Quantencomputer: Gesucht wird ein deutsches Quanten-Google

Kittel und Schuhüberzüge sind Pflicht, bevor man den Raum betritt. Noch ein kurzer Blick auf den Bildschirm mit den Klimadaten und los geht es in den Reinraum. Drinnen steht ein massiver, schwingend gelagerter Labortisch mit einer silberfarbenen Vakuumkammer im Zentrum. Eine schicke Einfassung aus weißen Stäben umhüllt den Quantencomputer-Aufbau der Siegener Start-ups Eleqtron.
Der Raum im zweiten Untergeschoss des Postgebäudes am Siegener Hauptbahnhof verbreitet fast eine wohnliche Atmosphäre. Er wird von den Eleqtron-Beschäftigten auch nicht Labor genannt, sondern Betriebsstätte. Das erzählt uns Eleqtrons Chief Technical Officer, Michael Johanning, der auch einer der drei Gründer der Firma ist.
"Die Anlage ist hoch automatisiert" , erklärt er. An die Quantencomputerforschung an Universitäten, bei der Doktoranden Mikrometerschrauben drehen oder Laser justieren, erinnert hier wenig. Eleqtron entwickelt seit 2020 Quantencomputing. "Unser Ziel ist es, Rechenzeit auf unseren Quantencomputern zu verkaufen" , sagt Johanning.
Noch ist es aber nicht so weit: Das Start-up mit rund 70 Mitarbeitern entwickelt Quantencomputer und sucht parallel nach ersten industriell nutzbaren Anwendungen.
Das Potenzial sei riesig, sagt CEO Jan Leisse, der zweite Gründer. So könnten Medizinkonzerne viel schneller neue Produkte entwickeln. Denn Quantencomputer sollen Moleküle simulieren können, die für herkömmliche Rechner zu groß und komplex sind. Ein Großteil der teuren und zeitaufwendigen Labortests von potenziellen Wirkstoffen könnte dadurch eingespart werden.
Ähnliches soll für das sehr energieaufwendige Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von Stickstoffdünger gelten, das für etwa 2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist - etwa so viel CO 2 , wie Deutschland emittiert. "Mit Quantencomputern könnte das Verfahren optimiert werden" , sagt Leisse. Schon eine kleine Verbesserung könnte womöglich sehr viel CO 2 einsparen.
Noch keines der Versprechen eingelöst
Das Wort "optimieren" taucht oft auf, wenn man über nahe Anwendungen von Quantencomputern spricht. Da geht es um Lieferketten, Produktionsprozesse oder Finanzportfolios. Eleqtron ist nicht das einzige Unternehmen, das Hard- oder Software für Quantenrechner bereitstellen will. Weltweit gab es 2023 laut Statista(öffnet im neuen Fenster) 261 Quantencomputing-Start-ups, 11 davon in Deutschland.
Die Firmen versuchen, Quantencomputer zu kommerzialisieren, obwohl diese noch keines der Versprechen eingelöst haben, die ihre Entwicklung seit 30 Jahren antreiben. Um die Investoren bei Laune zu halten, müssen die jungen Unternehmen aber bald liefern.
Wie wollen sie das erreichen? Und wie stehen deutsche Start-ups wie Eleqtron im internationalen Wettbewerb da?
Warum Quantencomputer bauen?
Die Grundidee für einen Rechner, der einspringt, wo klassische Computer überfordert sind, hatte der US-amerikanische Physiknobelpreisträger Richard Feynman 1982. Die Physik stand schon damals vor dem Problem, dass sich Quantensysteme, also Atome, Moleküle oder Festkörper, nicht in klassischen Computern simulieren lassen. Denn ihre Zustände setzen sich aus unzähligen überlagerten Teilzuständen zusammen, die gleichzeitig existieren, während ein klassischer Computer sie nacheinander berechnen muss.
Ab einer gewissen Molekülgröße explodiert die Rechenzeit. Es gibt also immer Quantensysteme, die zu komplex für die jeweils leistungsstärksten Computer sind. Derzeit liegt diese Grenze bei Systemen aus etwa 50 oder mehr Atomen. Selbst die größten Supercomputer würden Jahre brauchen, um solche Moleküle zu simulieren.
Feynman hatte die Idee, Computer aus Quantenobjekten wie Elektronen, Atomen oder Molekülen zu bauen, denn sie brächten die Überlagerung vieler Zustände in einem Zustand von Natur aus mit. Die Idee eines solchen Quantensimulators entwickelte sich weiter.
Eine Folgeidee ist ein Computer, der mithilfe sogenannter Quantenbits rechnet, kurz Qubits. Das klassische Bit kann zu einem gegebenen Zeitpunkt entweder den Wert 0 oder 1 annehmen. Im Qubit hingegen überlagern sich die Werte 0 und 1, so dass sie parallel verarbeitet werden können.
Jedes weitere Qubit verdoppelt die Zahl der überlagerten Werte. Indem Qubits gemeinsam manipuliert werden, können viele Werte auch gleichzeitig verarbeitet werden. So ist es möglich, bestimmte Aufgaben viel schneller zu lösen als mit klassischen Rechnern.
Ein alternativer Ansatz für den Ionen-Quantencomputer
Die Werte 0 und 1 eines Qubits lassen sich auf unterschiedliche Weise darstellen: etwa mit zwei Polarisationsrichtungen von Photonen, zwei entgegengesetzten Magnetfeldrichtungen von Elektronen oder zwei unterschiedlichen Energiezuständen von Atomen; oder mit Stromrichtungen in supraleitenden Leiterschleifen. Entsprechend gibt es viele Ansätze für den Bau von Quantencomputern. Die meiste mediale Aufmerksamkeit bekommen supraleitende Qubits - ein Ansatz, der von den großen Tech-Firmen Google, IBM und Intel verfolgt wird.
Eleqtron will seinen Quantencomputer hingegen aus Ionen-Qubits bauen. Michael Johanning zeigt einen etwa fingernagelgroßen Chip, in dessen Mitte ein konischer Schlitz erkennbar ist - eine sogenannte Ionenfalle. "Darin werden Ionen in einer Reihe von einem elektromagnetischen Feld in der Schwebe gehalten" , erklärt der Physiker.
Jedes Ion stellt ein Qubit dar. Mehrere Forschungsgruppen und Start-ups verwenden die Ionenfallen-Technik. Normalerweise werden Laser genutzt, um die einzelnen Ionen in einen bestimmten Zustand zu versetzen: 0, 1 oder eine Mischung davon. Laser dienen auch dazu, mehrere Ionen gleichzeitig anzusprechen und damit Rechenoperationen auszuführen. Die Siegener Quantencomputerbauer hingegen wollen Mikrowellensignale nutzen, um Ytterbium-Ionen in der Ionenfalle zu steuern.
Wie vielversprechend ist der Ionen-Ansatz?
Johanning sieht darin technische Vorteile. "Mikrowellentechnik steckt in jedem Handy" , sagt er. Sie sei leichter in Chips integrierbar und weniger fehleranfällig als Laser. Auf der anderen Seite lassen sich Mikrowellen nicht gut genug fokussieren, um einzelne Ionen anzuvisieren, die in der Falle nur wenige Tausendstel Millimeter voneinander entfernt sind.
Eleqtron löst das Problem mit einer Technik, die Christof Wunderlich, der dritte Gründer des Unternehmens, vor gut 20 Jahren an der Uni Siegen umgesetzt hat: Ein inhomogenes Magnetfeld hält die Ionen, was bewirkt, dass jedes Ion auf eine etwas andere Wellenlänge der Mikrowellen reagiert. So lassen sie sich durch Ändern der Wellenlänge einzeln ansteuern.
Verschiedenartige Qubits haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Atomare Qubits, zu denen Ionen-Qubits gehören, haben vergleichsweise lange Kohärenzzeiten. Das ist die Zeit, die ein Qubit in seinem Überlagerungszustand bleiben und damit Informationen simultan verarbeiten kann.
Kleinste Umwelteinflüsse oder Schwankungen des Magnetfeldes können diesen Zustand jedoch zerstören: Das Qubit springt in einen einzelnen Wert, 0 oder 1. Diese Dekohärenz ist eines der Hauptprobleme in der Quantencomputerforschung.
Da einzelne Rechenschritte Zeit benötigen, begrenzt sie die Anzahl der Operationen, auch Gatter genannt, die am Stück ausgeführt werden können(öffnet im neuen Fenster) . Ionenfallen können typischerweise deutlich mehr Gatter innerhalb der Kohärenzzeit ausführen als supraleitende Qubits und diese wiederum mehr als Neutralatome.
Viele Plattformen, noch kein Favorit
Die Plattformen unterscheiden sich aber auch in der Einfachheit, mit der sie sich auf viele Qubits erweitern, also skalieren lassen. Bei supraleitenden Qubits oder Neutralatomen geht das einfacher als mit Ionenfallen. So hat IBM einen Quantenchip namens Condor mit über 1.000 Qubits hergestellt.
Auch mit Neutralatomen lassen sich relativ viele Qubits realisieren: So konnte das Start-up Planqc in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik (beide aus Garching bei München) 1.200 Strontium-Atome zu einem Quantenregister anordnen(öffnet im neuen Fenster) . Dabei werden Atome in einem von sich präzise überlagernden Lasern erzeugten optischen Gitter in einer regelmäßigen Anordnung gehalten - ähnlich wie Eier in einem Eierkarton.
Mit Ionenfallen gelingt es bislang nur, rund 30 bis 50 Qubits zu einzufangen. Bei mehr Qubits wird es schwieriger, einzelne Ionen gezielt anzusteuern, ohne benachbarte Qubits zu stören ("Crosstalk"). Außerdem heizt sich ein größeres System leichter auf, was die Kohärenzzeit senkt. Um mehr Qubits auf einen Chip zu bringen, versuchen Forscher, mehrere Ionenfallen auf einem Chip unterzubringen. Um die einzelnen Ionenketten zu verknüpfen, sollen bewegliche Ionen zwischen ihnen hin- und herreisen.
Allerdings ist mit vielen Qubits allein noch nicht viel erreicht.
''Schneller zum Quantenvorteil kommen''
Es zählt auch, wie gut es gelingt, die Qubits miteinander zu koppeln, im Fachjargon: zu verschränken. Die Verschränkung ist ein Phänomen, das nur in der Quantenphysik existiert: Ein verschränktes Teilchenpaar bildet eine Einheit und die Messung des einen Partners wirkt sich sofort ohne physischen Kontakt auf das Messergebnis des anderen Partners aus. Einstein sprach von "spukhafter Fernwirkung" . Doch für das Quantencomputing ist sie eine einzigartige Ressource.
Quantencomputer, die wirklich etwas ausrechnen, arbeiten bislang mit relativ wenigen Qubits. Googles supraleitender Quantenchip Willow zum Beispiel nutzte 67 Qubits, um eine Aufgabe schneller zu lösen als ein Supercomputer es könnte(öffnet im neuen Fenster) . Allerdings hat das gelöste Problem keinen praktischen Nutzen.
Um einen breit nutzbaren Quantencomputer zu bauen, müssten Hunderte oder Tausende Qubits zusammenarbeiten. Ein Hauptproblem auf dem Weg dahin ist die Dekohärenz: Je mehr Qubits, desto schneller schleichen sich Fehler ein. Eleqtron schützt die derzeit fünf Qubits auf seinem Chip unter anderem durch Magnetfeldabschirmungen. Bald wollen die Siegener ihren Quantenrechner auf zehn Qubits ausbauen.
Um aber Hunderte Qubits arbeiten zu lassen, müssen Fehlerkorrekturverfahren noch deutlich verbessert werden. Experten befürchten, dass dadurch ein Vielfaches an Qubits hinzugefügt werden müsste, die nicht direkt zur Rechnung beitragen, sondern Fehler detektieren und korrigieren.
"Einige spezielle, aber nutzbringende Probleme könnten auch schon mit kleineren Quantencomputern gelöst werden" , meint Johanning. Er plädiert dafür, mit der vorhandenen Technologie pragmatisch nach konkreten Anwendungsmöglichkeiten zu suchen. Auch der klassische Computer sei nicht von vornherein eine Allzweckmaschine gewesen. "Anfangs wurden Computer eingesetzt, um Daten zu sortieren" , sagt er.
"Wir wollen durch Heuristik schneller zum Quantenvorteil kommen" , sagt Johanning. Statt der perfekten Lösung sucht man dabei nach einer praktikablen Lösung, die aber immer noch sehr gut ist. "Möglicherweise kommt man bei einigen Anwendungen erst einmal ohne Fehlerkorrekturverfahren aus" , sagt Johanning.
Suche nach dem blinden Fleck des klassischen PC
"Der Quantencomputer ist nicht der bessere Computer" , erklärt der Physiker. Man dürfe nicht versuchen, Anwendungen zu beschleunigen, in denen klassische Computer gut seien. "Man muss nach den blinden Flecken des klassischen Rechners suchen." Das seien zum Beispiel Aufgaben in der Chemie oder Materialwissenschaft, also genau jene Anwendungen, die Richard Feynman von Anfang an im Blick hatte.
Damit könnten neue Materialien mit erwünschten Eigenschaften regelrecht am Computer designt werden. Als Beispiele nennt Sebastian Blatt von Planqc effizientere Wasserstoffspeicher, robustere Legierungen oder besseren Korrosionsschutz. Für die Autoindustrie seien leichte und langlebige Materialien attraktiv, weil sie emissionsärmere Fahrzeuge ermöglichten, schreibt Blatt per E-Mail.
Als eine erste Anwendung für den eigenen Chip denkt Johanning jedoch an Optimierungsaufgaben: "Die gibt es überall." Zugfahrpläne zum Beispiel. Wenn ein Zug auf der Strecke stehenbleibt, kann das den Fahrplan durcheinanderbringen. Wie leitet man Züge um, wie ersetzt man das steckengebliebene Personal? Wenn ein Quantencomputer so ein komplexes Optimierungsproblem auf Knopfdruck binnen Sekunden lösen könnte, wäre schnell ein Ersatzfahrplan da, der Fahrgäste möglichst wenig Zeit kostet.
Quantencomputer für Zugfahrpläne oder zum Stromsparen
Zusammen mit der Gruppe um Philipp Hauke an der Universität Trient will Eleqtron ein Optimierungsverfahren namens Quantum Annealing für Ionen-Quantencomputer nutzbar machen. Dabei geht es darum, mit weniger Qubits auszukommen und die Verfahren schneller zu machen(öffnet im neuen Fenster) , so dass die Industrie sie nutzen kann.
"Quantencomputer könnten aber auch zum Energiesparen genutzt werden" , sagt Johanning. Zwar benötige man für ein Qubit momentan etwa ein Kilowatt Strom. "Doch zusätzliche Qubits erhöhen den Bedarf kaum."
Somit könnte ein 100-Qubit-Rechner mit fast genauso wenig elektrischer Energie auskommen und dabei in bestimmten Anwendungen Supercomputer übertreffen, die mehrere Megawatt elektrischer Leistung beanspruchen.
Der Quantenrechner braucht auch Software
Könnte der erste praxistaugliche Quantencomputer also aus Deutschland kommen, wo vor knapp 100 Jahren auch die zugrundeliegende Quantenphysik von Wissenschaftlern wie Werner Heisenberg oder Max Born maßgeblich mitentwickelt wurde? Neben Eleqtron gibt es mehrere weitere Start-ups, die das versuchen, etwa SaxonQ aus Leipzig, das Quantencomputer entwickelt, die bei Raumtemperatur arbeiten.
Das schon erwähnte Garchinger Start-up Planqc arbeitet derzeit daran, die 1.200 im optischen Gitter gefangenen Atome einzeln präzise anzusteuern und miteinander zu verschränken. So soll nach und nach ein vollwertiger Quantencomputer entstehen. "Derzeit bauen wir einen Quantencomputer mit 1.000 Neutralatomen für das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ), der diese Voraussetzungen erfüllen wird" , schreibt uns Planqc-Mitgründer Sebastian Blatt. Er soll bis 2027 in den Hochleistungsrechner des LRZ integriert werden.
Doch die Hardware ist nur die halbe Miete. "Wie kann man die Hardware auch Leuten zugänglich machen, die nicht gleichzeitig Physik, Mathematik und Informatik studiert haben?" , fragt Dirk Zechiel. Der Informatiker entwickelt seit den 1990ern Software für Planungsaufgaben, zum Beispiel Spielpläne für die Fußball-Bundesliga oder die Verteilung von Flugpersonal auf Flugzeuge. Er hat auch Firmen gegründet, die Software für solche Probleme entwickelt haben.
Weitere Start-ups entwickeln Software für Quantencomputer
In seiner Branche gelten Quantencomputer schon länger als Hoffnung, komplexe Planungsaufgaben, etwa für den dank regenerativer Energien immer wechselvolleren Strommarkt, auf Knopfdruck zu lösen. Ende der 2010er Jahre stellte er sich mit einigen Mitstreitern die Frage: Was tun, wenn es Quantencomputer konkret gibt? 2021 gründeten sie die Firma Quantagonia in Bad Homburg. Sie machten sich mit der Programmierung von Quantencomputern vertraut, die sich grundlegend von herkömmlicher Software unterscheidet.
Das Start-up entwickelte einen sogenannten Hybrid Solver, der Optimierungsaufgaben in einem hybriden Verfahren lösen soll: teils per Quantencomputer, teils per klassischem Rechner. "Der Quantencomputer wird nicht jede Teilaufgabe schneller lösen als eine CPU" , sagt Zechiel. Das sei ähnlich wie heute, wo Probleme teils von Grafikprozessoren und teils von CPUs gelöst würden.
"Man erwartet, dass sich besonders rechenintensive Optimierungsprobleme mit Quantencomputern beschleunigen lassen" , sagt Zechiel. Als Beispiel nennt er das Optimierungsverfahren Qubo, das etwa in der Finanz- und Energiewirtschaft eingesetzt wird. Zechiel rechnet nicht damit, dass der Einsatz von Quantenrechnern schon in den nächsten Jahren Vorteile bringen wird.
Neben Quantagonia entwickeln weitere deutsche Start-ups Software für Quantenrechner, etwa HQS Quantum Simulations und Kipu Quantum, beide aus Karlsruhe, oder JoS Quantum aus Frankfurt/Main.
Kann Deutschland auch finanziell mithalten?
Es gibt also eine hoch motivierte deutsche Start-up-Szene im Quantencomputing, die gut mit Know-how ausgestattet ist. Aber im weltweiten Konkurrenzkampf zählt auch das Geld. Quantencomputer zu bauen heißt, Neuland zu betreten. Für welche Anwendungen ein solcher Rechner mal gebraucht werden kann und wie viel sich damit verdienen lässt, ist noch ungewiss.
Vor diesem Risiko scheuen potenzielle Geldgeber in Europa eher zurück. "Verglichen mit den USA ist Europa risikoavers" , sagt Jan Leisse. Der CEO von Eleqtron wirbt dafür, ähnlich große Visionen zu entwickeln wie jenseits des Atlantiks. "Man kann das nächste Google zum Laufen bringen" , sagt der gelernte Bauingenieur und Betriebswirt.
Nachdem er sich etwa beim Heiztechnikhersteller Viessmann um technologische Strategien gekümmert habe, sei er durch Zufall auf Wunderlich und Johanning getroffen. Sein Faible für verrückte Themen habe ihn für die Idee eines Quantencomputer-Start-ups begeistert, erzählt Leisse.
Dem Team gelang es, mehrere Millionen Euro von der deutschen Wagniskapitalgesellschaft Early Bird zu akquirieren. Weitere Millionenbeträge warb das Unternehmen vom Bundesforschungsministerium, dem Land Nordrhein-Westfalen sowie über Aufträge für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein.
Deutschland könne im Quantencomputing groß herauskommen, meint Leisse. "Dafür braucht das Land aber eine Strategie" , mahnt er. Die Rolle des Staates sieht er darin, Investitionen "anzutriggern" - auch mit finanzieller Unterstützung.
Für eine Chipfabrik in Brandenburg sei die Regierung bereit gewesen, 10 Milliarden Euro zu berappen. Ein Mix aus staatlicher Förderung und privatem Kapital in ähnlicher Größenordnung sei nötig, um das Quantencomputing in Deutschland voranzutreiben, meint Leisse.
"Auf diesem Gebiet souverän bleiben"
Noch sei das Wettrennen um den ersten praxistauglichen Quantencomputer offen. "Doch dieses Jahr muss die Politik Entscheidungen treffen" , betont Leisse. Denn viele Forschungsprojekte enden 2026 oder 2027. "Wir brauchen Klarheit darüber, was danach passiert" , sagt er.
Das Feld den USA und China zu überlassen, das ebenfalls massiv ins Quantencomputing investiert, hält Leisse für keine gute Idee. "Es ist wichtig, dass wir auf diesem Gebiet souverän bleiben" , sagt er. Denn der Quantencomputer sei eine Schlüsseltechnologie für viele Industriezweige.
An jungen Unternehmen, die diese Souveränität in die Tat umsetzen wollen, fehlt es nicht. Die Frage ist vielmehr, ob sie in Deutschland und Europa auf lange Sicht die Bedingungen vorfinden, um sich weiterzuentwickeln. Vielleicht wird eines davon dann zu einer Art Quanten-Google.



