Probefahrt mit BMW iX3: 400 kW an der Ladesäule - mehr Komfort auf der Straße

Wie neu wird die Neue Klasse von BMW werden? Zwar sind die Autos immer noch mit schwarz-weißer Tarnfolie beklebt, doch auf dem BMW-eigenen Testgelände im südfranzösischen Miramas durften Journalisten aus aller Welt erste Runden mit einem elektrischen SUV iX3 über den Handling-Kurs und öffentliche Straßen drehen. Vor allem an der Ladesäule hängt BMW die Konkurrenz von Porsche, Mercedes-Benz oder Audi ziemlich weit ab.
Bis die Öffentlichkeit das fertige Modell zu sehen kommt, muss sie sich bis zur IAA Mobility im September 2025 in München gedulden. Die Testfahrt in Südfrankreich zeigt jedoch schon, wie sich die Neue Klasse von bisherigen BMW-Modellen auf der Straße unterscheidet. Vor allem die Assistenzsysteme haben uns gut gefallen.
Im Fahrzeuginneren ist alles bis auf die Anzeigen und Knöpfe noch abgedeckt. Die erste gute Nachricht: Es gibt vier Knöpfe für die Fensterheber, anders als bei E-Autos von VW, Volvo und Polestar, die auf zwei Knöpfe und einen Umschalter setzen. Knöpfe gibt es auch für die Heck- und Frontscheibenheizung. Die Lautstärke ändert man über ein Drehrad.
BMW hat in den vergangenen Jahren schon etliche Details der Neuen Klasse präsentiert. Scheibchenweise. So nutzt BMW erstmals eine 800-Volt-Batterie mit zylindrischen Zellen. Die elektrisch-elektronische Architektur (E/E) sowie das Bedienkonzept wurden neu entwickelt.
Die größte Veränderung im Bedienkonzept ist die Abkehr von mehr und größeren Bildschirmen durch Projektionen. Natürlich gibt es noch einen Touch-Bildschirm in der Mitte, der für bessere Erreichbarkeit in Richtung Fahrer geneigt ist (72,5 Grad).
Hier lässt sich vieles individualisieren, etwa Farben, Hintergrundbild und angezeigte Inhalte. Jede Information auf dem Bildschirm lässt sich antippen und öffnet daraufhin die Detaileinstellungen. Das funktioniert beispielsweise mit den Symbolen für Abblendlicht und Bluetooth sowie mit der Temperaturanzeige der Klimaanlage.
Individuelle Projektionen
Die wesentlichen Informationen haben alle Insassen im so genannten Panoramic iDrive im Blick. Der 1,1 m breite Bereich liegt am unteren Rand der Frontscheibe, optisch unterhalb der Motorhaube. Somit verdeckt die Anzeige nicht den Blick auf die Straße.
"Selbst bei starker Sonneneinstrahlung sind dort sämtliche Informationen gut erkennbar," sagt BMW-Manager Stephan Durach. Die Frontscheibe ist an der Stelle mit einer Folie beklebt, die den Kontrast erhöht und die Darstellung auch beim Blick durch polarisierte Brillengläser ermöglicht.
Links haben Fahrer die wesentlichen Informationen zu Geschwindigkeit und Reichweite im Blick. Daneben gibt es sechs Plätze, die individuell mit Musiktitel, Ankunftszeit am Ziel, Wetter, Luftqualität oder anderen Informationen belegt werden.
Der Sprachassistent in Form eines blauen Kopfs nimmt stets den mittleren Platz ein. Der BMW Intelligent Personal Assistent wird über die Sprachtaste am Lenkrad oder über den Sprachbefehl "Hey BMW" aktiviert. Dazu nutzt BMW die Alexa-White-Label-Lösung.


"Die Analyse der Sprachbefehle findet ausschließlich auf unseren Servern in Europa statt," erläutert Durach während der Sitzprobe. Der Sprachassistent greift auch auf Fahrzeugfunktionen zu und wechselt so beispielsweise den Fahrmodus. Bekommt der Assistent keine Fragen gestellt, wird aus dem Kopf ein BMW-Logo.
Der Panoramic iDrive lässt sich nicht nur mit sechs Info-Kacheln füllen. Zur Auswahl für die Fläche stehen noch ein Kartenausschnitt, Fahrdynamikdaten wie G-Kräfte oder der Silent Mode, bei dem alle Flächen leer bleiben.
Gewohnheiten speichern
Sämtliche individuelle Einstellungen speichern Nutzer in der BMW-App, was Fahrerwechsel innerhalb einer Familie vereinfacht. "Außerdem erkennen wir Gewohnheiten und schlagen vor, sie zu speichern," sagt Durach. Zu den erkannten Gewohnheiten zählen beispielsweise Temperatur, Sitzmassage oder das Abschalten des Tempowarners.
Überholen mit Blick in den Außenspiegel
Mit dem Panoramic iDrive rutschen Informationen weiter nach oben und somit stärker ins Fahrer-Blickfeld - unterstützt von den Projektionen des Head-up-Displays. Hier finden sich neben erlaubtem und gefahrenem Tempo die Navigationsangaben und aktive Fahrassistenten.
Bei allen präsentierten Neuerungen beeindrucken die Fahrassistenten am meisten. BMW kommt bei der Neuen Klasse nicht mit Level-3-Funktionen, sondern setzt auf Level 2++. Zu der Erweiterung gehört beispielsweise, dass man bei aktiviertem Fahrassistenten die Hände vom Lenkrad nehmen darf. Dafür hat BMW im Jahr 2023 eine Zulassung erhalten .
Die Augen müssen offen und auf der Straße bleiben. Das überwacht eine Kamera unter dem Rückspiegel. "Wir verfolgen einen symbiotischen Ansatz, Mensch und Maschine arbeiten stärker miteinander," sagt der Vice President Automated Driving bei BMW, Peter Waldmann. Eine leichte Bremsung deaktiviert den Assistenten nicht. Erst eine kräftige Bremsung oder drei leichte Stöße mit dem Fuß auf die Bremse beenden die Funktion.
Wenn man nach rechts blinkt, um auf der Autobahn die Spur zu wechseln, aber das Fahrzeug nebenan noch zu dicht ist, fängt das Auto nicht an zu piepen - sondern es reduziert automatisch die Geschwindigkeit und wechselt die Spur, sobald die Lücke groß genug ist.
Hält das Auto ein Überholmanöver auf der Autobahn für sinnvoll, erhalten Fahrer einen Vorschlag und haben dann die Wahl: ignorieren oder einen Blick in den linken Außenspiegel werfen. Letzteres wird als Bestätigung gewertet und das Auto vollzieht eigenständig den Überholvorgang.
Fahrerwillen erkennen
In etlichen Autos empfindet man den Spurhalteassistenten mit den starken Vibrationen im Lenkrad als übergriffig. Das erledigt der BMW iX3 ganz sanft und führt das Fahrzeug zurück in die Spurmitte. Ein weiteres Beispiel der symbiotischen Zusammenarbeit ist ein erkannter Fahrerwunsch.


"Wenn das System den Fahrerwillen erkennt, unterstützt er ihn bei der Ausführung," sagt Waldmann. Wird ein Blick in den Außenspiegel und eine leichte Lenkbewegung erkannt, setzt der Wagen den Blinker und vollzieht den Spurwechsel, sofern die nach hinten gerichteten Sensoren nichts dagegen einzuwenden haben.
Ausweichen für Menschen
Beim Stop-and-Go-Verkehr auf der Autobahn reagiert der Assistent beim Anfahren schneller, als man es bislang gewohnt ist. Der ganze Ablauf wirkt flüssiger. Haben Fahrer im Stand kurz die Augen geschlossen, geht es nicht automatisch weiter. Erst wenn die Augen wieder auf sind, fährt das Fahrzeug los.
Beeindruckend sind auch das Erkennen von Hindernissen und die darauffolgende Reaktion. Auf dem Testgelände fährt der Wagen an einer Puppe in Menschengestalt vorbei, die auf unserer Spur steht. Der Wagen verlangsamt und fährt einen Bogen um den Menschen.
Als ein Auto-Dummy erkannt wird, der am rechten Fahrbahnrand parkt, verlangsamt der Wagen nicht, sondern fährt lediglich etwas weiter links innerhalb unserer Fahrspur. Das System soll auch rote Ampeln erkennen und entsprechend reagieren.
Schneller einparken
Ist der Fahrassistent verfügbar, leuchtet ein weißes Symbol auf dem linken Tastenfeld am Lenkrad. Ist der Assistent aktiv, leuchtet das Symbol grün. Gleich gilt für das P, das für den Parkassistenten steht.
Er ist ebenfalls spürbar besser geworden. Beim langsamen Vorbeifahren scannen die Sensoren verfügbare Parklücken. Entweder wählt man die vorgeschlagene Lücke oder tippt auf eine weitere erkannte Parklücke. Dabei kann man wählen, ob das Fahrzeug vorwärts oder rückwärts einparkt.


Der eigentliche Parkvorgang läuft deutlich schneller ab, als man das bisher von derartigen Assistenten kennt. Ein Einparken, während man mit Schlüssel und Fahrzeug-App danebensteht, werde auch möglich sein. Für China arbeitet BMW an einer Level-4-Parklösung, bei der kein Mensch im oder am Fahrzeug stehen muss. Laut Auskunft von Peter Waldmann arbeiten bei den Fahrassistenten die beiden Controller Superbrain of Automated Driving und Heart of Joy zusammen.
Laden mit 400 kW
Mit dem iX3-Prototyp fahren wir zu einer Ladestation auf dem Testgelände. BMW hat einen HYC 400 von Alpitronic aufgestellt, der mit bis zu 400 kW laden kann. Das entspricht der maximalen Ladeleistung des Fahrzeugs. Der SUV wird mit sieben Prozent Ladezustand (SoC) angeschlossen.
Innerhalb weniger Sekunden steigt die Ladeleistung auf 380 kW. Natürlich ist die Batterie auf Idealtemperatur vorkonditioniert. BMW ermöglicht eine manuelle Vorkonditionierung, falls Fahrer ohne Navi oder mit Kartendaten via Apple Car Play oder Android Auto unterwegs sind. In diesen Fällen ist keine Vorkonditionierung möglich, da das Smartphone den SoC für eine Ladeplanung nicht übernimmt.
Rund eine Minute nach Ladebeginn zeigt der Bildschirm eine Ladeleistung von 402 kW. Rund drei Minuten bleibt es in dem Bereich, bevor die Leistung langsam abfällt. Der Wagen benötigte bei dem Test 12 Minuten für die Ladung von 7 bis 60 Prozent SoC.
"Es wird rund 20 Minuten von 10 bis 80 Prozent dauern," sagt der Vice President Charging bei BMW, Thomas Albrecht. Die genaue Batteriekapazität verrät der Hersteller noch nicht, doch dürfte sie bei 100 kWh oder mehr liegen.
Die sechste Batteriegeneration hat 20 Prozent mehr Energiedichte als der Vorgänger. Die zylindrischen Zellen sind im Cell-to-Pack-Verfahren, also ohne Modulhüllen, in den Batterierahmen gesetzt. Der Akku hat eine Gesamtspannung von 800 Volt, was die hohe Ladeleistung ermöglicht.
Anders als beim CLA von Mercedes-Benz lädt der iX3 auch an 400-Volt-Ladesäulen. "Wir teilen die Batterie dann in zwei Gruppen, die mit jeweils 400 Volt lädt," sagt Albrecht. Für die automatische Bezahlung der Ladevorgänge mit Plug & Charge kann man bis zu zehn Verträge im Auto hinterlegen.
Eigene Ladestationen, wie sie Porsche, Mercedes-Benz und Audi betreiben, plant BMW nicht. Dem Hersteller genügen seine Beteiligungen an Ionity in Europa, Ionna in den USA und Ionchi in China.
Gleichstrom ans Haus abgeben
Der iX3 unterstützt den Energiefluss an alle Richtungen. Man kann externe Geräte wie E-Bikes laden (V2L), Energie ins Stromnetz (V2G) oder ins Eigenheim (V2H) abgeben. Bei Letzterem hat sich BMW für eine Gleichstromlösung entschieden. "Bei Wechselstrom müsste man rund 200 unterschiedliche Gridcodes in der EU berücksichtigen. Das ist mit Gleichstrom deutlich einfacher," sagt Albrecht. Einen Preis für die DC-Wallbox nennt BMW noch nicht. Sie kann Energie mit 7,4 bis 19,2 kW in beide Richtungen übertragen. In Zusammenarbeit mit Eon bietet BMW einen Stromtarif mit dynamischen Preisen für Heimlader an.
Sanfter Stopp
Zu den Fahrzeugdaten des iX3 50 xDrive nennt der Hersteller eine Reichweite von bis zu 800 km. Der Verbrauch soll bei 15 kWh (WLTP) auf 100 km liegen. Der SUV ist in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Die beiden E-Motoren liefern eine Systemleistung von 300 kW und 600 Nm. Die Höchstgeschwindigkeit wird noch nicht genannt.
Beim Fahren hat man die Wahl zwischen D (Drive) und B (Break) mit einer spürbar höheren Rekuperation. In dieser Einstellung kommt das Auto zum vollständigen Halt. Bei Steigungen, Gefälle und im Stop-and-Go-Verkehr hinterlässt der Fahrmodus B einen guten Eindruck.
Beim Halt nickt die Karosserie einmal kurz nach vorn ein, dann steht das Fahrzeug. Es gibt kein Schaukeln des Aufbaus, wie man es von höheren SUVs beim Anhalten kennt. Zudem hört man kein Knarzen oder Quietschen der Reibbremse, weil hier nur die E-Motoren und der Heart of Joy genannte Fahrdynamikcontroller ihre Arbeit tun.
Offenlegung: Die Kosten für die Reise nach Marseille hat BMW übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.



