethoden einzuführen, die die Produktionsgeschwindigkeit zwischenzeitlich beeinträchtigen könnten.
Auf der Konferenz von Januar waren die Investitionen noch Teil des Plans, um die nächste Autogeneration herzustellen. Es war eine neue Fabrik in Mexiko geplant, von der nichts mehr zu hören war. Die Firma handelt also, entgegen der eigenen Aussagen, als ginge ihr das Geld für solche größeren Investitionen aus.
Tesla sei keine Autofirma, sagt Musk
Stattdessen lenkte Musk alle Antworten, ob danach gefragt oder nicht, auf das Potenzial des Autopiloten und darauf, wie viel Wert die Autos dadurch gewinnen würden. Die gleiche Taktik verwendete er auch bei der Nachfrage, wie schnell chinesische Wettbewerber die Einsparungen von Tesla nachvollziehen könnten. Tatsächlich sind chinesische Wettbewerber längst günstiger als Tesla.
Tesla sei keine Autofirma, sondern eine Roboter- und KI-Firma, weshalb die Frage falsch sei, sagte Musk. Allerdings hat Tesla weder eine funktionierende KI für Autos noch für Roboter, nur für Scheibenwischer soll sie inzwischen funktionieren.
Künstliche Intelligenz soll alles richten
Laut Elon Musk ist Teslas KI effizienter als die KI jeder anderen Firma. Die Aussage konnte er mit nichts belegen. Berichten über die Auslieferung von Nvidia-H100 Karten zufolge(öffnet im neuen Fenster) ist Tesla keinesfalls eine führende KI-Firma, auch nicht unter Berücksichtigung neuer Lieferungen in diesem Jahr, und hat nur einen Bruchteil der Rechenkapazitäten von Branchengrößen wie Microsoft oder Google.
Teslas größtes Problem dürfte aber sein, dass bislang jeder Durchbruch in allen Bereichen der KI innerhalb eines Jahres durch Konkurrenten funktionell nachvollzogen oder gar übertroffen wurde. Das galt für Schach, mehrere Generationen von Go-KIs, Bild- und Videogeneration und auch große Sprachmodelle. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass das bei Robotern und Autos anders sein wird.
Eine echte Alleinstellung auf dem Markt ist nicht zu erwarten. Und selbst dann würde Tesla die einst geplante Produktionskapazität von 20 Millionen Autos pro Jahr fehlen, um diese auch ausnutzen zu können.
Musk ist sich durchaus bewusst, dass es Konkurrenz auf dem Gebiet selbstfahrender Autos gibt. Angesprochen auf Regularien zu autonomen Autos sagte er, dass andere Firmen bereits Genehmigungen zum Betrieb solcher Autos besäßen und damit Tesla geholfen hätten.
Das Potenzial von Robotern ist wenig glaubhaft
Gefragt, ob Teslas Roboter Optimus Produktionsaufgaben übernehmen könne, sagte Musk, dass das nur für einfache Aufgaben im Labor funktioniere. Vielleicht könnten die ersten Roboter bereits Ende 2025 verkauft werden, aber das sei nur geraten.
Danach orakelte er, dass es mit denkenden, humanoiden Robotern, die sich frei in der Welt bewegen könnten, keine Grenzen für das Wirtschaftswachstum mehr gäbe. Allerdings drohte er wie schon im Januar , dass diese Entwicklung bei Tesla nicht stattfinden würde, wenn er nicht 25 Prozent der Stimmanteile im Unternehmen behielte.
Zu den viel wichtigeren und längst allgegenwärtigen Industrierobotern in den Fabriken sagte er nichts. Diese sind auf Produktionsaufgaben spezialisiert. Dabei gibt es keine manuelle Aufgabe in einer Autofabrik, für die ein Roboter unbedingt Beine, Torso und Kopf benötigen würde, oft nicht einmal zwei Arme. Die Konzentration auf humanoide Roboter zur Steigerung der Wirtschaftskraft und der Produktion in Teslas Fabriken ist deshalb nicht nachvollziehbar und entbehrt jeder Grundlage.
Zwischendurch war zu erfahren, dass die Produktion des Cybertrucks 1.000 Stück pro Woche erreicht haben soll, aber immer noch Verluste macht und Teslas einzige Verwendung für 4680-Akkus darstellt. Die Konstruktion des Tesla-Semi-Sattelschleppers ist immer noch nicht finalisiert. Mit einer Auslieferung von Serienfahrzeugen rechnet Tesla frühestens 2026.
Den Aktienkäufern sind die Zahlen sichtlich egal
Das Geschäft mit Stromspeichern läuft so gut, dass Tesla die Marge auf die Kommastelle genau mit 24,6 Prozent angibt und dort bis Ende des Jahres mit einem Wachstum von 74 Prozent rechnet. Zu anderen Geschäftsbereichen gibt es solche Angaben nicht. Firmenweit liegt die Marge bei 5,5 Prozent. Bis 2022 konnte Tesla mit über 22 Prozent prahlen und schaute auf den Rest der Industrie herab, nun gehört die Marge zu den niedrigsten aller Autofirmen.
Die sogenannte Wachstumsfirma schrumpft, was sich in allen Geschäftszahlen widerspiegelt. Die Firma muss nach eigenen Aussagen sparen und hat nicht mehr genug Kapital, um Investitionen wie geplant umzusetzen.
Den Aktienkäufern waren die schlechten Geschäftszahlen, die zusammengestrichenen Ambitionen Teslas und die Abwanderung des Führungspersonals sichtlich egal, sie wurden von Musks Narrativ abermals überzeugt. Der Aktienkurs stieg und machte nachbörslich die Verluste seit Dienstag letzter Woche wieder wett.



