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Volker Wertich: 7 Megahertz reichten für 4.000 Siedler

Gamescom 2023
Im Interview spricht Entwickler Volker Wertich über sein Aufbauspiel Pioneers of Pagonia - und über Blue Byte und die ersten Siedler .
/ Peter Steinlechner
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Volker Wertich auf der Gamescom 2023 (vor Pioneers of Pagonia) (Bild: Peter Steinlechner/Golem.de)
Volker Wertich auf der Gamescom 2023 (vor Pioneers of Pagonia) Bild: Peter Steinlechner/Golem.de

Nach dem Interview zeigte Wertich uns das Programm noch im Detail. Es erinnert an Die Siedler: Es gibt miteinander über Wege verbundene Gebäude, etwa Holzfällerhütten und Bauernhöfe; einige Nutzflächen (Felder) müssen nicht unbedingt angeschlossen sein.

Die Platzierung der Häuser erfolgt mit einem System, das zumindest auf den ersten Blick erstaunlich viel Flexibilität zulässt, aber komfortabel wirkt. Das Gebiet wird über Wachtürme und Grenzsteine, die neu verlegt werden, vergrößert - wie in Die Siedler.

Gebaut wird auf Inseln, die prozedural erzeugt werden. Es gibt keine handlungsbasierte Kampagne, sondern wohl unterschiedliche Szenarios. Im Normalfall ist es das Ziel, die Insel vollständig zu erobern.

Dazu müssen etwa Banditen verjagt werden, oder Verbündete müssen sich den eigenen Einheiten anschließen - dazu bringt man sie, indem man für sie Jadestatuen sucht und findet oder an schwer erreichbarer Stelle einen Tempel baut.

Neben Singleplayer ist auch Koop geplant - möglicherweise nicht zum Early Access (mehr später im Text), aber dann recht bald per Update. Die Entwickler versprechen außerdem Tausende von Einheiten (Wertich: "das wuseligste Aufbauspiel" ) und wenig bis kein Mikromanagement.

Golem.de: Du hast das erste, 1993 veröffentlichte Siedler in Assembler programmiert. Warum?

Volker Wertich: Das ging damals nicht anders. Das erste Siedler habe ich für den Amiga entwickelt. Der hatte 7 Megahertz, aber in dem Spiel konnten bis zu 4.000 Siedlerchen herumwuseln. Es war unvermeidlich, in Assembler zu programmieren, damit das klappt. Das musste alles schon sehr gut optimiert werden.

Golem.de: Hat das Spaß gemacht?

Wertich: Ja, ich mochte das. Ich bezeichne mich als Hardcore-Logiker, ich habe Maschinensprache als erstes gelernt, das ist mir ins Blut übergangen. Ich habe danach C so ähnlich wie Assembler programmiert, ich konnte mir das nicht mehr abgewöhnen.

Golem.de: Was war damals die größte Herausforderung?

Wertich: Sich im Code zurechtzufinden, weil er schwer lesbar war. Man musste sich wirklich gut damit auskennen. Allerdings musste ich mich damals nur mit mir selbst absprechen und weder Kommentare noch Konventionen einhalten. Das war sehr effizient, aber völlig ungeeignet für größere Teams.

Golem.de: Hast du das erste Siedler primär wegen der Aussicht auf das große Geld gemacht oder wegen Spaß an der Freude?

Wertich: Für die eigentliche Entwicklung habe ich gar nicht viel Geld bekommen. Ich hatte keine hohen Lebenshaltungskosten - ich war ja nur gut 20 Jahre alt.

20 Jahre Die Siedler - Retrospektive von Blue Byte
20 Jahre Die Siedler - Retrospektive von Blue Byte (13:12)

Also hatte ich damals mit dem Chef von Blue Byte einen recht geringen monatlichen Betrag vereinbart, aber eine Beteiligung an den Einnahmen. Das war eine erhebliche Investition in Zeit, also ein Risiko. Ich fand das aber fair.

Wie erfolgreich Die Siedler dann werden würde, konnte niemand absehen. Für Blue Byte war damals Battle Isle die wichtigste Serie mit sehr soliden Verkaufszahlen. Dass Siedler so viel erfolgreicher werden würde, hat niemand vorausgesehen.

Trennung von Blue Byte und Pioneers of Pagonia

Golem.de: Wie hast du die Geschehnisse um das letzte Die Siedler von Blue Byte erlebt. Teilst du die Kritik der Community an dem Spiel?

Wertich: Zum Spiel werde ich mich nicht äußern. Aber was ich sagen kann: Als die Entscheidung kam, das Spiel in eine Richtung zu entwickeln, die mit meiner Vorstellung nicht vereinbar war, habe ich das Team verlassen.

Das hat aber nicht im Streit stattgefunden. Es gab einen geregelten Übergang und Blue Byte wurde noch über ein Jahr unterstützt.

Golem.de: Lass uns über dein aktuelles Projekt sprechen, also Pioneers of Pagonia. Wie hat die Arbeit daran mit deinem Entwicklerstudio Envision Entertainment(öffnet im neuen Fenster) begonnen?

Wertich: Wir haben zuerst zwei Prototypen gemacht. Einer hat in einem Science-Fiction-Szenario gespielt, das war auch ein interessantes Projekt.

Daran hätten wir aber in jedem Fall mit einem Partner arbeiten müssen. Stattdessen haben wir uns entscheiden, unabhängig zu bleiben und Pioneers of Pagonia zu produzieren.

Golem.de: Was ist der größte Unterschied zu einem klassischen Die Siedler?

Wertich: Schwierig zu sagen, weil Pioneers ein neues Spiel wird. Jedes System hat es vorher so noch nicht gegeben, egal ob es um die Entdeckung der Spielwelt oder die Logistik geht. Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten - auch, weil ich der Kreativchef bin und gewisse Vorlieben habe.

Golem.de: Wie wichtig findest du Kämpfe?

Wertich: In Pagonia kann der Spieler militärische Einheiten haben und gegen Feinde antreten. Wir bieten aber ein sehr großes Spektrum an Möglichkeiten. Wer friedlich ohne Stress vor sich hinbauen möchte, kann per Option dafür sorgen, dass er überhaupt keine Gegner hat - oder nur ein paar Wildschweine, um die sich der Jäger kümmert.

Auf der anderen Seite gibt es wahlweise auch sehr fiese und herausfordernde Opponenten. Etwa Banditen, die ständig versuchen, die Stadt zu plündern. Oder Werwölfe, die Einwohner beißen und sich so vermehren - das kann zu einer ernsthaften Bedrohung werden.

Golem.de: Wird es eine Konsolenversion von Pioneers of Pagonia geben?

Wertich: Eine Konsolenversion ist nicht ausgeschlossen, aber im Moment überhaupt nicht auf unserem Radar. Wir arbeiten derzeit nur an der PC-Fassung. Prinzipiell wäre das Spiel halbwegs gut geeignet, weil die Klickrate bei uns nicht sehr hoch ist.

Pioneers of Pagonia wird ein Spiel, in dem man das Geschehen beobachtet, nachdenkt und dann Entscheidungen trifft. Es wäre also für eine Konsolensteuerung sehr gut geeignet.

Pioneers of Pagonia: Demo und Early Access

Nach Angaben der Entwickler soll das Aufbauspiel ab dem 13. Dezember 2023 im Early Access für Windows-PC auf Steam starten. Anfang Oktober 2023 soll es eine öffentliche Demo geben, vor der wiederum ein Playtest geplant ist - Interessierte können sich auf der offiziellen Webseite registrieren.

Während der Gamescom 2023 in Köln kann Pioneers of Pagonia auf dem Indie Arena Booth (IAB) in Halle 10 erstmals öffentlich angespielt werden.


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