Open Source Intelligence: Der Geheimdienst der Schwarmintelligenz
Im Ukrainekrieg stehen Informationen frei zur Verfügung, die früher vielleicht nicht einmal Geheimdienste hatten. Die Osint-Community sorgt für Weltöffentlichkeit.

In Zeitung, Fernsehen und Internet sahen wir zu Beginn des Jahres Satellitenaufnahmen, die auf einen russischen Truppenaufmarsch hindeuteten. Den Kriegsausbruch konnte man mitten in der Nacht live durch Webcams aus der Ukraine betrachten. Über Telegram und Tiktok erreicht uns eine Flut von Videos aus dem Kriegsgeschehen, explodierende Panzer, abstürzende Flugzeuge. Kriegsverbrechen spielen sich unmittelbar vor den gebannten Blicken der Weltöffentlichkeit ab.
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Informationen, die früher vielleicht noch nicht einmal Geheimdiensten und Regierungschefs vorlagen, sind bei diesem Krieg für jedermann zugänglich und überfluten unsere Nachrichtenkanäle. Nicht nur die Kriegsparteien und fremde Geheimdienste entscheiden, was an die Öffentlichkeit dringt: Wissenschaftler, Nichtregierungsorganisationen und Laien vor dem heimischen Rechner können sich ein fast ungefiltertes Bild machen.
Das ist eine große Verantwortung. Aber wie wird die Weltöffentlichkeit dieser Verantwortung gerecht, wer bemüht sich, Ordnung in diese Informationsflut zu bringen?
Die Osint-Detektive bei der Arbeit
Im Vorfeld des russischen Überfalls auf die Ukraine und mehr noch seit dem Beginn der Invasion schlug auch die große Stunde der internationalen Osint-Community. Die Abkürzung steht für Open Source Intelligence und ist auch in der klassischen Geheimdienstarbeit eine der Säulen der Informationsgewinnung. Damit ist das Sammeln und Analysieren aller Informationen gemeint, die man aus frei zugänglichen Quellen erhalten kann.
Das kann eine große Vielfalt an verschiedenen Quellen sein. Im konkreten Fall des Krieges in der Ukraine zum Beispiel Tiktok-Videos von russischen Panzertransporten, Social-Media-Posts von Soldaten oder Satellitenaufnahmen von kommerziellen Anbietern.
Auf Twitter, Reddit und auf Discord-Servern hat sich eine große Community von Journalisten, begeisterten Freizeit-Analysten und auch etlichen Experten in verschiedenen Sachgebieten zusammengefunden, die minutiös daran arbeiten, den Nebel des Krieges zu durchdringen. Kleinere, recherchestarke Medien wie Bellingcat, aber auch große Leitmedien wie die New York Times mit ihrer Abteilung Visual Investigations nutzen die Methoden und die Erkenntnisse der Osint-Detektive.
Einer dieser Osint-Detektive ist ein Student aus den Vereinigten Staaten, der gerade sein Studium in Politikwissenschaft und Kommunikation beendet. Auf Twitter ist er unter dem Handle OSINTtechnical unterwegs, er hat seinen eigenen Podcast The OSINT Bunker und schreibt für das UK Defence Journal.
Seit einigen Jahren beobachtet er die Situation im Nahen Osten, doch seit Beginn dieses Jahres hat er verstärkt die Ukraine im Blick. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich seine Followerschaft verzehnfacht, über 500.000 Leute lesen nun regelmäßig seine Beiträge und hören ihm in Twitter-Spaces zu, bei manchen Tweets mit neuen Informationen kommt er auf über 500 Millionen Zugriffe.
"Dass nun so viele Augen auf meiner Arbeit liegen, finde ich schon auch stressig", sagt OSINTtechnical im Gespräch mit Golem.de. "Ich habe vergessen, wer es genau gesagt hat, aber aus der Sicht der berühmten Fotojournalisten geht es zum Beispiel darum, ein möglichst aktuelles Bild des Geschehens zu zeichnen. Ich finde auch, Osint kann das leisten. Man muss sich nur mal die Detailarbeit zum Beispiel der Leute beim Ukraine Waffen-Tracker anschauen. Es gibt in der Community einen Sinn für Wahrheit und Verantwortung."
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Wie kommerzielle Satellitenbilder das Spiel verändern |
Die OSINT-Community ist genau das Gegenteil von dieser ganz speziellen Ecke des...
Bei den Russen wirkt es eher umgekehrt, das Risiko im eigenem Haus per Rakete getroffen...
Gut geschrieben, sehr informativ. Danke!
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