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Picard Staffel 3: Zum Abschluss ein Fest für TNG-Fans

Die gute dritte Staffel von Star Trek : Picard setzt auf bekannte Charaktere und eine packende Story. Wir fragen uns aber, warum es die ersten beiden Staffeln brauchte.
/ Tobias Költzsch
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Patrick Stewart als Admiral Jean-Luc Picard in der dritten Staffel von Star Trek: Picard (Bild: Paramount/CBS/Startrek.com)
Patrick Stewart als Admiral Jean-Luc Picard in der dritten Staffel von Star Trek: Picard Bild: Paramount/CBS/Startrek.com

Achtung! Wir verraten in dieser Rezension zwar keine genauen Details der dritten Staffel von Star Trek: Picard, umreißen aber die Grundgeschichte. Wer nichts davon erfahren will, liest ab hier besser nicht weiter!

Mit der Serie Star Trek: Picard standen die Macher vor einem gewaltigen Problem: Zum einen musste eine Geschichte erzählt werden, die neue Fans abholt und für sie spannend ist. Gleichzeitig baut die Serie auf Charakteren und Events auf, die eingefleischten Fans seit über 30 Jahren bekannt sind, die sie kennen und schätzen.

Diese Mischung ist bei Hardcore-Fans nicht immer gut angekommen. Picard sei viel zu düster, viel zu gewalttätig. Wer sind all diese neuen Leute? Und überhaupt war früher alles besser. Mit der dritten Staffel der Serie gibt das Team um Alex Kurtzman die bisherige Taktik auf, eine Serie für alle Geschmäcker zu bringen, und konzentriert sich voll auf die alten Fans.

Die dritte Staffel von Picard wird die letzte sein und zum Abschluss will Kurtzman sich offenbar mit den alten Fans versöhnen. Heraus kommt ein Fest für TNG-Liebhaber mit der bekannten Enterprise-Crew und klassischen Star-Trek-Motiven wie Verfolgungsjagden in Weltraumnebeln und Raumschiffklau. Nachdem Golem.de die ersten sechs Folgen der letzten Staffel gesehen hat, fragen wir uns allerdings: Warum haben wir die ersten zwei Staffeln überhaupt geschaut?

Die Geschichte ist komplexer, als es zunächst erscheint

Wie Paramount bereits im Vorfeld in Trailern bekannt gegeben hat, bekommt es Picard in der dritten Staffel mit der neuen Gegenspielerin Vadic zu tun, gespielt von Amanda Plummer. Erfreulich ist, dass sich die Geschichte - anders als von den Trailern zu erwarten - nicht nur um ein "Ich kenne dich von irgendwann früher und will Rache"-Schema dreht, sondern wesentlich komplexer ist.

Gegen einen derartigen Racheplot ist zwar an sich nichts einzuwenden, die Ähnlichkeit mit Der Zorn des Khan wäre aber zu offensichtlich gewesen. Die Macher der Serie verleihen der auf den ersten Blick simpel wirkenden Geschichte mehrere spannende Wendungen und Tiefen und bauen gleichzeitig zahlreiche bekannte Charaktere in die Geschichte ein. Mit Beverly Crusher, Will Riker, Worf, Geordi La Forge und Deanna Troi ist fast die komplette Brückencrew aus Next Generation mit dabei.

Angestoßen wird die Geschichte durch einen Hilferuf von Dr. Crusher, zu der Jean-Luc Picard ebenso wie Will Riker seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr gehabt haben. Der Hintergrund dessen ist ein wichtiger Punkt in der Geschichte der dritten Staffel, über den wir an dieser Stelle nichts verraten wollen. Der Hilferuf bringt die Story in Gang, die sich in den ersten Folgen mit gutem Tempo entwickelt. Parallel dazu gibt es einen zweiten Erzählstrang um Raffi Musiker, die auf einem Partyplaneten in geheimer Sache ermittelt.

Da moderne Star-Trek-Serien düsterer sind als ihre Vorgänger aus den 1990er Jahren, handelt es sich dabei selbstredend nicht um einen hellen, sonnigen Erholungsplaneten wie Risa, sondern um die Föderationsversion von Los Angeles im Science-Fiction-Klassiker Blade Runner. Wir mussten die Helligkeit unseres Monitors deutlich erhöhen, um der Serie folgen zu können: Auch die dritte Staffel von Picard ist wieder äußerst dunkel aufgenommen - für unseren Geschmack zu dunkel.

Picard und Riker zanken wie ein altes Ehepaar

Vor allem das Zusammenspiel zwischen Jean-Luc Picard und Will Riker ist gut erzählt und weist eine gewisse Situationskomik auf, die uns manchmal an ein altes Ehepaar erinnert. Einige Figuren finden wir etwas zu klischeehaft, etwa den Captain der USS Titan. Das Storytelling ist insgesamt aber ordentlich, Langeweile wie bei einigen Folgen von Discovery kam bei uns nicht auf. Die Geschichte folgt einem recht stringenten Faden, die Wendungen wirken zumindest in den ersten sechs Folgen auf uns kohärent und nicht übertrieben.

Das Erzählrezept der dritten Staffel wird aber schnell offensichtlich: Kurtzman setzt voll auf den Retrofaktor. Raffi ist neben Seven of Nine die einzige Hauptfigur aus den ersten beiden Staffeln der Serie, die es in die dritte Staffel geschafft hat.

An dieser Stelle sei Jeri Ryan als Seven Of Nine ein Kompliment ausgesprochen. Die Schauspielerin kann in der letzten Staffel von Picard endlich zeigen, was sie wirklich drauf hat: Vor allem mit ihrer Mimik drückt sie immer wieder hervorragend ihre inneren Konflikte aus, was eine willkommene Abwechslung zu der ansonsten eher hölzern und austauschbar wirkenden Besatzung ihres Schiffes ist.

Zuschauer erfahren Hintergründe bekannter Figuren

Wie bereits in den ersten beiden Staffeln von Picard werden die inneren Konflikte der Figuren wesentlich stärker beleuchtet als in alten Star-Trek-Serien. Das ist dieses Mal nicht nur bei Jean-Luc Picard interessant, über dessen Gefühlsleben und Vorgeschichte in der zweiten Staffel eine Menge zu erfahren war: Auch die alte TNG-Crew bekommt eine Art Charakter-Upgrade. Wir erfahren Dinge über Beverly Crusher, Will Riker und Worf, die in TNG kein Thema waren. Das finden wir interessant.

Gegen das Retrokonzept der dritten Staffel ist an sich nichts einzuwenden - mit Lower Decks hat das Star-Trek-Franchise eine Serie im Portfolio, die sich explizit auf Star-Trek-Nerds fokussiert und darin sehr gut ist. Was wir jedoch überraschend finden, ist der plötzliche Schwenk auf dieses Konzept bei Picard. In den ersten beiden Staffeln gab es zwar auch schon Referenzen auf frühere Ereignisse, der Fokus ist aber wesentlich weniger deutlich als in der dritten und letzten Staffel.

Im Grunde stellt die dritte Staffel von Picard einen kompletten Neuanfang dar: Keines der Ereignisse der ersten beiden Staffeln wird auch nur erwähnt, die Geschichte ist zumindest in den ersten sechs Folgen komplett losgelöst von den vorigen Geschehnissen. Wir fragen uns daher, warum wir die ersten beiden Staffeln überhaupt geschaut haben, wenn das Serienfinale deren Inhalte offenbar komplett ignoriert. Die dritte Staffel halten wir als Star-Trek-Fans für sehr gelungen, sie lässt uns in der Gesamtbetrachtung aber etwas ratlos zurück, was die generelle Planung der Serie betrifft.

Natürlich setzte Star Trek: Picard von Anfang an auf den Nimbus von Jean-Luc Picard und baute in den ersten beiden Staffeln neue Geschichten um ihn herum. Die letzte Staffel fühlt sich aber von der Grundstimmung her an wie ein zu einer Serie ausgebauter Nachfolger des letzten Kinofilms mit der TNG-Crew, Nemesis. Explizit beziehen wir uns bei diesem Vergleich auf die Grundstimmung der Serie, nicht auf die Inhalte: Diese halten wir bei der dritten Staffel von Picard für wesentlich besser als bei Nemesis, der uns eher enttäuschte.

Guter Abschluss für Star-Trek-Fans

Für uns als Star-Trek-Fans geht das All-In-Retrokonzept der dritten Staffel von Picard auf. Alex Kurtzman hat einen versöhnlichen Abschluss geschaffen, die bisherigen Kritiker der Serie dürften weniger zu meckern haben. Der Schritt war für den Produzenten vielleicht auch deshalb weniger risikoreich, da schon lange feststand, dass nach der dritten Staffel Schluss sein wird. Wer Star Trek aus den 1990er Jahren mag, wird auch die letzte Staffel von Picard lieben.

Star Trek: Picard ist ab dem 17. Februar 2023 bei Paramount+ und Amazon Prime Video zu sehen. Pro Woche wird eine neue Folge veröffentlicht, die Staffel hat insgesamt zehn Folgen.


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