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Pixars Elio: Fluffig-bunter Eskapismus, den wir alle gebrauchen können

Elio wird kein Pixar -Klassiker, aber er bietet uns eine schick animierte Flucht ins All, die es im Kino heute viel zu selten so noch gibt.
/ Daniel Pook
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Elio entdeckt im Pixar-Animationsfilm ein buntes Universum. (Bild: Walt Disney Pictures)
Elio entdeckt im Pixar-Animationsfilm ein buntes Universum. Bild: Walt Disney Pictures

Eine interstellare Regierung verschiedenster Alien-Spezies kommt zur Erde, um den Anführer der Menschheit für diplomatische Verhandlungen mitzunehmen. So einen Menschheitspräsidenten haben wir gar nicht? In Pixars neustem Animationsfilm schon! Und er ist noch ein kleiner Junge.

Die Außerirdischen schreiben dem elfjährigen Elio diese Rolle einfach zu. Elio wächst ohne Eltern bei seiner Tante auf, er liebt alles was mit Raumfahrt zu tun hat, findet zu Gleichaltrigen aber kaum Anschluss und fühlt sich so alleine auf der Welt, dass er kurzerhand eine Nachricht ins All sendet, damit ihn endlich jemand abholt.

Und tatsächlich: Seine Rufe werden dank einiger glücklicher Begleitumstände erhört. Ein Ufo sammelt ihn mithilfe eines klassischen Traktorstrahls auf, dem Elio noch begeistert mit Schwimmbewegungen in der Luft die Arbeit zu erleichtern versucht. Das Weltraumabenteuer beginnt.

Im düsteren All nach neuen Freunden suchen - an jenem unwirtlichen Ort, der uns bereits in Ekstase versetzt, wenn Wissenschaftler kleinste Hinweise auf die theoretische Existenz lebender Bakterien auf staubigen Planeten finden? Für heutige Kinder mag das paradox klingen.

Wir hätten es in seinem Alter aber genauso gemacht wie Elio. Schließlich konnte E.T. ja auch erfolgreich "nach Hause telefonieren" - warum sollten wir also nicht ebenso Freundschaft mit Aliens schließen, wie uns das die Kinder in Der Flug des Navigators oder Explorers vorgemacht haben?

Science-Fiction muss nicht immer im Albtraum enden

Besonders in den 80er-Jahren hat das Kino seinen Zuschauern vom Weltall häufiger aufregenden Eskapismus und Abenteuer versprochen, anstatt immer wieder nur beschwerliche Kolonisationsversuche , kriegerische Invasionen , schreckliche Monster und sich gegenseitig an die Gurgel gehende Astronauten vorzuführen.

Solche Filme gab es zwar in den 70ern, 80ern und Anfang der 90er-Jahre ebenfalls zuhauf - und wir haben sie, trotz reichlich außerirdischen Saatguts für gut gedeihende Albträume, alle schon viel zu jung geguckt. Dazu erschien aber auch eine Vielzahl spannender, manchmal lustiger Jugend- und Familienfilme mit optimistischerem Sci-Fi-Setting, die als Kinder in uns die Sehnsucht weckten, uns könnte ähnliches auch mal passieren.

Elio von Pixar (Filmtrailer)
Elio von Pixar (Filmtrailer) (02:24)

Also Außerirdische auf ihrem Raumschiff zu besuchen, fremde Welten zu bestaunen oder friedlichen Besuchern von anderen Sternen unsere Erde vorzustellen. Obwohl sich so etwas Schönes auf ausgedehnte Tagträumerei beschränkte. Nachts im Schlaf wurden wir immer wieder nur von H.R. Gigers Alien verfolgt. Wie gesagt: Viel zu jung heimlich im Fernsehen gesehen ...

Was Star Wars und Star Trek kaum mehr liefern

Klar, modernes Star Wars lockt auch mit dem süßen Grogu , neigt ansonsten allerdings zu martialischem Actiongeplänkel, das den Weltraum-Märchenfunken früherer Tage kaum mehr zu entfachen weiß. Selbiges gilt für Avatar, trotz naturverbundener Na'vi.

Star Trek gibt es ebenfalls weiterhin , es war jedoch nie wirklich für Kinder gedacht und bewegt sich bei den aktuellen Serien außerdem von faszinierenden Entdeckerabenteuern im weiten All eher weg . Zudem hat es nicht mehr so sympathische Figuren wie einst.

Disneys Animationsfilm Strange World von 2022 ging noch am ehesten in die von uns so vermisste Richtung, war jedoch mehr Fantasy-Familientrip mit Öko-Message als die Art von Weltraum-Science-Fiction, wie wir sie gern öfter für ein junges Publikum sehen würden.

Das Wort Science im realistischen Sinne wird zwar auch bei Elio ganz klein geschrieben. Wenn wir hier aber einen verflüssigten Supercomputer sehen oder ein allwissendes Hologramm, das jede noch so absurde Frage des Universums mit mal mehr und mal weniger genervtem Unterton beantwortet, sind das kreative Technologiefantasien, die beim Anschauen einfach Spaß machen - vor allem in Kinderaugen, wo in der Regel noch etwas mehr Bereitschaft schlummert, die eigene Fantasie nach dem Kinobesuch weiter spielen und von so verrückter Technik träumen zu lassen.

Viel Eye Candy, kaum Weltraumpolitik

Elio ist ein niedlich animierter 100-Minuten-Trip, der ein wenig auf der Erde und sehr viel auf einer farbenfrohen Raumstation spielt. Cartoonhaft, aber trotzdem so effektreich gestaltet, das wir uns von den kreativeren Szenen gar noch ein paar mehr gewünscht hätten. Anstatt zwischendurch zu viel Zeit auf dem vergleichsweise langweiligen Raumschiff von Bösewicht Lord Grigon zu verbringen, der auch sonst ruhig etwas weniger präsent hätte sein dürfen, damit wir stattdessen mehr vom restlichen Universum hätten erleben können.

Immerhin bleibt das Geschehen, trotz reichlich Action, unbeschwert kindgerecht. Selbst der große Oberschurke ist eigentlich nur eine Mogelpackung, die Elio und seine Alien-Gefährten nicht mit Waffengewalt besiegen müssen - eine schöne Abwechslung zu unserer heutigen Weltlage.

Irgendwo in den Weiten des Alls scheint es also auch anders zu gehen als sich in ewige Kriege zu verzetteln. Zumindest in der Fiktion.

Die Multikulti-Gesellschaft des Communiverse genannten Weltraumregierungssitzes, wo Vertreter aller Spezies des Alls in einem galaktischen Senat zusammenkommen, ist überraschend frei von politischen Botschaften im Subtext der Handlung. Was die Aliens genau regieren und wie das abläuft, erfahren wir praktisch gar nicht. Das Szenario ist genau genommen bloß Eye Candy.

In erster Linie ist das Treiben auf der Kinoleinwand unterhaltsam anzusehen, weil die unterschiedlichen Wesen abwechslungsreich gestaltet sind und erkennen lassen, dass sie von Planeten mit sehr verschiedenen Umweltbedingungen kommen. Manche bewegen sich etwa durch die Luft, als seien sie Fische im Wasser. Das hat etwas von Monster AG, gekreuzt mit Findet Nemo, in gewohnt guter Pixar-Optik. Einzig der Detailreichtum von Kulissenhintergründen war bei früheren Kreationen des Studios schon mal deutlich höher.

Von der Prämisse, dass Elio als Kind versehentlich zum Herrscher der Erde erklärt wird und diese Rolle im weiteren Verlauf bewusst auszufüllen versucht, haben wir mehr erwartet. Hier lässt der Film viel Potenzial liegen, weil es letztendlich doch mehr um Elios Gefühlswelt geht.

Dass er gar erst ins Weltall fliegen musste, um zu verstehen, dass er auch auf der Erde gar nicht so alleine war, ist zwar eine schöne Message für Kinder. Doch was ist mit den wirklich interessanten Fragen rund um eine interstellare Regierung?

Könnten wir Menschen uns überhaupt auf ein gemeinsames Oberhaupt für solch eine Institution einigen? Und falls ja, vielleicht wäre ein Kind tatsächlich dafür die beste Wahl. Dieses selbst etablierte Konzept zu ergründen, war den Autoren und Regisseuren aber offenbar ganz und gar nicht wichtig. Elios Versuche, sich diplomatisch zu betätigen, tragen keine nennenswerten Früchte. Am Ende sind es mal wieder Liebe, Toleranz und Freundschaft, die das Universum retten. Dieses einfache Konzept erzählt Pixar immerhin routiniert unterhaltsam für alle Altersgruppen.

Aliens sind auch nur Menschen

Da die meisten Aliens in Elios Abenteuer sehr menschlich denken und reden, Universalübersetzer sei Dank, hebt sich der Film inhaltlich und metaphorisch gelesen nicht wesentlich von anderen Pixar-Werken ab, die nicht im Weltall spielen.

Dies hätte auch eine weitere Geschichte im Körper von Alles steht Kopf sein können oder ein dritter Teil der Nemo-Unterwasserreihe, nun eben mit einem anderen Fisch, der sich im weiten Meer alleine fühlt und an unerwarteten Orten in der Fremde neue Freunde findet. Und der eben auch ganz wie ein normaler Mensch denkt, fühlt, handelt.

Peter "Starlord" Quill aus Marvels Guardians of the Galaxy brachte Elios emotionale Reise durchs All im Prinzip bereits sehr ähnlich hinter sich. Da gab es ebenfalls originelle fremde Welten mit außerirdischen Freunden, die dankbar anthropomorphistische Züge hatten. Nur war das eben mehr Superhelden-Comic-Umsetzung und auch viel weniger für kleinere Kinder geeignet.

Das letzte begeisternde Element fehlt

Obwohl insgesamt gelungen, baut Elio zu wenig eigene, erinnerungswürdige Identität auf, um nur annähernd als neuer Pixar-Klassiker im Gedächtnis zu bleiben, so wie Wall-E oder Toy Story. Er erzählt auch nicht die originellste Geschichte, die Witze sind kindgerecht süß, aber nicht brüllend komisch. Er bietet keinen philosophischen Tiefgang in Bezug auf sein Weltraum-Setting, sondern handelt emotional gelungen irdisch-menschliche Probleme ab.

Es fehlt dieses letzte, begeisternde Element, das dem Film einen unverkennbaren Charakter verleiht. Außer, dass er gerade zu einer Zeit herauskommt, in der aufwendig gemachte Sci-Fi-Filme für die ganze Familie kaum mehr im Kino landen.

Willkommene Flucht ins wunderschöne All

Und das können wir nicht stark genug betonen. Es ist bei Science-Fiction-Filmen selten geworden, einfach nur mal eineinhalb Stunden in einer kindlich-optimistischen Träumerei versinken und zur Abwechslung mal großteils freundliche, drollige Aliens kennenlernen zu dürfen. Ohne dass hinter jedem schönen Motiv noch ein großes Aber steht, irgendwann alle bloß wild durcheinander ballern oder die grundsätzlich schon mal woanders gesehenen Ideen nur lustlos zusammengekleistert wirken, wie es jüngst etwa in The Electric State bei Netflix der Fall war.

Dabei wird es Pixar-typisch auch mal richtig emotional und es gibt sogar eine kleine Horrorszene, bei der Eltern und jüngere Kinder sich wahrscheinlich mal kurz gegenseitig die Hand festhalten müssen. Aber was klar überwiegt, ist ein gelungener Film für die ganze Familie, als Fenster in eine quirlig animierte Sci-Fi-Fantasie, die eigentlich gut als Serie bei Disney Plus fortgesetzt werden könnte. Mindestens die putzige Riesenraupe Glordon, unser heimlicher Star des Films, hätte ein eigenes Spin-Off verdient.

Elio ist ein Film für alle, die einen fluffig-bunten Weltraumausflug gerade gut gebrauchen können, um zumindest für einen Moment von all den schrecklichen Kriegen und Klimakatastrophen auf unserer realen Erde abzuschalten.

Elio ist am 19. Juni 2025 in den Kinos gestartet und wurde in Deutschland ab sechs Jahren freigegeben.


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