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Prism-Skandal: Bundestag blockiert Online-Petition gegen Tempora

Der Deutsche Bundestag lässt eine Online-Debatte zu einer Petition gegen das britische Überwachungsprogramm Tempora nicht zu. Zugleich ist neues Material zum Überwachungsprogramm des britischen Geheimdienstes GCHQ veröffentlicht worden.
Aktualisiert am , veröffentlicht am / Achim Sawall
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Katharina Nocun (Bild: Lennart Preiss/Getty Images)
Katharina Nocun Bild: Lennart Preiss/Getty Images

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat die Veröffentlichung einer Petition abgelehnt(öffnet im neuen Fenster) , die die Bundesregierung auffordert, ein Verfahren gegen das britische Überwachungsprogramm Tempora vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Verstoßes gegen EU-Grundrechte einzuleiten. Das berichtete die Piratenpartei am 28. August 2013. Die Petition(öffnet im neuen Fenster) ist von der Politischen Geschäftsführerin der Partei, Katharina Nocun.

Die Petition rege weder eine lebhafte noch eine sachliche öffentliche Diskussion an. Außerdem sei sie nicht konkret genug, hieß es zur Begründung der Ablehnung. Den Richtlinien des Bundestags zufolge(öffnet im neuen Fenster) gilt als Voraussetzung für eine öffentliche Petition, "dass die Bitte oder Beschwerde inhaltlich ein Anliegen von allgemeinem Interesse zum Gegenstand hat und das Anliegen und dessen Darstellung für eine sachliche öffentliche Diskussion geeignet sind" . Unabhängig von der Veröffentlichung im Internet wird jede Petition vom Ausschuss behandelt. Erhält eine Online-Petition allerdings innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer, hat der Petent die Chance, sein Anliegen in einer öffentlichen Sitzung mit den Ausschussmitgliedern zu diskutieren. So geschehen jüngst bei der erfolgreichen Petition zur Netzneutralität .

"Der Petitionsausschuss des Bundestags macht sich damit komplett lächerlich" , sagte Nocun. Eine intensive und sachliche Debatte über die ausufernde Überwachung im Parlament sei "offensichtlich nicht erwünscht".

Tempora ist der Codename für ein Überwachungsprogramm des britischen Geheimdienstes GCHQ, mit dem der globale Internetverkehr angezapft und zwischengespeichert wird. Das 2011 in Betrieb genommene Programm speichert einem Bericht des Guardian zufolge die Inhaltsdaten (full take) drei Tage und die Metadaten 30 Tage. Die Daten würden mit dem US-amerikanischen Geheimdienst NSA geteilt. Mehrere hundert Mitarbeiter des GCHG und der NSA würden die Daten auswerten.

Der GCHQ hört das Kabelsystem TAT-14 ab, über das ein großer Teil der deutschen Überseekommunikation läuft. Die Deutsche Telekom ist einer der Eigner, wurde bereits am 24. Juni 2013 berichtet .

Telekom versteckt sich hinter Verschwiegenheitsverpflichtung

Unterlagen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, zu denen der NDR und die Süddeutsche Zeitung Zugang hatten, zeigen weiter, dass GCHQ wesentliche Teile des europäischen Internet-Verkehrs speichern und analysieren kann. Das betrifft in besonderem Umfang die Daten deutscher Internet-Nutzer: Hier hat der Dienst Zugriff auf zwei Transatlantik-Kabel sowie auf eine der wichtigsten Verbindungen nach Ostasien und das innereuropäische Kabel PEC, so der NDR am 28. August 2013(öffnet im neuen Fenster) .

Laut Süddeutscher Zeitung(öffnet im neuen Fenster) stammen die Unterlagen aus einem internen Informationssystem des GCHQ auf Wiki-Basis mit dem Namen "GC-Wiki". Daraus gehe hervor, dass der Dienst neben dem Überseekabel TAT-14 auch 13 weitere Glasfaserleitungen ausspähe. Dazu gehörten sowohl solche, die Europa mit Afrika und Asien verbinden, als auch innereuropäische. Damit habe der GCHQ theoretisch Zugriff auf Verbindungen innerhalb Europas und auch innerhalb Deutschlands.

Die Telekom teilte mit, sie gewähre "ausländischen Diensten keinen Zugriff auf Daten sowie Telekommunikations- und Internetverkehre in Deutschland" . Zu möglichen Programmen britischer Geheimdienste habe man "keine Erkenntnisse" , halte sich aber an jeweils geltende Landesgesetze. Aufgrund des UK Official Secrets Act bestehe allerdings eine Verschwiegenheitsverpflichtung des Unternehmens.

Zu den Betreibern gehören laut den Snowden-Unterlagen die British Telecom (BT) und der Tier-1-Provider Level 3. BT soll eigene Hardware zur Verfügung gestellt haben, die den Agenten das Abhören erleichtert, so der NDR. Auf Anfrage teilte das Unternehmen mit, es halte sich "überall, wo wir tätig sind, an die Gesetze und regulatorischen Vorgaben" und mache, solange es die gesetzlichen Vorgaben erlauben, "Kundendaten Dritten nicht zugänglich" .

Auch Level 3 teilte mit, dass das Unternehmen sich lediglich an die Gesetze der Länder halte und keine Auskünfte über die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten geben könne.

Level 3 erklärte am 1. August 2013 zu einem Bericht über Abhörmaßnahmen am DE-CIX: "Der Bericht ist falsch. Level 3 gestattet keiner, und hat in der Vergangenheit keiner fremden Regierung den Zugang zu ihrem Telekommunikationsnetz oder ihren Einrichtungen in Deutschland gestattet, um Überwachungen jeglicher Art durchzuführen." Diese Formulierung könnte ein Trick sein, denn die US-Regierung ist keine fremde Regierung für den Konzern.

Für weitere Hintergründe zur NSA-Affäre aktualisiert Golem.de fortlaufend diese beiden Artikel:

Chronologie der Enthüllungen

Glossar zur NSA-Affäre

Nachtrag vom 29. August 2013, 10:00 Uhr

Wir haben im Text die Richtlinien zu Onlinepetitionen des Bundestages und den Bericht der Süddeutschen Zeitung zu Tempora ergänzt.


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