Nuestros Tiempos: Mit der Zeitmaschine aus den 60ern ins Jetzt

Eines vorweg: Wer Nuestros Tiempos sehen will, darf sich nicht an Untertiteln stören. Es gibt keine deutsche Synchronisation, was aber nicht davon abhalten sollte, sich den Film auf Netflix (Start: 11. Juni 2025) anzusehen. Denn er ist wirklich amüsant.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1966. Nora und Héctor sind zwei Wissenschaftler, die an einer Zeitmaschine arbeiten, die mithilfe eines Wurmlochs funktionieren soll.
Doch ihre Universität will ihnen die Finanzierung streichen. Darum lassen sie sich auf einen letzten Test ein, der zeigen soll, dass ihre Erfindung wirklich funktioniert.
Das tut sie auch, aber nicht ohne Probleme. Denn eigentlich wollen sie nur 15 Minuten in die Zukunft reisen, es werden aber 59 Jahre - und die Zeitmaschine wird dabei beschädigt.
Im Jahr 2025 muss das Paar sich nun fragen: Sollen sie nach einem Weg zurück suchen oder würde das die Zeitlinie verändern, wie sie sich nach ihrer plötzlichen Abwesenheit entwickelte?
Welches Patriarchat?
Es gibt tatsächlich einiges, das sie sich fragen. Als Nora und Héctor ein Graffiti sehen, das den Tod des Patriarchats fordert, wissen sie zum Beispiel nicht, was damit gemeint sein könnte. Nora käme es gar nicht in den Sinn zu hinterfragen, wie sie selbst in den sechziger Jahren behandelt wurde - herablassend und mit der Bemerkung, dass sie froh sein könne, überhaupt an der Universität lehren zu dürfen.
Der Film braucht nur wenige Szenen und Momente, um deutlich zu machen, wie es gerade auch für Frauen war, im Jahr 1966 zu leben. Und so ist es ein zeitlicher Kulturschock, als das Paar in der Gegenwart landet.
Die Zeiten ändern sich
In einer Bar bekommt Nora etwa mit, wie zwei Frauen über ihre romantischen und sexuellen Präferenzen sprechen. Aber das ist längst nicht alles. Natürlich wissen die Protagonisten nicht, was ein Handy ist oder was Airpods sind - und schon gar nicht kennen sie die sexuelle Freizügigkeit der Gegenwart und sind irritiert, als sie in einem Laden einfach gefragt werden, welche Kondome sie wollen.
Interessant ist der Film auch, weil er eine Rollenumkehr bietet. Während Nora in den sechziger Jahren wie der Sidekick von Héctor behandelt wird, ist es im Jahr 2025 genau anders herum, als sie mit verschiedenen Ingenieuren zusammenarbeiten, um ihre Zeitmaschine wieder zum Laufen zu bringen - ein ungewohntes Gefühl für Héctor, mit dem er erst mal zurechtkommen muss.
Erstmals versteht er, wie seine Frau sich damals gefühlt haben muss. Sie wiederum sieht sich und ihren Mann als ein Team.
Andere Szenen zeigen wiederum den Unterschied im Hinblick auf die sexuelle Freiheit. Nora glaubt noch an die Ehe nicht nur als Konstrukt, um mit ihrem Partner zusammenzusein, sondern auch, um Sex zu haben - während ihre Großnichte ihr zeigt, was sich für Frauen alles verändert hat, mit Tinder und allem, was sich in Sexshops so kaufen lässt.
Auch hier wird das Mann-Frau-Verhältnis genau betrachtet, etwa als Nora ein besonderes Kondom kauft, das den männlichen Höhepunkt hinauszögert. Héctor versteht das nicht im Mindesten und es gefällt ihm auch nicht. Das Unbehagen mit seiner neuen Rolle kulminiert in einer besonders peinlichen Sequenz, in der er am Internationalen Frauentag den Rednerplatz seiner Frau einnimmt und darüber referiert, wie Frauen sein sollten.
Hier trifft eine vergangene Perspektive auf eine moderne und gipfelt in einer Mansplaining-Szene, die auch zeigt, wie sich die Beziehung von Nora und Héctor verändert. Während sich ihre Sicht auf die Welt gerade wandelt, will er an jener festhalten, die ihm immer ein angenehmes Leben ermöglicht hat.
Sci-Fi-Gerüst
Nuestros Tiempos, eine Produktion aus Mexiko, nutzt den Sci-Fi-Aspekt der Geschichte, um aus der Perspektive von Außenseitern einen Blick auf die Gegenwart zu werfen. Dabei zeigt der Film, wie weit die Gesellschaft bei der Gleichberechtigung(öffnet im neuen Fenster) gekommen ist, aber auch, dass der Weg längst noch nicht zuende gegangen ist.
Er spielt auch mit der männlichen Angst, Privilegien zu verlieren. So trifft Héctor auf männliche Kollegen, die sich unterdrückt fühlen und glauben, dass der Weg zur Gleichstellung sie etwas kosten wird. "Früher war das Leben besser" , sagt Héctor.
Er will natürlich zurück in die Sechziger, aber Nora muss sich fragen, ob ihr die Welt von heute nicht mehr bietet, als das, was sie in ihrer Zeit erwarten würde.
Nuestros Tiempos ist erstaunlich kontrovers, und das im Rahmen einer leichtfüßigen Erzählung. Der Film verhandelt Dinge, die nicht allen gefallen werden, und zeigt, dass Perspektiven, Zeiten und Menschen sich ändern - aber eben nicht alle bei diesen Veränderungen mitkommen.



