Personenkennziffer: Bundestag beschließt einheitliche Bürgernummer
Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken hat der Bundestag die Einführung einer übergreifenden Bürgernummer auf Basis der Steuer-ID beschlossen.

Die Behörden sollen die Daten von Bürgern künftig auf Basis einer gemeinsamen Kennziffer effizienter austauschen können. Der Bundestag beschloss dazu am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD das sogenannte Registermodernisierungsgesetz. Die Opposition lehnt die Nutzung der Steuer-ID als Identifikationsnummer hingegen geschlossen ab und befürwortet stattdessen spezifische Kennnummern für einzelne Verwaltungsbereiche. Nach Ansicht der Koalition ist das Gesetz jedoch mit der Verfassung vereinbar.
Mit den ebenfalls beschlossenen Änderungen sollen künftig 51 von rund 200 Behördenregistern die Bürgernummer nutzen. Damit sollen E-Government-Dienste umgesetzt werden, die im Onlinezugangsgesetz (OZG) definiert werden. Sie setzen auf den Verwaltungsregistern von Bund und Ländern auf. Mit Hilfe der zentralen Kennung sollen Personenverwechslungen ausgeschlossen und die Basisdaten natürlicher Personen verlässlich gepflegt und bereitgestellt werden können.
Zu den Stammdaten zählen Namen, Geburtsort und -datum, Geschlecht, Anschriften, Wohnungswechsel sowie Staatsangehörigkeiten. Für besonders schützenswerte Personen soll eine Auskunftssperre gelten. Der Zugriff von Sicherheitsbehörden ist nicht vorgesehen.
4-Corner-Modell beschlossen
Zu den angeschlossenen Registern zählen unter anderem das Melderegister, das Personenstandsregister und das Ausländerzentralregister. Das zentrale Fahrzeugregister, das zentrale Fahrerlaubnisregister und das Waffenregister sind ebenfalls angeschlossen. Künftig darf nur der Bundestag darüber entscheiden, ob weitere Register in die Liste aufgenommen werden.
Das sogenannte 4-Corner-Modell soll laut Gesetzesbegründung sicherstellen, dass Daten in bestimmten Fällen nicht direkt zwischen den Kommunikationspartnern ausgetauscht werden, "sondern nur unter Einschaltung von Vermittlungsstellen, die kontrollieren, ob eine Behörde abstrakt berechtigt ist, der anderen zu dem angegebenen Zweck die jeweiligen Daten zu übermitteln".
Durch eine Ergänzung in Paragraf 5 des ursprünglichen Entwurfs (PDF) wird eine Nutzung der ID-Nummer zu anderen Zwecken außer "zur Erbringung von Verwaltungsleistungen nach dem Onlinezugangsgesetz auf Grund von Rechtsvorschriften oder mit Einwilligung der betroffenen Person sowie zum Zwecke eines registerbasierten Zensus" für unzulässig erklärt. Damit soll unter anderem eine Profilbildung verhindert werden.
Mit Hilfe eines sogenannten Datencockpits sollen sich die Bürger einen Überblick über die Zugriffe der Behörden auf seine Stammdaten verschaffen können. Anders als ursprünglich geplant sollen die Bürger nun auch erkennen können, was von wem wann an wen übermittelt wurde. Zuvor war nur der Einblick in Protokolldaten vorgesehen.
Mit Volkszählungsurteil vereinbar?
Trotz der beschlossenen Änderungen besteht nach Ansicht der Opposition immer noch ein hohes Risiko, dass das Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird. Denn der juristische Knackpunkt bei dem Gesetz ist die Frage, ob durch die umfassende Nutzung der Steuer-ID ein mehr oder weniger "einheitliches Personenkennzeichen" entsteht. Eine solche Identifikationsnummer erklärte das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Volkszählungsurteil von 1983 für unzulässig. Allerdings ist die Frage umstritten, inwieweit ein solches Merkmal genutzt werden kann, wenn es nur für bestimmte Bereiche gilt.
Den Vorschlag der FDP, nur bereichsspezifische Personenkennzeichen einzuführen, lehnte die Koalition jedoch ab. Der FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin verwies in seiner Rede auf "massive verfassungsrechtliche Bedenken", die von Datenschutzbeauftragten, den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags und Rechtsexperten zur Nutzung der Steuer-ID geäußert worden seien. "Sie glauben einfach, es geht so, weil es eben am einfachsten ist. Das stimmt aber nicht", sagte Höferlin an die Adresse der Koalitionsfraktion gerichtet. Das einzige, das man mit der Steuer-ID gewinne, sei Zeit. Denn die Regierung wolle mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes rechtzeitig fertigwerden.
"Der Datenschutz macht uns kaputt"
Der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann verteidigte wie bereits in der ersten Lesung des Gesetzes die Pläne. Er appellierte an die Opposition, dass man "datenschutzpolitisch in die Zukunft aufbrechen" müsse, anstatt "wie in einer Kaninchen-vor-der-Schlange-Haltung" auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 zu starren. Henrichmann zitierte dazu einen nicht namentlich genannten Unternehmer mit den Worten: "Der Datenschutz macht uns kaputt."
Das wiederum empörte den Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz. "Wer so borniert daherredet, der muss verfassungswidrige Gesetze bauen", sagte der Fraktionsvize und fügte hinzu: "Deswegen kacheln Ihre Gesetze in Karlsruhe an die Wand." Weil die Registermodernisierung so wichtig sei, sei es "ein Wahnsinn", auf die Steuer-ID zu setzen. "Wenn das in drei Jahren scheitert, dann haben wir ein Kosten- und Zeitproblem biblischen Ausmaßes", und es werde "ein hoher Preis für die Huschi-Aktion bezahlt", warnte Notz.
Nachtrag vom 29. Januar 2021, 9:07 Uhr
Wir haben im siebten Absatz den Hinweis auf das Datencockpit ergänzt.
Nachtrag vom 2. Februar 2021, 10:42 Uhr
Nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber hat die Koalition mit den beschlossenen Änderungen nur "marginal" auf die Kritik des Bundesrates und aus der öffentlichen Anhörung reagiert. "Es ist natürlich erfreulich, dass die Zweckbindung bei der geplanten Identifikationsnummer oder der Schutz von Menschen mit einer melderechtlichen Auskunftssperre gestärkt werden", sagte ein Behördensprecher auf Anfrage von Golem.de. Allerdings bleibe es weiterhin "bei der verfassungsrechtlich fragwürdigen und für die Digitalisierung der Verwaltung äußerst riskante Nutzung der Steuer-ID als allgemeiner Identifikationsnummer".
Enttäuschend sei zudem, dass das 4-Corner-Modell nach wie vor nur für bereichsübergreifende Übermittlungen gelten solle, auch wenn die Anforderungen an die Bildung der einzelnen Bereiche präzisiert würden. "Insgesamt sind die Vorschläge damit lediglich geeignet, an einigen wenigen Punkten datenschutzrechtliche Verbesserungen zu erreichen. Die grundlegende Kritik an der Gesamtkonzeption wird hingegen nicht aufgegriffen", sagte der Sprecher.
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Wo genau steht denn in unserem Grundgesetz, dass wir keine Personenkennziffer haben...
Der Egoismus liegt bei Leuten wie dir, die lediglich Angst um ihr Krankenhaus Bett haben...
Hitler ist ja nur ein austauschbarer Name.
Klar, so wieder jeder Bürger nach "stiller SMS" und Ähnlichem benachrichtigt werden sollte...