OS X 10.9 Mavericks im Test: Apple führt den Energiesparpass ein

Beim ersten Start nach der Installation von Mac OS X 10.9 alias Mavericks, die je nach System ungefähr eine halbe bis Dreiviertelstunde dauert, fällt zunächst einmal kaum auf, dass es sich um ein neues Betriebssystem handelt. Zwar erscheinen mit "Karten" und "Bücher" zwei neue Anwendungen im Dock, doch damit hat es sich erst einmal. Eine radikale Erneuerung des Interface hat Apple anders als bei iOS 7 nicht durchgeführt. Der Mac fühlt sich nach dem Update erst einmal ganz wie der Alte an.











Das ändert sich beim Blick in den Finder. Auf der linken Seite erwarten den Anwender Farbmarkierungen, mit denen er Dateien und Ordner klassifizieren kann. Benutzer von Bildverwaltungen kennen das Etikettierungssystem schon länger, doch nun findet es auch in ein Betriebssystem Eingang. Seine Benutzung ist keine Pflicht und viele Anwender werden sich erst einmal ein Ordnungsschema überlegen müssen, um die neuen Tags, die letztlich zum Filtern von Daten genutzt werden, sinnvoll einzusetzen. Mit Hunderten von Schlagwörtern wird man zumindest nicht glücklich werden.

Ein Klick auf eines der Tags im Finder ruft dann alle vom Anwender so etikettierten Daten auf, egal, in welchem Ordner sie sich befinden. Beim Speichern von Dateien wird der Anwender nun nicht mehr ausschließlich nach Speicherort und Dateinamen gefragt, sondern kann den Dateien auch noch Schlüsselwörter und die Farb-Tags mitgeben. Das erleichtert mitunter die Suche immens. Die klassische Volltextsuche über Spotlight ist immer noch möglich, doch nun können erstmals auch Nicht-Textdateien wie Videos und Bilder verschlagwortet werden, ohne dass dafür die Dateinamen oder eine Ordnerstruktur missbraucht werden müssen.
Eines darf aber nicht vergessen werden: Diese Funktion gibt es nur in Mac OS X 10.9. Ältere Mac-Versionen und Windows können damit nichts anfangen, werden von den Tags aber auch nicht behindert. Der Finder bietet zudem noch Tabs an, so dass in einem Programmfenster mehrere Ordner geöffnet sein können, zwischen denen der Anwender hin- und herschalten kann. Das sorgt für weniger offene Finder-Fenster und etwas mehr Übersicht im Fenster-Dschungel. Nebeneinander lassen sich die Tabs nicht anzeigen. Nostalgische Norton-Commander-Gefühle sind also fehl am Platz.
Karten: ohne ÖPNV, dafür mit Rücksicht auf Verkehr
Die neue Kartenanwendung in Mac OS X 10.9 holt das iOS-Erlebnis auf den Desktop und zeigt Straßenkarten, Luftbilder und 3D-Ansichten an. Außerdem können hier Routen mit Start- und Endpunkt geplant und von OS X auf iPhones und iPads des Nutzers übertragen werden, wo sie die Navigationsfunktion aufrufen. Das ist praktisch für alle, die ihre Reise nicht erst auf dem mobilen Gerät im Auto planen wollen. Apple bietet übrigens nach wie vor keine Routenplanungsfunktionen für Radfahrer oder Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs an. Dafür wird das Verkehrsaufkommen in die Routenplanung miteinbezogen.
Die Routenbeschreibungen können auch als PDF gespeichert oder per E-Mail verteilt oder auf Facebook als Grafik gepostet werden. Das mag für Anfahrtsbeschreibungen sinnvoll sein. Leider kann der Anwender in die Karten keine Ergänzungshinweise hineinmalen, es sei denn, er arbeitet mit Screenshots. Praktisch ist die Integration der Kartenanwendung in einige andere Anwendungen wie den Kalender und Safari. Markierte Adressen können über das Kontextmenü in der Kartenanwendung aufgerufen und Routen direkt dorthin geplant werden. Der Terminkalender kann sogar darauf hinweisen, wann es den aktuellen Verkehrsverhältnissen entsprechend Zeit wird, loszufahren, damit der Termin eingehalten wird.
iBooks: E-Books lesen auf dem Mac
Mit der E-Book-Anwendung können die für iOS entwickelten iBooks auch auf den Mac heruntergeladen, gelesen und mit Notizen versehen werden. Letztere werden dann auch auf den iOS-Geräten des Benutzers synchronisiert. Auch die aktuelle Seite wird abgeglichen, damit der Anwender hin- und herwechseln kann. Wie angenehm es ist, auf dem großen Bildschirm längere Texte zu lesen, muss jeder für sich entscheiden. Die E-Books profitieren jedoch von interaktiven Elementen wie Filmen und Animationen, die ein klassisches Buch oder auch ein E-Book-Reader mit langsamem Graustufendisplay von E-Ink nicht bieten können. Doch solche Funktionen bietet längst nicht jedes Buch im App Store, in dem es auch viele kostenlose Angebote gibt.
Energieverschwendung wird sichtbar
Mavericks kann in der neuen Aktivitätsanzeige auch den Energiebedarf von Anwendungen ausweisen. Das ist für den Anwender derzeit eine recht nutzlose Funktion, denn er muss diesen Umstand erst einmal hinnehmen und kann höchstens die Anwendung schließen. Auf Dauer könnte das Ausweisen des Energiebedarfs jedoch dazu führen, dass die Entwickler unter Druck gesetzt werden, energiesparendere Apps zu entwickeln.
Effizientes Arbeiten auf mehreren Displays und dem Fernseher
Mehrbildschirmanwender wird Mavericks begeistern. Sie können Apps im Vollbildmodus benutzen, ohne dass der zweite Bildschirm davon betroffen ist. Die bei Apple Spaces genannten virtuellen Desktops können auf die Bildschirme verteilt benutzt werden und das Dock wird auf dem Display angezeigt, das gerade aktiv ist. Das spart viel nerviges Suchen. Wer keinen zweiten Bildschirm besitzt, kann mit der 99-Euro-Box Apple TV seinen Flachbildfernseher zum Apple-Display machen.
Sparanstrengungen noch ohne große Auswirkungen?
Die Stromspartechnik App Nap soll Anwendungen, die von anderen Fenstern verdeckt werden, mit niedrigerer Priorität ausführen. Das gilt für die Zugriffe auf den Prozessor wie auf die GPU, die Festplatten oder SSDs wie auch auf das Netzwerk. Im Praxisbetrieb merkt der Anwender davon jedoch fast nichts, was uns etwas erstaunte, bevor ein Blick in die Aktivitätsanzeige Gewissheit gab: Längst nicht alle Apps unterstützen App Nap, auch wenn sie nicht im Vordergrund laufen. Das erklärt vielleicht auch, warum der Anwender noch keine Auswirkungen auf die Akkulaufzeit spürt. Das ist uns zumindest beim normalen Arbeiten aufgefallen. Auch beim Abspielen von Videos soll Strom gespart werden, indem Rechenzeit auf die GPU verlagert wird. Das Akkusymbol in der Systemleiste zeigt an, welche Anwendungen mit besonders hohem Energiebedarf gerade laufen. Die kann der Anwender bei akuter Stromnot dann abschalten.
Weniger zum Strom- als zum Ressourcensparen dient die neue Funktion "Compressed Memory", die selten benötigte Speicherinhalte komprimieren soll, um den freiwerdenden Platz anderen Apps zur Verfügung stellen zu können. Auch davon spürten wir auf dem von uns verwendeten System mit bescheidenen 8 GByte RAM kaum etwas. Die zuvor unter OS X 10.8 genutzten zahlreichen Programme reagierten wie auch das Gesamtsystem nicht fühlbar flüssiger. Bei Verzeichnissen mit extrem vielen kleinen Dateien dauert der Aufruf mit dem Finder unter Mavericks sogar deutlich länger.
Mit Timer Coalescing gibt es eine weitere Stromsparfunktion in OS X 10.9. Damit sollen Hintergrundprozesse zusammengefasst werden, was der CPU gelegentlich die Möglichkeit zum Einschalten des Energiesparmodus geben soll. Das soll ebenfalls die Akkulaufzeit verlängern. Apple verspricht, dass der Anwender von der Technik nichts merkt - Hänger sind uns auch nicht aufgefallen, aber die Laufzeit unseres Macbook Pro mit Intel Core i7 (2,66 GHz) und 8 GByte RAM sowie einer Samsung SSD 840 mit 512 GByte änderte sich auch nicht merklich. Mit Bordmitteln lässt sich die Effizienz des Timer Coalescing auch nicht überprüfen.
iCloud als Passwort-Safe und Safari 7
Apple bietet in OS X 10.9 mit der iCloud Keychain eine einfache Passwortverwaltung an, die über die Geräte des Anwenders hinweg Zugangsdaten zur Verfügung stellt und auch lange Passwörter generieren kann, wenn beispielsweise neue Benutzerkonten auf Websites angelegt werden sollen. Die iCloud Keychain wird verschlüsselt und mit einem Sicherheitscode geschützt, den der Anwender eintippen muss. So soll sichergestellt werden, dass ein verlorenes und ungeschütztes Gerät dem Finder die Einkaufstour vermasselt. Die Keychain kann auch mit iOS-Geräten synchronisiert werden, was iOS 7.0.3 erfordert.
Über iMessage eingetroffene Nachrichten lassen sich über die Benachrichtigungszentrale direkt beantworten, wenn der Benutzer es will. Wer sich von den eingehenden Nachrichten gestört fühlt, kann sie auch abschalten oder eine Ruhephase definieren. Die Facetime-App für Videokonferenzen hat keine Neuerungen erhalten und funktioniert weiterhin von Mac zu Mac oder zu iOS-Geräten. Eine Option zum Sperren nerviger Anrufer hat Apple anders als bei der iOS-Version in Mavericks bisher weggelassen und auch eine reine VoIP-Verbindung ohne Bild lässt sich über iMessage nicht aufbauen.
Beim Dateiaustausch im lokalen Netzwerk kann Mavericks Microsofts Protokoll SMB2 nutzen. Wie gehabt, können AFP, SMB und NFS verwendet werden.
Neues in Safari
Safari 7 hat eine neue Seitenleiste, die den Umgang mit der Leseliste deutlich komfortabler macht. Die dort gespeicherten Webseiten werden wie ein endloses Band durchgeblättert. Der Anwender spart sich so den Klick auf den nächsten Eintrag. Die Webseiten werden einfach nach und nach aufgerufen, wenn der Benutzer jeweils zum Ende einer Seite gekommen ist. Das erhöht den Lesekomfort deutlich. Mehrseitige Beträge müssen jedoch nach wie vor angeklickt werden - ein automatisches Durchblättern funktioniert leider hier nicht. Die Blätterfunktion ist nur bei der Leseliste aktiv - bei den Lesezeichen (Bookmarks) funktioniert sie nicht.
Apple will auch beim Safari-Browser Strom und Prozessorlast sparen und versetzt Webseiten, die nicht im Vordergrund stehen, in eine Art Ruhezustand. Das geht nur, weil Apple nun jedes Tab in einem eigenen Prozess ausführt, dem das Betriebssystem natürlich weniger Priorität zuweisen kann. Die Prozessorauslastung bei vielen offenen Tabs ist gegenüber Mac OS X 10.8 deutlich gesunken und der Lüfter, der früher schnell ansprang, bleibt dezent im Hintergrund.
Beim Aufruf einer PDF-Datei oder einer Webseite mit Flash-Inhalten fragt Safari 7 pro Domain einmalig, ob der Anwender der Site vertraut und führt die erforderlichen Plugins nur noch nach Bestätigung aus. Das soll die Sicherheit erhöhen, kann jedoch auch schnell nerven, wenn der Klick zu oft durchgeführt werden muss.
Verfügbarkeit und Fazit
Mac OS X 10.9 alias Mavericks ist im App Store kostenlos erhältlich(öffnet im neuen Fenster) .
Fazit
Die Energiespartechniken in OS X 10.9 Mavericks müssen ihre Wirkung erst noch entfalten, und sie erfordern auch ein Umdenken bei den Entwicklern von Drittsoftware. Sie müssen in Zukunft ihre Anwendungen möglichst stromsparend programmieren, wenn sie in der Gunst der Nutzer nicht abfallen wollen. Durch die Hintertür führt Apple damit so etwas wie einen Energiepass ein. Zum Schaden der Nutzer wird das nicht sein.
Die Änderungen an der Oberfläche von OS X 10.9, insbesondere die im Finder, sind eine willkommene Ergänzung, wenngleich Apple den Anwender etwas alleine lässt mit ihrer sinnvollen Verwendung. Wozu Tabs in einem Dateimanager notwendig sind, erschließt sich nicht automatisch. Und aus dem Handgelenk ein Farbschema für Dokumente und Ordner einzusetzen, wird sicherlich vielen schwerfallen. Auch die damit verbundenen Schlagworte müssen sinnvoll verwendet werden, damit sie ihre Wirkung entfalten. Schön wäre es gewesen, wenn Apple aus den Texten häufig verwendete Wörter als Stichwörter vorgeschlagen hätte, doch das bleibt allein Sache des Anwenders.
Die neue Kartenanwendung konkurriert mit der Webanwendung Google Maps, die allein schon wegen der Einbindung von Verkehrsmitteln wie Rad und ÖPNV deutlich besser ist. Allerdings lassen sich von dort aus keine Routen direkt auf die iOS-Geräte spielen. Das könnte Google aber schnell nachholen.
Mit der Karten- und der iBook-Anwendung zeigt Apple wieder einmal, dass iOS und OS X näher zusammenrücken. Beide waren zunächst nur auf iOS verfügbar. Bei der Bürosoftware von Apple war das noch andersherum. Mittlerweile bestimmt die iOS-Abteilung Apples Tempo. Vielleicht kommt es irgendwann dazu, dass im Dashboard iOS-Anwendungen in einer virtuellen Umgebung laufen.



