Online-Glücksspiele: Bei Finanzsperren droht illegale Vorratsdatenspeicherung

Der Glücksspielstaatsvertrag ermöglicht es Aufsichtsbehörden, Finanzdienstleister im Kampf gegen unerlaubte Online-Anbieter in Anspruch zu nehmen. Der Augsburger Staatsrechtler Matthias Rossi warnt vor "datenschutzrechtlichen Kollateralschäden".

Artikel von Stefan Krempl veröffentlicht am
Ist Financial Blocking gegen illegales Glücksspiel im Internet zulässig?
Ist Financial Blocking gegen illegales Glücksspiel im Internet zulässig? (Bild: Bobby Yip/Reuters)

Die Bundesländer sowie staatliche Betreiber von Glücksspielen wie Lotto im Internet machen seit Längerem gegen das Treiben privater illegaler Anbieter mobil. Spätestens seit der Veröffentlichung der Panama Papers steht ein schärferes Vorgehen auf der Agenda. Vor allem der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) verlangt als Gemeinschaft der Lotteriegesellschaften der Länder, die illegalen Finanztransfers beim Glücksspiel zu unterbinden. Doch der hierzulande prinzipiell vorgesehene Ansatz, die Zahlungsströme illegaler Glücksspielanbieter zu blockieren, könnte sich in der Praxis selbst als rechtswidrig erweisen.

Inhalt:
  1. Online-Glücksspiele: Bei Finanzsperren droht illegale Vorratsdatenspeicherung
  2. Massenhafter, undifferenzierter Datenabgleich

Davon geht zumindest der Augsburger Staats- und Verwaltungsrechtler Matthias Rossi aus. Der Professor hat im Auftrag der Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs ein Golem.de vorliegendes Gutachten erstellt, wonach sich "die Inanspruchnahme der Finanzdienstleistungsinstitute zur Bekämpfung von illegalem Glücksspiel als unscharfes und schon deshalb unverhältnismäßiges Instrument" erweise, mit dem "umfangreiche datenschutzrechtliche Kollateralschäden" verknüpft seien. Laut dem Juristen wäre das geforderte "Financial Blocking" nur "mit einer Überwachung des gesamten Bankverkehrs" mit einem jährlichen Gesamtumfang von rund 56 Billionen Euro und rund 20 Milliarden Transaktionen zu erreichen. Eine solche weitgehende Maßnahme käme einer "unzulässigen Vorratsdatenspeicherung" gleich.

Der Glücksspielstaatsvertrag sieht prinzipiell die Möglichkeit vor, "den am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote" die Mitwirkung an Zahlungen und Auszahlungen rund um solche Offerten zu untersagen. Praktisch könnten also einzelne Händlerkategorien anhand eines einschlägigen Codes oder auf Basis schwarzer Listen generell blockiert werden. Denkbar wäre es auch, den Anbietern elektronischer Geldbörsen in Form von E-Wallets oder von Prepaid-Karten zu untersagen, überhaupt mit illegalen Glücksspielbetreibern Verträge zu schließen oder an diese Zahlungen zu tätigen. Diskutiert wird sogar, Spielern das Bankkonto zu sperren, wenn einschlägige Geldtransfers identifiziert werden.

Geolokalisierung mit IP-Adressen

Einschlägige Maßnahmen setzen laut Rossi voraus, "dass die Kredit- und Zahlungsinstitute eine Reihe von Daten erheben und auswerten". Diese personenbezogenen Informationen wie Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Anschrift oder gegebenenfalls weitere zahlungsspezifische Angaben zum Auftraggeber und Empfänger müssten die Dienstleister teils bereits zur Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung vorhalten. Auch dürften sie die persönlichen Daten mittlerweile verwenden, um gegen unerlaubtes Glücksspiel vorzugehen.

Um herauszufinden, ob ein Kunde solchen Tätigkeiten frönt, brauchen die Finanzdienstleister aber unter anderem auch Daten zur Geolokalisation etwa mithilfe von IP-Adressen. Nur so können sie feststellen, ob eine Spielteilnahme im Aus- oder Inland stattfindet. Ferner sind Angaben zur Identifizierung des Spielers wie sein Alter und eine eventuell bereits erfolgte Aufnahme auf eine zentrale Sperrliste notwendig. Geklärt werden muss auch, ob es sich bei dem Zahlungsempfänger um einen lizensierten Glücksspielanbieter handelt oder ob eine Teilnahme an seinen Diensten im Ausland legal sein könnte.

Rossi dekliniert am Bundesdatenschutzgesetz und an der im Mai in Kraft tretenden EU-Datenschutzverordnung auf fast 100 Seiten durch, dass die Betroffenen in die Erhebung der zusätzlicher Daten und ihre Weitergabe an die Aufsichtsbehörden durch die Finanzdienstleistungsunternehmen nicht eingewilligt haben und eine solche daher unzulässig sei. Auch Klauseln in den Geschäftsbedingungen, dass etwa Kreditkarten nur für erlaubtes Online-Glücksspiel genutzt werden dürften, seien allenfalls gültig, wenn diese im Vorfeld besonders hervorgehoben würden. Selbst dann sei fraglich, ob solche Konditionen angesichts der Marktmacht einzelner Anbieter frei erfolgten, da sie praktisch wohl kaum verhandelbar seien.

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Massenhafter, undifferenzierter Datenabgleich 
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