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Pony.ai: Golem.de probiert Robotaxi in China aus

Mit dem fahrerlosen Robotaxi durch den quirligen Nachmittagsverkehr von Shenzhen: Pony.ai bringt uns sicherer zum Ziel als der menschliche Taxifahrer.
/ Achim Sawall
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Das Robotaxi steht zum Einsteigen bereit. (Bild: Achim Sawall/Golem.de)
Das Robotaxi steht zum Einsteigen bereit. Bild: Achim Sawall/Golem.de

Wir sind in Shenzhen, einer 13-Millionen-Stadt nahe Hongkong, dem chinesischen Silicon Valley mit Techkonzernen wie Tencent (Wechat), Huawei und dem E-Automobilhersteller BYD. Zuvor waren wir bereits in San Francisco ins autonome Waymo gestiegen , nun fahren wir im Zentrum von Nanshan, dem größten Bezirk von Shenzhen, mit der Bahn zur Houhai Station, um hier mit der App von Pony.ai(öffnet im neuen Fenster) , einem chinesischen Start-up für autonomes Fahren, eine Testfahrt zu machen.

Die App-Steuerung von Pony.ai ist ganz ähnlich wie das, was man von Uber aus Deutschland kennt. Ohne Chinesisch zu können, geht vieles aber nicht, weshalb uns ein Freund aus Deutschland hilft, der die Sprache fließend beherrscht. Was mit den Fahrtdaten passiert, ist für uns nicht nachvollziehbar.

Wir warten 19 Minuten, bis der autonome Wagen kommt, was sich in der App beobachten lässt. Das Robotaxi fährt nicht direkt zum Taxi-Standort an der U-Bahn-Station Houhai, wohl weil dort ständig sehr viele Wagen ihre Fahrgäste absetzen. Ein kleiner Sprint über rund 40 Meter folgt obligatorisch.

Natürlich darf nicht jeder in das autonome Auto: Die Tür des Robotaxis öffnet sich erst, nachdem wir unseren Code aus der App in das Türdisplay eingeben. Wir setzen uns auf die Rückbank, weil auf dem Beifahrersitz ein fieses, großes Kuscheltier herumlungert, und schnallen uns hektisch an. Dann startet die Fahrt ganz unspektakulär und ohne jedes Ruckeln.

Das Robotaxi beginnt kurz durchzudrehen

Das autonome Taxi taucht, ohne zu zögern, in den Verkehr der Millionenstadt ein. Spurwechsel, rote Ampeln und Staus sind kein Problem. Wir fahren eine Zeit lang geradeaus und machen dann eine U-Kurve, weil wir absichtlich eine Adresse in der anderen Fahrtrichtung als Ziel eingegeben haben.

Einzige Auffälligkeit: Als wir einmal extrem lange an einer Ampel warten müssen, macht Pony.ai plötzlich mehrere kurze Lenkradbewegungen nach links und rechts, ohne dass der Wagen sich jedoch bewegt. Es wirkt fast so, als ob die KI ungeduldig würde.

Nach rund 18 Minuten Fahrt verläuft auch das Halten und Absetzen neben vielen anderen Wagen in einer Dropzone erneut ganz entspannt. Die weibliche Stimme sagt uns auf Chinesisch, dass wir aussteigen können. Ob man in der App auch eine andere Sprache einstellen kann, haben wir vor lauter Aufregung vergessen auszuprobieren.

Der menschliche Taxifahrer, den wir jetzt zum Vergleich über eine andere App buchen, enttäuscht während der Fahrt mit zwei unnötig harten Bremsmanövern vor vorausfahrenden Autos, wobei er einmal fast aufgefahren wäre. Das wäre mit Pony.ai nicht passiert, zumindest nicht seit den Vorgängen in den USA.

Mit dem Robotaxi von Pony.ai durch Shenzhen
Mit dem Robotaxi von Pony.ai durch Shenzhen (01:37)

Das Unternehmen erklärt: "Robotaxi ist ein autonom fahrender Dienst, der zu einem kostenpflichtigen kommerziellen Modell übergegangen ist. Die Entwicklung hat die Phase der Erprobung und des Betriebs vollständig fahrerloser Fahrzeuge erreicht. Heute nutzen die Bewohner von Peking, Shanghai, Guangzhou und Shenzhen PonyPilot."

Pony.ai hatte Probleme in den USA

Pony.ai ist auch in den USA aktiv . Im Oktober 2021 prallte ein im autonomen Modus fahrendes Fahrzeug in Fremont nach dem Rechtsabbiegen gegen eine Mittelleitplanke und ein Verkehrsschild. Im Dezember 2021 entzog die kalifornische Verkehrsbehörde Pony.ai nach diesem Unfall die Genehmigung für Tests mit autonomen Fahrzeugen. Seit Juni 2023 testet Pony.ai seine Flotte wieder in Kalifornien.

Pony.ai wurde 2016 von Tiancheng Lou und James Peng gegründet, die beide am Standort von Baidu im Silicon Valley als Entwickler für autonomes Fahren tätig waren. Pony.ai hat zwei Firmensitze in Guangzhou und im Silicon Valley. Der japanische Autokonzern Toyota investierte(öffnet im neuen Fenster) 400 Millionen US-Dollar in das Unternehmen.

Das im Januar 2022 eingeführte L4-Software- und Hardwaresystem der sechsten Generation für autonomes Fahren sei in Sienna Autono-MaaS-Fahrzeugen von Toyota installiert worden. Am 26. April 2024 gründeten Pony.ai, Toyota China und GAC Toyota das Joint Venture Zhuifeng Intelligent Tech (Guangzhou) mit einer Investition von über einer Milliarde Yuan (138 Millionen US-Dollar) und dem Ziel, die Produktion und den Einsatz von Robotaxis der Stufe 4 auszuweiten und zu skalieren.

Alibaba unterstützt mit seinem Online-Mapping-Dienst die Taxis von Pony.ai mit Straßenkarten. Huawei ist in dieser Kooperation nicht vertreten. Die Stadtverwaltung von Shenzhen hat auch autonome Busse zugelassen(öffnet im neuen Fenster) .

Per Gesichtserkennung durch die Schranke

Hochtechnologie gehört für die Bewohner von Shenzhen zum Alltag. Schon auf dem Weg zum China-Robotaxi beobachteten wir, wie man in der U-Bahn von Shenzhen per Gesichtserkennung durch die Bezahlschranke in den Bahnhof kommt. Viele große Touchdisplays sind auf den riesigen und hellen Bahnhöfen zu sehen.

Nirgendwo findet sich Müll in dieser U-Bahnlinie von Shenzhen, keine Graffitis oder Obdachlose und kaum Kriminalität. Doch überall sind Überwachungskameras, alle Obdachlosen und Unzufriedenen sind wohl längst zu Soylent Green verarbeitet, kommt mir alptraumhaft in den Sinn. In Berlin hatte in den vergangenen Monaten jemand in unserem Wagon Crack geraucht. Die Stadt Shenzhen ist hochmodern und sauber. Dagegen wirkt Berlin arm, veraltet und schmutzig.

Die U-Bahn auf dem Weg zum Robotaxi war clean, hell und in den Zügen gibt es Klimaanlagen, während oben angenehme 24 Grad Celsius sind. Einen Hotspot fanden wir nicht. Wi-Fi verliert hier massiv an Bedeutung, weil die 5G-Versorgung so gut ausgebaut ist: Allein die Stadt Shenzhen hat mehr 5G-Mobilfunkantennen als ganz Deutschland. Überall sind die kleinen leichten Antennen auf einfachen Stahlständern zu sehen, oft nutzen mehrere Netzbetreiber eine Antenne zusammen.

Fazit

Keinen Moment musste man in dem autonomen Taxi Angst um die eigene Sicherheit haben. Die Fahrt war trotz kommerziellem Start des Dienstes kostenlos. Offenbar sei die Testphase doch noch nicht zu Ende oder die Rechtslage sei nicht komplett geklärt, erfahren wir von einem Insider.

Näheres ließ sich nicht herausfinden. PwC Consulting prognostizierte, dass autonome Fahrzeuge im Jahr 2030 35 Prozent der chinesischen Neuwagenverkäufe ausmachen werden, was höher ist als der für die USA prognostizierte Anteil von 10 Prozent.

Offenlegung: Golem.de nahm auf Einladung von Huawei an einer Pressereise nach Shenzhen teil. Die Reise- und Hotelkosten wurden komplett von Huawei übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.


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