Ohne Vorratsdatenspeicherung: Bundesregierung soll E-Privacy-Reform vorantreiben

16 zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände haben Wirtschaftsminister Peter Altmaier und mehrere seiner Kollegen aufgefordert, in Brüssel die geplante E-Privacy-Verordnung voranzutreiben und so gegen "aufdringliche und missbräuchliche Praktiken auf dem digitalen Markt vorzugehen".

Artikel veröffentlicht am , Stefan Krempl
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (Bild: Adam Berry/Getty Images)

Mehr als 600 Tage, nachdem die EU-Kommission eine Initiative zur Reform der Regeln für den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation startete, hat sich der Ministerrat immer noch nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt dazu einigen können. 16 zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände appellieren daher nun in einem offenen Brief an den federführenden Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sowie seine für Justiz und Inneres zuständigen Kollegen, Katarina Barley (SPD) und Horst Seehofer (CSU), die "dringend erforderlichen" Arbeiten an der geplanten E-Privacy-Verordnung in Brüssel voranzutreiben und bis Anfang 2018 zum Abschluss zu bringen.

Deutschland müsse seinen Einsatz für die Novelle intensivieren, damit die EU auf Basis der skizzierten Bestimmungen besser gegen "aufdringliche und missbräuchliche Praktiken auf dem digitalen Markt" vorgehen könnten, fordern die Unterzeichner, zu denen unter anderem der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), Digitalcourage, die Digitale Gesellschaft und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gehören. Derzeit verletzten vor allem die im Netz dominierenden US-Anbieter die Rechte auf Privatsphäre, Meinungsfreiheit und Datenschutz und beeinträchtigten so "Vertrauen, Innovation und die Nutzung neuer Dienste".

Innovative EU-Unternehmen seien in einem solchen, zu Monopolen tendierenden Umfeld nicht wettbewerbsfähig, warnen die Verfasser des Schreibens. Bürgern in den Mitgliedstaaten gelinge es zudem immer weniger, die Kontrolle über ihre private Kommunikation zu behalten und ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht zu wahren. Da immer mehr einschlägige Daten von digitalen Geräten übertragen, abgerufen, gespeichert und verarbeitet würden, stünden die derzeitigen Vorschriften nicht mehr "im Einklang mit der Realität des Telekommunikationsmarktes".

Kampf gegen Tracking

Neben Vorgaben für Prinzipien wie Privacy by Design zum Einbau des Datenschutzes direkt in die Technik müsse die vorgesehene Verordnung auch solche gegen Tracking Walls enthalten, unterstützt die Allianz einen Vorschlag aus der Position des Europäischen Parlaments vom vorigen Jahr. Nutzern dürfe also nicht der Zugang zu Webseiten verweigert werden, wenn sie meist zur Profilerstellung genutzte Werkzeuge wie Cookies ablehnten, obwohl diese nicht für die gewünschte Dienstleistung erforderlich seien.

Ferner warnen die Beteiligten davor, die laufende Reform "als Instrument zur Erweiterung der polizeilichen Befugnisse" und zur Aushebelung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung zu nutzen. Befugnisse der Betreiber zum Protokollieren von Standort- und Verbindungsinformationen für Sicherheitszwecke oder zur Fehlererkennung müssten eingegrenzt werden und dürften nicht zu einer "anlasslosen, jeden Bürger treffenden 'freiwilligen Vorratsdatenspeicherung' auf unbestimmte Zeit und ohne Zweckbindung ermächtigen".

Gegen die einschlägige Praxis der Provider, Kommunikationsmetadaten sieben Tage vorzuhalten, sei bereits eine Verfassungsbeschwerde anhängig, betont der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Sie sei verantwortlich "für die massenhafte Überwachung von Demonstranten mithilfe von Funkzellenabfragen und für Massenabmahnungen gegen Verbraucher" und müsse daher endlich beendet werden.

Wien und Berlin bremsen

Die aktuelle österreichische Ratspräsidentschaft zeige "keine Neigung, den Internet-Regulierungsprozess voranzutreiben", beklagte der DVD-Vorsitzende Frank Spaeing. Auch die Bundesregierung bremse bisher nach heftigem Lobbyismus insbesondere aus der IT-Wirtschaft die Novelle aus. Das müsse sich endlich ändern im Interesse "moderner technikkonformer Regeln für den Bereich der Telekommunikation".

Die Verbraucherschützer vom VZBV hatten Österreich zuvor bereits vorgeworfen, mit ihren Vorschlägen "den Abschluss der Verhandlungen und damit eine datenschutzfreundliche Regelung" zu verhindern. Die Ratsspitze wolle "zweckändernde Weiterverarbeitungen" elektronischer Nutzerspuren wie angerufener Nummern oder Uhrzeit, Datum und Dauer eines getätigten Anrufs zulassen. Inakzeptabel sei auch das österreichische Ansinnen, die Vorgaben für Privacy by Design und datenschutzfreundliche Voreinstellungen zu streichen.

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