Wie es zur Erfindung des Mikrochips kam
Reid lebte damals als Japan-Korrespondent der Washington Post mit seiner Familie in Tokio. Seine achtjährige Tochter Katie sollte für die Schule einen Aufsatz über den berühmten Gast schreiben. Kilby nahm sich viel Zeit, um mit dem Mädchen zu sprechen. Sehr viel Zeit: Als ihm mitgeteilt wurde, dass Fernsehjournalisten bereits auf ihn warteten, sagte er, er stehe für das Interview zur Verfügung, "aber erst, wenn ich mein Gespräch mit Katie beendet habe".
Das passt zur Beschreibung Jack Kilbys als Familienmensch. Er liebte es, seine Frau und die Töchter mit auf seine zahlreichen Reisen zu nehmen, das sei fast das Beste an den ganzen Auszeichnungen und Ehrungen, die ihm zuteil würden, sagte er einmal. Seiner Tochter Janet zufolge war er wohl ein äußerst angenehmer Mensch. "Ein lebenslanger Optimist" sei er gewesen, der nur "ganz selten ärgerlich war", wird sie in seinem Nachruf in der New York Times zitiert.
Ausgerechnet in Stockholm zeigte er sich dann jedoch sehr wohl etwas ungehalten: Eigentlich hatte er sich dort ein Taxi rufen wollen, stellte dann aber fest, dass das Nobelpreiskommitee ihm eine eigene Limousine zur Verfügung gestellt hatte, die er nach Herzenslust benutzen sollte. Kilby brummelte: "Was für eine Verschwendung!"
Der Mikrochip war die Lösung eines konkreten Problems
Doch wie kam es eigentlich zur Erfindung des Mikrochips, dessen Patent er am 6. Februar 1959 einreichte? Im Sommer davor hatte Jack Kilby gerade seinen neuen Job bei Texas Instruments im Semiconductor Development Lab angefangen, kurz darauf verabschiedete sich die Texas-Instruments-Belegschaft fast geschlossen für zwei Wochen in den Sommerurlaub. So konnte Jack Kilby zwei Wochen lang ungestört arbeiten und nachdenken. Der Sommerurlaub galt zwar eigentlich für alle, aber neue Mitarbeiter starteten nicht gleich mit Urlaubsanspruch in den Job. Kilby nutzte die ungestörte Zeit und arbeitete an seiner neuen Idee: dem integrierten Schaltkreis, also dem Mikrochip.
Der Mikrochip ist keine jener Erfindungen, die durch einen Geistesblitz aus dem Nichts entstehen und sich erst dann als durchaus praktisch erweisen. Er war vielmehr die Antwort auf ein drängendes Problem: In den 1950er Jahren konnte man zwar revolutionäre Computer designen und spezifizieren, es gab aber keinen Weg, sie auch zu bauen. Das lag schlicht an der Masse der benötigten Teile und deren Verkabelung.
Das damalige Problem kann man sich auch heute noch gut vor Augen führen: Ein Transistor ist ein Bauteil mit drei Anschlüssen. Ein Logikgatter besteht aus etwa vier miteinander verschalteten Transistoren. Ein paar dieser Gatter (AND, OR, XOR, Inverter) plus Addierer und Multiplexer ergeben eine arithmetisch-logische Einheit (arithmetic logic unit, ALU), die ein einfaches elektronisches Rechenwerk ist. Da werden die Zahlen der Bauteile und der verwendeten Kabelstücke schnell ziemlich groß, schon für die vier Logikgatter.
Computer waren zu Kilbys Zeiten modular aufgebaut. Modular heißt in diesem Fall, dass es diese Module tatsächlich in einer physischen Form gab. Jedes dieser Module war eine Leiterplatte mit Konnektoren an einer Kante und jedes war mit der für eine einzige Aufgabe notwendigen Elektronik ausgestattet. Mehrere dieser Module zusammen ergaben dann einen Addierer.
Die Anzahl der Verbindungen für die Logikgatter war zwar zahlreich, aber eben nur ein relativ kleiner Beitrag zur Problematik mit der Masse. Das Problem mit der schieren Anzahl der Bauteile, der "Tyrannei der Zahlen" beschrieb Jack Morton, damals Vizepräsident bei Bell Labs, im Juni 1958: "Der elektronische Mensch versteht es seit geraumer Zeit, seine visuellen, taktilen und mentalen Fähigkeiten durch die digitale Übermittlung und Verarbeitung von Informationen aller Art 'im Prinzip' stark zu erweitern. All diese Funktionen leiden jedoch unter der so genannten 'Tyrannei der Zahlen'. Solche Systeme erfordern aufgrund ihrer komplexen digitalen Natur Hunderte, Tausende und manchmal Zehntausende von elektronischen Geräten."
Die Kabel loswerden
Die Idee zum Mikrochip kam Kilby, als er sich mit den Verbindungskabeln beschäftigte. Wenn man die Kabel loswerden könnte, indem man nur ein einziges Substrat verwendete, in das man sowohl die Bauteile als auch die von ihnen benötigten Verbindungen schnitzte, könnte man die Zahl der zu verschaltenden Teile potenziell auf ein einziges reduzieren - ein Bauteil, das den auf Papier vorliegenden Schaltplan inklusive der benötigten Transistoren enthielte.
In den folgenden Jahrzehnten und bis heute wurde diese Idee immer weiter verbessert. Fortschritte in der Fotolithografie ermöglichen es, immer kleinere Strukturen in ein Substrat zu ritzen, die Folge ist eine immer höhere Dichte an Transistoren pro Fläche. Der Grafikprozessor AD102 für Nvidias RTX-4080- und -4090-Grafikkarten kommt auf 76,3 Milliarden Transistoren bei einer Dichte von 125,5 Millionen pro Quadratmillimeter. Die Anzahl der hier durch seine Erfindung gesparten Kabel hätte sich Kilby wohl selbst zur Patenteinreichung nie erträumen können.
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Das MIT blieb ein Traum | Mehr als nur eine Fußnote in der Technologiegeschichte |
Müsste er nicht quasi der reichste Mensch der Welt sein mit diesem Patent? Es werden...
Ist das nur eine ehrenvolle Erwähnung, oder kriegt man etwas von den Lizenzgebühren ab...
Nun ja es ist irgendwie ein allgemeiner Irrtum, dass Verfahrensweise gleich Gatelänge...
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