Was macht Mercedes anders als die Konkurrenz?

Vor drei Jahren hat die Ingolstädter Konkurrenz einigen Journalisten den für den A8 konzipierten Staupiloten sogar schon im realen Verkehr vorgeführt. Doch nachdem sich die UN-Gremien im Frühjahr dieses Jahres endlich auf die Zulassungskriterien geeinigt hatten, machte der Konzern einen Rückzieher. Auch BMW teilte vor zwei Wochen mit, den für 2021 geplanten iNext nicht autonom fahren zu lassen.

Die Entwickler von Mercedes-Benz zeigen sich allerdings zuversichtlich, im zweiten Halbjahr des kommenden Jahres tatsächlich die Funktion anbieten zu können. Dabei unterscheiden sich die Konzepte für die Staupiloten kaum voneinander. Ebenso wie Audi setzt nun auch Mercedes auf redundante Bordsysteme, um die hohe Ausfallsicherheit für die Steuerungsfunktionen sicherstellen zu können. Die Sensorausstattung ist fast identisch. Lediglich die rückwärtige Kamera hielt Audi für verzichtbar.

Anders, als es Audi geplant hatte, will Mercedes die Funktion vorerst nur für Deutschland freigeben. Weitere Länder und Regionen sollen folgen. Was das Software-Konzept betrifft, so setzt Mercedes zwar Künstliche Intelligenz (KI) bei der Objekterkennung ein. Hinter der eigentlichen Fahrwegplanung steckt allerdings kein selbstlernendes System. Der Staupilot verhält sich daher deterministisch und die Entwickler können anhand des Algorithmus nachvollziehen, warum sich das Fahrzeug in einer bestimmten Situation auf eine bestimmte Weise verhalten hat. Bei komplexeren Fahrumgebungen dürfte ein solcher Ansatz hingegen an seine Grenzen stoßen.

Automatisiertes Parken schon vorbereitet

Das bedeutet nicht, dass die S-Klasse nicht schon jetzt eine Anwendung nach Stufe 4 ermöglichen könnte. Bei dieser Automatisierungsstufe ist überhaupt kein menschliches Eingreifen bei der Fahraufgabe mehr erforderlich. Das sogenannte Automated Valet Parking (AVP) wird seit Anfang Oktober im Parkhaus P6 am Stuttgarter Flughafen getestet. Flugpassagiere können mit ihrem Fahrzeug in das Parkhaus hineinfahren und kurz hinter der Schranke in einer besonderen Zone parken, um das Gepäck auszuladen. Das leere Auto ist anschließend in der Lage, sich von dieser Zone aus automatisch einen Parkplatz zu suchen.

  • Im Parkhaus P6 am Stuttgarter Flughafen testen Daimler und Bosch das sogenannte Automated Valet Parking (AVP). (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Nutzer des Parkhauses werden am Eingang auf die neue Technik hingewiesen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Große Hinweistafeln erläutern die Funktion des Parksystems. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Niemand soll im Auto zurückgelassen werden, wenn der autonome Modus startet. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Fahrzeuge kommunizieren per WLAN mit dem Parkhaussystem. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Bosch setzt Kameras statt Laserscannern ein, um das Parkhaus zu überwachen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • In jedem der Segmente befinden sich zwei solcher Kameramodule. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Im Schritttempo bewegt sich die S-Klasse ohne jeden Insassen durch das Parkhaus. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Ziel ist eine Lade- und Entladezone in der Nähe des Eingangs. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
Im Parkhaus P6 am Stuttgarter Flughafen testen Daimler und Bosch das sogenannte Automated Valet Parking (AVP). (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)

Allerdings sitzt die Steuerungsintelligenz dafür nicht im Auto selbst, sondern wird von einem Parkhaussystem übernommen. Dieses entwickelten der Autozulieferer Bosch und Daimler mehrere Jahre lang gemeinsam. Der Aufwand für die Infrastruktur ist im P6 allerdings beachtlich. Denn das System muss in der Lage sein, die Position des Fahrzeugs sowie dessen gesamte Umgebung zu erfassen.

Wie beim Red-Flag-Act

Da die Decke alle zwei Meter durch Betonträger unterbrochen wird, hat Bosch in jedes dieser Segmente zwei Kameras installiert, um eine lückenlose Überwachung zu garantieren. WLAN-Router stellen die Kommunikation zwischen Auto und Parksystem her. Im Schritttempo und wie von Geisterhand gelenkt fährt die S-Klasse von der Entladezone in die darunter liegende Ebene des Parkhauses. Zugute kommt dem Fahrzeug dabei die neue Hinterachslenkung, die den Wendekreis deutlich reduziert.

Auch für diese Funktion gibt es noch keine vollständige Zulassung. Daher musste bei der Präsentation ein Mercedes-Mitarbeiter neben dem Auto herlaufen, um dieses notfalls stoppen zu können. Das erinnert an den sogenannten Red-Flag-Act in Großbritannien, der bis 1896 vorschrieb, dass vor einem Dampf- oder Motorwagen eine Person mit einer roten Flagge vorangehen musste. Am Auto ist von außen nicht zu erkennen, dass es sich fahrerlos durch die Garage bewegt. Lediglich im Inneren zeigt ein blinkendes LED-Band die Aktivität des Systems.

Assistenzsysteme werden immer besser

Die beiden Beispiele zeigen: Mit der neuen S-Klasse rückt die fahrerlose Zukunft des Automobils ein gutes Stück näher. Sollte der Drive Pilot nach seinem Start im kommenden Jahr in der Praxis zuverlässig funktionieren, dürften weitere Automatisierungsstufen folgen. Dazu zählt vor allem ein umfassender Autobahnpilot, der auch Überholvorgänge, Spurwechsel oder die Durchfahrt von Autobahnkreuzen ermöglicht. Laut Mercedes ist die Hardware bereits auf höhere Geschwindigkeiten ausgelegt. Software-Updates könnten dann Over-the-Air eingespielt werden.

Aktuell ist der Abstandsregeltempomat schon für eine Geschwindigkeit von 210 Kilometern pro Stunde ausgelegt. Bei einer Probefahrt auf der dicht befahrenen A8 zwischen Stuttgart und Immendingen hat das System dabei sehr zuverlässig funktioniert. Das ist vor allem wichtig, wenn deutlich langsamer fahrende Fahrzeuge auf die Überholspur wechseln und das herannahende Fahrzeug dann stark abbremsen muss. Eine Durchfahrt durch eine enge Baustelle war für die neue S-Klasse ebenfalls kein Problem.

Ist die neue S-Klasse damit der bessere Tesla?

Bitte aktivieren Sie Javascript.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
  • ohne Werbung
  • mit ausgeschaltetem Javascript
  • mit RSS-Volltext-Feed
 Drive Pilot lässt einfädelnTesla verlangt noch permanente Überwachung 
  1.  
  2. 1
  3. 2
  4. 3
  5. 4
  6. 5
  7.  


katze_sonne 11. Nov 2020

Naaajaaa. Vernetztes Fahren und GPS ist schon ne andere Sache. Außerdem funktioniert...

katze_sonne 11. Nov 2020

Stimmt, ist schließlich genau dasselbe. Ein Infotainment-System, das man täglich nutzt...

alphasucht 30. Okt 2020

Alter Falter! Was man in diesem alles für B******t lesen muss. Hier leben anscheinend...

JackIsBlackV8 30. Okt 2020

Bei Audi gibt es sowas schon. Funktioniert allerdings nur in Städten, deren Ampeln...



Aktuell auf der Startseite von Golem.de
Halluzination
ChatGPT erfindet Gerichtsakten

Ein Anwalt wollte sich von ChatGPT bei der Recherche unterstützen lassen - das Ergebnis ist eine Blamage.

Halluzination: ChatGPT erfindet Gerichtsakten
Artikel
  1. Forschung: KI findet Antibiotikum gegen multirestistentes Bakterium
    Forschung
    KI findet Antibiotikum gegen multirestistentes Bakterium

    Forscher zeigen, dass die Hoffnungen in KI bei der Entwicklung von Medikamenten berechtigt sind. Ihre Entwicklung soll deutlich schneller werden.

  2. Mikromechanik: Zotac bringt ersten PC mit fast lautlosem MEMS-Lüfter
    Mikromechanik
    Zotac bringt ersten PC mit fast lautlosem MEMS-Lüfter

    Dank Mikromechanik soll Frores Airjet kleiner und leiser sein als Lüfter. Der erste PC damit wird aber recht teuer.

  3. Blue Byte: Im Bann der ersten Siedler
    Blue Byte
    Im Bann der ersten Siedler

    Vor 30 Jahren wuselten die ersten Siedler über den Bildschirm. Golem.de hat den Aufbauspiel-Klassiker von Blue Byte neu ausprobiert.
    Von Andreas Altenheimer

Du willst dich mit Golem.de beruflich verändern oder weiterbilden?
Zum Stellenmarkt
Zur Akademie
Zum Coaching
  • Schnäppchen, Rabatte und Top-Angebote
    Die besten Deals des Tages
    • Daily Deals • Microsoft Xbox Wireless Controller 40,70€ • Lexar Play 1 TB 99,60€ • DAMN!-Deals mit AMD-Bundle-Aktion • Crucial P5 Plus 1 TB 72€ • MSI RX 7600 299€ • Inno3D RTX 4070 679€ • MindStar: ASRock RX 6800 XT Phantom OC 579€, PowerColor RX 6800 Fighter 489€ • Logitech bis -46% [Werbung]
    •  /