Physik: Zeitreisen ohne Paradoxon

In der Science-Fiction gehen Zeitreisen meistens schief, weil Ereignisse in der Vergangenheit die Zukunft zum Schaden des Helden beeinflussen. Das muss nicht sein - gleich zwei Theorien haben eine plausible Erklärung.

Artikel veröffentlicht am , Matthias Matting
Physik: Zeitreisen ohne Paradoxon
(Bild: Joe Raedle/Getty Images)

Filme wie Butterfly Effect oder Zurück in die Zukunft spielen mit der Idee, dass ein Zeitreisender mit seinen Handlungen in der Vergangenheit der Gegenwart eine neue Form geben könnte. Meist scheitern die Helden dabei, denn es ist unmöglich, jegliche Auswirkungen einer Veränderung vorherzusehen. Irgendwann stößt jeder Zeitreisende auf das sogenannte Großvater-Paradoxon: Tötet jemand in der Vergangenheit seinen eigenen Opa, löscht er damit unweigerlich die eigene Existenz aus und verhindert gleichzeitig sowohl die Zeitreise als auch den Mord.

Es ist dieses Paradoxon, das in seinen vielen Abwandlungen dazu führt, dass jeder Film mit Zeitreise-Thematik auf die eine oder andere Art unlogisch wird. Der Zuschauer empfindet das so, weil die zeitliche Abfolge von Ursache und Wirkung, die Kausalität, im gesunden Menschenverstand tief eingebrannt ist. Das heißt aber nicht, dass Zeitreisen allein deshalb unmöglich sein müssten: Auch die Quantenphysik samt ihren Erscheinungen wie der Quanten-Teleportation oder der Verschränkung ist der menschlichen Logik nicht zugänglich.

Tatsächlich erlaubt die allgemeine Relativitätstheorie Lösungen, die zur Möglichkeit von Zeitreisen führen. Der erste Mathematiker, der das ausrechnete, war 1937 der Niederländer Willem Jacob van Stockum. Wirklich bekannt wurde das mathematische Konstrukt, die Closed timelike Curves (CTCs, übersetzt etwa geschlossene zeitähnliche Kurven) erst 1949 mit den Berechnungen von Kurt Gödel. Geschlossene Kurven im Raum sind nichts Besonderes: Wer einmal um sein Haus läuft, hat eine solche Kurve beschritten. Eine CTC ist aber in allen vier Dimensionen geschlossen, also in Raum und Zeit. Ein Objekt, das sich auf einer solchen Kurve bewegt, kommt irgendwann wieder am selben Ort in seiner eigenen Vergangenheit an.

CTCs wären, gäbe es sie, ziemlich praktisch. Forscher schlagen zum Beispiel vor, einen Computer auf Zeitreise zu schicken. Das Prinzip: Man schickt den Computer einfach so lange und so oft in die Vergangenheit, bis ein Problem zum heutigen Zeitpunkt gelöst ist. Auf diese Weise wären universelle Computer möglich, die sogar dem Quantenrechner weit überlegen wären. Das Großvater-Paradoxon ist dabei leider ein echtes und nicht nur logisches Hindernis, denn jedes kleinste Photon, das in die Vergangenheit reist, kann den Effekt auslösen - Großväter werden dazu gar nicht benötigt.

Doch man muss nicht so radikal wie Stephen Hawking sein und Zeitreisen deshalb gleich ganz ausschließen. Hawking glaubt, dass sich das Zeitreise-Problem mit einer künftigen Theorie der Quantengravitation komplett auflösen werde, weil diese eine Art Vergangenheits-Schutz enthalten werde.

MIT-Physiker Seth Lloyd schlägt eine andere Lösung vor. Er setzt auf das aus der Quantenphysik bekannte Prinzip der Post-Selection. Ein quantenmechanisches System mit dieser Fähigkeit lässt von vornherein nur bestimmte Ergebnisse zu. Kombiniert man dies mit einer Quanten-Teleportation, dann sind gewissermaßen nur Kurven begehbar, die garantiert nicht zu einem Paradoxon führen, also selbst-konsistent sind.

Der theoretische Physiker David Deutsch schlägt eine andere Lösung vor, die zwei seiner Kollegen kürzlich in einer Simulation überprüft haben. Demnach löst sich das Paradoxon auf Quantenebene in Nichts auf, weil hier statt eindeutiger Abläufe (Determinismus) die Gesetze von Zufall und Wahrscheinlichkeit herrschen. Es kommt nur darauf an, dass jedes Teilchen, das sich auf eine geschlossene zeitähnliche Bahn begibt, am Ende mit Eigenschaften mit gleicher Wahrscheinlichkeit erscheint. Wenn es also am Anfang eine 50-prozentige Chance hat, ein bestimmtes Ereignis auszulösen, muss es am Ende - das ja auch der Anfang ist - dieselbe Wahrscheinlichkeit haben.

Der Scientific American überträgt das so auf das Großvater-Paradoxon: Wenn eine Person geboren wird, kommt sie bereits mit einer bestimmten - sagen wir: 50-prozentigen - Wahrscheinlichkeit auf die Welt, ihren eigenen Großvater umzubringen. Reist dieser Mensch nun aber in die Vergangenheit, hat der Opa eine entsprechend hohe - hier auch 50-prozentige - Chance, dem Anschlag zu entgehen. Der Killer bliebe also trotz des Mordes am Leben. Jedenfalls wenn er den Gesetzen der Quantenphysik genügt - wozu er allerdings sehr, sehr klein sein müsste.

Falls Sie sich an dieser Stelle an die Schrödinger-Katze erinnert fühlen, die ebenfalls zwischen Leben und Tod schwebt: Richtig, auch diese ist, wie jedes Teilchen im Quantenregime, einer Überlagerung verschiedener Wahrscheinlichkeiten unterworfen. Einer echten Zeitreise bringt uns die Idee also nicht näher - wohl aber einer Anwendung von CTCs im Allerkleinsten, etwa bei Quantencomputern. Allerdings treten CTCs auch nicht einfach so im Alltag auf. Sie entstehen als Lösungen der allgemeinen Relativitätstheorie nur, wenn der Raum extrem verzerrt wird, etwa in der Nähe eines Schwarzen Lochs.

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Neverthi 02. Okt 2018

Das Paradoxon ist nicht möglich, da sich der Zeitstrang verändert und eine parallele...

bernardo40 01. Okt 2017

Zum einen in die Zukunft ist es schon möglich, denk mal was passiert wenn man in die Nähe...

FuturesCaptain 28. Feb 2017

Sehr interessant zu lesen, danke... und... ich muss zugeben... erst beim 2. Mal lesen...

Neuro-Chef 10. Jul 2015

So wie in den Verfilmungen von "Time Machine", quasi gespult? :D Wenn Reisen in die...



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