De-Risking? Könnte man versuchen – aber nicht ohne Chinas Technologie
"China reagiert damit auf die Tatsache, dass andere Länder eine Politik der Risikoreduzierung verfolgen, und will seine eigene Auslandsabhängigkeit verringern, während es andere stärker von China abhängig macht" , fasst Arcesati zusammen. Im Grunde sagt Peking: Ihr könnt versuchen, eure Lieferketten ohne China zu gestalten, aber ihr braucht dazu unsere Technologien, unser geistiges Eigentum und unsere qualifizierten Arbeitskräfte.
Diese selbstbewusste Haltung setzt die Volksrepublik allerdings mit großer pragmatischer Vorsicht in die Tat um. Peking achtet dabei immer darauf, chinesischen Unternehmen nicht zu schaden. "Als die chinesische Photovoltaik-Industrie zum Beispiel sah, wie Hersteller in den USA und Europa neue Produktionskapazitäten planten, nachdem das Mofcom angekündigt hatte, den Export von zentralen Solartechnologien zu verbieten, übte sie Druck auf die Regierung aus, um einen Rückzieher zu machen" , erklärt Arcesati. Die Maßnahmen hätten Chinas eigener Solarindustrie auf ausländischen Märkten schaden können.
Ähnlich agiert die Volksrepublik bei der Fertigung von Siliziumkarbidhalbleitern (SiC). Hier will sie sowohl bei der Fertigung von Siliziumkarbidchips als auch bei der Produktion von Wafern für die Verbundhalbleiter eine international führende Stellung einnehmen. Noch hat sie in der Technologie aber keinen entscheidenden Vorsprung.
Würde China nun die Ausfuhr von Wafern verbieten, würde es den chinesischen Herstellern den Markt nehmen. Denn ausländische Kunden könnten nicht mehr bei ihnen kaufen. Das will China verhindern, damit sich die als strategisch wichtig erachtete Technologie in der Volksrepublik weiter entwickeln kann. Deshalb hält sich die Regierung hier mit Ausfuhrkontrollen zurück.
Wie Peking Know-how-Export verhindert
Doch Peking hat im Halbleiterbereich andere Exportkontrollinstrumente in seinem Repertoire, mit denen es viel Schmerz verursachen und selbst wenig verlieren kann. So schränkte es als Reaktion auf ein Embargo der USA, Japans und der Niederlande bei Halbleiterlithografiesystemen im Sommer 2023 die Ausfuhr von Gallium und Germanium ein. Da die Volksrepublik 90 Prozent der weltweiten Produktion der beiden Halbleiterrohstoffe kontrolliert, kann sie davon ausgehen, dass Kunden aus den USA oder mit ihnen verbündeten Staaten die Metalle andernorts nur unter massiven Schwierigkeiten beschaffen können. Seit Jahresbeginn sanken die Exporte der beiden Metalle aus China daher um gut 50 Prozent. "Wie neue Daten der chinesischen Zollverwaltung zeigen, wurden im September 5.000 Kilogramm Gallium ausgeführt – nochmals knapp 30 Prozent weniger als im August(öffnet im neuen Fenster) . Das Material ging ausschließlich nach Deutschland" , berichtet der Rohstoffhändler Tradium.
Gallium und Germanium sind in der Halbleiter- ebenso wie in der Rüstungsindustrie unersetzbar und daher für die USA und die Nato strategisch wichtig. Sie fallen daher auch unter das Wassenaar-Rüstungskontrollabkommen, was es China erlaubt, seine Exportbeschränkungen mit Verweis auf die eigene nationale Sicherheit zu begründen.
In Zukunft verbietet Peking den Export von geistigem Eigentum und Prozesstechnologien
Peking schränkt zudem nicht mehr nur die Ausfuhr seltener Erden ein. Es kontrolliert vor allem den Export von Technologien zu deren Gewinnung sowie von Technologien, mit denen sich Endprodukte aus den Metallen herstellen lassen. "Chinesische Firmen haben in diesem Bereich umfangreiches geistiges Eigentum und technische Expertise angehäuft. Deshalb schützt es die heimische Industrie vor allem, indem es den Export von Verarbeitungstechnologien beschränkt" , erklären Rebecca Arcesati, Antonia Hmaidi und François Chimits in ihrer Studie.
Dass chinesische Unternehmen über das Wissen und die Patente für diese Prozesstechnologien verfügen, ist ihr Alleinstellungsmerkmal und das eigentliche Nadelöhr in der internationalen Wertschöpfungskette von Windrädern oder E-Motoren.
Die Ausfuhr fertiger Magnete kontrolliert die Volksrepublik dagegen bislang nur scharf, verbietet sie aber nicht, um deren chinesischen Herstellern nicht zu schaden. Ziel ist schließlich, Chinas dominante Stellung bei der Verarbeitung seltener Erden zu Endprodukten zu erhalten und zu verhindern, dass mit chinesischer Technologie Fertigungskapazitäten im Ausland entstehen. Oder wie Sun Tsu schon vor über zweitausend Jahren wusste: Inbegriff des Könnens ist es, den Feind ohne Gefecht niederzuzwingen.



