Politische Ansichten auf Google Drive: Letzte Generation mit Datenschutz-Super-GAU

Die Aktivisten der Letzten Generation haben Daten von Unterstützern mitsamt politischer Meinung und Gefängnisbereitschaft ungeschützt auf Google Drive gelagert.

Artikel veröffentlicht am ,
Straßenblockade in Berlin am 7.12.2022
Straßenblockade in Berlin am 7.12.2022 (Bild: Letzte Generation)

Die Welt am Sonntag stieß bei ihren Recherchen auf ein großes Datenleck der Gruppierung Letzte Generation. Mehrere Listen, die über Google Drive zugänglich waren, enthielten persönliche Daten von mehr als 2.200 Personen, die mit der Bewegung in Kontakt standen, berichtet die Zeitung.

Die Datensätze enthielten unter anderem Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Wohnorte, Angaben zu besuchten Seminaren und Trainings, Angaben zur Bereitschaft, im Rahmen von Protesten ins Gefängnis zu gehen, sowie teilweise Details über ihre Lebenssituation und Auszüge aus E-Mails. Bei mehr als 250 Personen wurde die Bereitschaft, für ihre Überzeugung ins Gefängnis zu gehen, vermerkt, berichtet die Zeitung.

Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting, der sich auf Datenschutz und IT-Sicherheit spezialisiert hat, bezeichnet gegenüber der Zeitung die Datensammlung als "Daten-Super-GAU". Datenschutzrechtlich gelten diese Informationen als besonders geschützte personenbezogene Daten, da sie über die politische Meinung einer Person Auskunft geben.

Als besondere Kategorien personenbezogener Daten nennt die DSGVO in Artikel 9 personenbezogene Daten, aus denen die

  • rassische und ethnische Herkunft,
  • politische Meinungen,
  • religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder
  • die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen
  • sowie genetische Daten,
  • biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person,
  • Gesundheitsdaten und
  • Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person.

Diese Daten dürften auch nicht auf einem mit Zugriffsrechten versehenen Google Drive gelagert werden. Auch die Datenschutzerklärung auf der Website der Letzten Generation ist nach Ansicht von Härting "völlig unzureichend" und verstößt gegen die Vorgaben der DSGVO. Er rät den Betroffenen, sich bei der bayerischen Datenschutzaufsichtsbehörde zu beschweren.

Kurz nach einer Anfrage durch Die Welt am Sonntag beschränkte die Gruppe den Zugang. Eine Sprecherin erklärte, dass die Letzte Generation eine rasch wachsende Bewegung sei, bei der Menschen, die teilnehmen möchten, ihre Kontaktinformationen bereitstellen, damit die Gruppe sie kontaktieren könne. Der erwähnte Ordner sei nicht mehr aktuell und werde daher nicht mehr verwendet. Die Sprecherin begründete die Sammlung von Daten damit, dass es inmitten einer Klimakatastrophe wichtig sei, dass die Menschen auf die Straße gehen und sich für zivilen Widerstand entscheiden. Sie betonte, dass die Teilnehmer bereit seien, mit ihrem Namen dafür einzustehen.

Die Letzte Generation sammelte diese Daten offenbar im Rahmen von Rekrutierungsversuchen. Ein Teil dieser Bemühungen war die Praxis des Rebel Ringing, bei der Personen, die bei Veranstaltungen mit der Letzten Generation in Kontakt gekommen waren, anschließend telefonisch für ein weiteres Engagement gewonnen werden sollten. Diese Kontakte sollten so schnell wie möglich nach der Veranstaltung erfolgen und die Interessierten sollten dazu motiviert werden, an einem Aktionstraining teilzunehmen.

Gefängnisbereitschaft ein Indiz für eine kriminelle Vereinigung?

Politiker haben diese Angaben als Indiz für die kriminelle Energie der Gruppierung interpretiert. Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, meinte, dass die Recherchen die Vermutung bestätigten, dass die Letzte Generation eine kriminelle Gruppierung sei.

Der Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, sieht die Daten als Beleg dafür, dass es der Letzten Generation nicht um ein Tempolimit oder einen 9-Euro-Fahrschein gehe, sondern um die "Zerstörung unserer demokratischen Strukturen". Weh kritisiert: "Wer Menschen bei der Registrierung kategorisiert und fragt, ob sie auch bereit sind, Straftaten zu begehen, nimmt radikale Abweichungen nicht nur in Kauf, sondern zielt bewusst darauf ab."

Sebastian Fiedler, ehemaliger Kriminalbeamter und Abgeordneter des Deutschen Bundestags, sagte gegenüber der Welt am Sonntag, dass es immer mehr Beweise dafür gebe, dass die Letzte Generation sich gegen die freiheitlich-demokratische Verfassung Deutschlands stelle. "Wenn diese Bewegung die Demokratie ablehnt und ihre Aktivisten nach ihren Strafen einteilt, ist die Letzte Generation ein klarer Fall für die Staatsanwaltschaft und den Verfassungsschutz", so Fiedler.

Der Autor meint dazu:

Eigentlich müsste die Gruppierung ein ureigenes Interesse an Datenschutz haben. Durch unprofessionelles politisches und juristisches Agieren droht jetzt nicht nur ein Image-Verlust. Im schlimmsten, eher unwahrscheinlichen Fall droht sogar ein Verbot. Dann wären solche Datensammlungen auch für Unterstützer und Mitglieder unangenehm. Vor diesem Hintergrund gerät das Anliegen des Klimaschutzes unter die Räder.

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Oktavian 06. Feb 2023 / Themenstart

Wenn man nur hinreichend ideologisiert ist, ist das vollkommen egal. Wer der Meinung...

ap (Golem.de) 06. Feb 2023 / Themenstart

Wir sind uns bewusst, dass es ein kontroverses Thema ist, das unterschiedliche Meinungen...

Lapje 06. Feb 2023 / Themenstart

Das stimmt aber auch nur bedingt - nämlich bei hohem Verkehrsaufkommen und bis zu einer...

Emulex 06. Feb 2023 / Themenstart

Ach Gottchen, jetzt geht hier die Wortklauberei los. Ich habe keine wissenschaftliche...

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