Onlinehandel: Tesla schlägt Kaufinteressenten die Ladentür vor der Nase zu
Stolz verkündet Tesla den Umstieg auf den reinen Onlinehandel - doch die eigentliche Nachricht lautet: Tesla verschlechtert den Kundenservice. Der Schritt könnte der Marke mehr schaden, als er Kosten einspart.

Tesla schließt seine Läden und will seine Autos nur noch online verkaufen. Die Nachricht überrascht doppelt: Zum einen gibt es in Deutschland gerade mal 20 Geschäfte in Innenstadtlage, zum anderen wurden in diesen Niederlassungen auch bisher gar keine Autos verkauft. Das Bestellformular konnte man zwar an einem Mac im Laden ausfüllen. Das ging aber ebenso zu Hause - die Bestellung erfolgte ohnehin online. Die boutiqueartigen Geschäfte in teuren Lagen dienen dazu, dass Kunden die Marke erleben. Einmal Farben, Materialien und Funktionen in Augenschein nehmen. Sich einmal in ein Fahrzeug hineinsetzen. Einen Berater Löcher in den Bauch fragen. Das soll jetzt offenbar entfallen. Ist das klug?
Für die meisten Käufer dürfte es ihr erstes Elektroauto sein. Sie haben Fragen und Unsicherheiten. Wie sollen die ohne Ladengeschäfte beantwortet und ausgeräumt werden? Tesla müsste auf jeden Fall sein Netz an Service-Centern stark ausbauen. Denn jetzt, wo das Model 3 in großer Stückzahl ausgeliefert wird, kommen viele Reklamationen und Wartungsarbeiten auf das Service-Personal zu. Bei meinem Model-3-Testfahrzeug lief Wasser in den Kofferraum. An wen wende ich mich, wenn das nächste Service-Center Dutzende oder gar Hunderte Kilometer entfernt liegt?
Tesla teilt stolz mit, dass man demnächst ein Auto innerhalb einer Minute am Telefon bestellen könne. Bei einem Produkt, das ich jede Woche kaufe, mag die Zeitreduktion ein Vorteil sein. Doch bei einem Auto, das ich alle paar Jahre oder einmal in einem Jahrzehnt erwerbe, ist mir der Zeitvorteil egal. Da will ich guten Service und einen Menschen als Ansprechpartner.
Tesla versucht, die Schließung der Läden für seine Kunden durch Vergünstigungen attraktiv zu machen. Mit der Ankündigung, den Vertrieb umzubauen, geht eine Preisreduktion bei allen Modellen einher. Der Preis der Langstreckenbatterie-Version des Model 3 sinkt in Deutschland von 55.400 Euro auf 52.300 Euro. Im Schnitt werden alle Modelle um sechs Prozent günstiger. Das dürfte Menschen, die wenige Tage zuvor ein Model 3 bestellt haben, verärgern. Daher senkt Tesla die Preise für das nachträgliche Aktivieren der Autopilot-Funktionen. Der Abstandstempomat kostet nun 2.000 statt 4.000 US-Dollar. Was Tesla "volles Potenzial für autonomes Fahren" nennt, kostet jetzt 3.000 statt 7.000 US-Dollar.
In deutschen Facebook-Gruppen sind bereits Screenshots von Kurznachrichten aufgetaucht, in denen Besitzern eines Model 3 ein kostenloses Upgrade auf die autonomen Fahrfunktionen angeboten wurde. Letzteres umfasst die Autopilot-Funktion von der Autobahnauffahrt bis zur -abfahrt, Überholvorgänge, automatisches Einparken, Herbeirufen aus engen Parklücken oder Garagen. Bis Ende des Jahres soll das System auch Ampeln und Stoppschilder erkennen sowie das autonome Fahren in Innenstädten ermöglichen.
Doch ganz so niedrig wie kommuniziert sind die Preise dann doch nicht. Bis das 35.000 US-Dollar teure Standard Range Model 3 mit 350 Kilometern Reichweite in Deutschland angeboten wird, müssen sich die Interessenten noch gedulden. Doch der Einstiegspreis ist Augenwischerei. Ordert man hierzulande die Langstreckenversion ohne Aufpreise für Farben oder Felgen und nimmt alle Autopilot-Funktionen (8.300 Euro), die ja einen Tesla neben der Antriebstechnik ausmachen, ist man inklusive Bearbeitungsgebühr und Abzug des Umweltbonus bei 61.580 Euro. So wird auch bei der Standard-Range-Version der Endpreis deutlich höher ausfallen. Unter 40.000 Euro wird es nicht gehen - eine Menge Geld für ein Auto, das man nicht Probe fahren konnte.
Das hässliche Gesicht des Onlinehandels
Für die wegfallenden Probefahrten bietet Tesla - zunächst in den USA - eine volle Kostenerstattung an, wenn der Wagen innerhalb von sieben Tagen oder unter 1.000 Meilen (1.600 km) zurückgegeben wird. Das dürfte die Hemmschwelle für den reinen Onlinevertrieb wieder etwas senken. Dass riesige Glaspaläste auf der grünen Wiese mit Hunderten Modellen auf dem Hof nicht die Zukunft des Autohandels sind, ist klar. Doch zum reinen Onlinehandel gehört auch die Auslieferung. Die zeigt bereits im klassischen Onlinehandel ein teilweise "hässliches Gesicht". Es hebe die Hand, wer keine Horrorgeschichte über Paketboten zum Besten geben kann.
Wie Teslas Zukunft wohl häufiger aussehen wird, erlebte ein Oldenburger bereits Ende Februar. In der Facebook-Gruppe schildert er, wie er sein 100.000 Euro teures Auto in der Lagerhalle eines Autologistikers im Hamburger Hafen abholen durfte. Der Tesla-Auslieferungsspezialist war nicht vor Ort. Es waren Sommer- statt bestellter Winterreifen aufgezogen. Navi und Internetzugang funktionierten nicht. Im Kofferraum lag das falsche Ladekabel. Der Autologistiker konnte nicht helfen. Solche Kundenerfahrungen sorgen vor allem für eins: Enttäuschungen. Tesla steht an der Schwelle zum Massenmarkt. Doch mit den geplanten Schließungen schlägt es Interessenten im wahrsten Sinne des Wortes die Tür vor der Nase zu.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).
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ausgiebige Beratung über was eigentlich? Und die Prämisse dabei ist ja ein bestehendes...
Wo ist das Problem? Ich hab schon vor Jahren mein Auto im Internet - stressfrei...
Wenn du nicht in der Lage bist zu dem Thema zu äußern, dann schreibe doch einfach...
Da seh ich jetzt kein Problem mit. War er halt etwas zu spät - kommt vor. Aber Tesla...