Präventive Quellen-TKÜ: Bundestag erlaubt auch Bundespolizei den Staatstrojaner
Die Bundespolizei darf künftig in Smartphones von Personen eindringen, die noch gar keiner Straftat verdächtigt werden.

Die Bundespolizei erhält neue Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) von Verdächtigen. Der Bundestag beschloss dazu am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD eine Reform des Bundespolizeigesetzes. Alle Oppositionsparteien stimmten geschlossen dagegen. Das Gesetz erlaubt künftig den Einsatz von Staatstrojanern zur sogenannten Quellen-TKÜ nicht nur gegen eine Person, die einer konkreten Straftat verdächtigt wird. Der Einsatz ist auch dann möglich, "wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird".
Videoschnittstellen zur Landespolizei möglich
Darüber hinaus wird der Bundespolizei laut Gesetzesentwurf (PDF) erlaubt, nicht nur Daten zu Verurteilten, Beschuldigten und Verdächtigen zu verarbeiten, sondern auch zu "Anlasspersonen", bei denen "tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffenen Personen in naher Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden". Darüber hinaus darf die Bundespolizei Daten von Personen speichern, die als Zeugen oder als Opfer einer künftigen Straftat in Betracht kommen. Eine Einwilligung der Personen zur Datenspeicherung und Verarbeitung ist nicht vorgesehen.
Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten
Neu hinzugekommen in einem Änderungsantrag (PDF) ist die Möglichkeit der Bundespolizei, Videoschnittstellen zu anderen Polizeibehörden einzurichten. Damit darf die Bundespolizei diese Aufnahmen nicht nur an andere Polizeibehörden weitergeben. Die Landespolizei darf die "installierten selbsttätigen Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte der Bundespolizei nutzen und damit offen Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen anfertigen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben der Gefahrenabwehr erforderlich ist".
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat in seiner Stellungnahme (PDF) zahlreiche Punkte des Gesetzes kritisiert. Problematisch an der Quellen-TKÜ sei unter anderem, "dass hierfür gezielt Sicherheitslücken ausgenutzt werden müssen. Das senkt das Sicherheitsniveau für alle digitalen Kommunikationsgeräte", teilte Kelber mit.
Kritisch sieht er zudem die Befugnis der Polizei zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen wie etwa das Abnehmen von Fingerabdrücken oder das Anfertigen von Fotos einer Person, die noch gar keiner Straftat verdächtigt wird. "Auch hier stellt sich die Frage, ob die im Gesetzesentwurf vorgesehene Eingriffsschwelle einer möglichen verfassungsgerichtlichen Prüfung standhält", sagte Kelber.
Zumindest keine Gesichtserkennung
Ursprünglich wollte die Bundesregierung der Bundespolizei auch Systeme zur automatisierten Gesichtserkennung erlauben. Das scheiterte jedoch am zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Widerstand gegen diese Technik. Die Opposition hatte die nun beschlossenen Pläne schon im vergangenen November scharf kritisiert.
Für "nicht nachvollziehbar" hielt der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae die Ausweitung der Befugnisse. "Nach dem Verfassungsschutzgesetz und dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 wäre das neue Bundespolizeigesetz der nächste Schritt in Richtung Überwachungsstaat und gläserner Bürger", sagte der Abgeordnete damals und forderte "ein sofortiges Moratorium für neue Überwachungs- und Sicherheitsgesetze sowie eine Evaluierung aller bereits bestehenden auf Bundes- und Landesebene".
Ähnlich äußerte sich der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz. "Weiterhin liegt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den weitgehend unkontrollierten Einsatz von 'Staatstrojanern' vor", sagte der Fraktionsvize. Anstatt die Entscheidung der Karlsruher Richter abzuwarten, weite die Koalition "den Einsatz des Instruments in der letzten Schlaufe der Legislaturperiode aus".
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