Internet als bestes Instrument staatlicher Überwachung aller Zeiten
Was früher Volk hieß und souveräner Träger der Staatsgewalt war, ist nun handhabbare Datenmasse für einen im Geheimen operierenden Zirkel. "Für die Aktivitäten eines Geheimdienstes gibt es eigentlich keine roten Linien", beschrieb der ehemalige Stasi-Offizier Klaus Eichner bei einer Diskussionsveranstaltung der Wau-Holland-Stiftung im Mai 2014 seine Erfahrungen in der Branche.
Eine zentrale Frage, die Snowden mit seinen Enthüllungen stellt, lautet: Was ist wichtiger - die Wahrheit oder die Nation? Was darf in einem Staat im Geheimen geschehen und was nicht? Das von Snowden zutage geförderte Ausmaß an Privatlosigkeit, dem wir nun in einer geheimdienstkontrollierten digitalen Welt unterliegen, versorgt uns mit bedingungslosem Grundmisstrauen. Das ist nicht die beste Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Wir leben bereits in einer Welt ohne Wände, nur wollen es manche noch nicht wahrhaben, weil es noch Wände aus Ziegel oder Beton gibt, die uns in der Illusion wiegen, wir seien geschützt.
Als sich das Internet vor zwei Jahrzehnten auszubreiten begann, gab es eine Erwartung, dass die neue digitale Technologie die Gemeinschaft dem Staat überlegen machen und auf diese Weise die Entwicklung der Demokratie stärken würde. Aber das Internet "ist nicht mehr die 'autonome Zone', in die kein Staat hineinregieren kann", wie der Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel festhält, "sondern es ist inzwischen das beste Instrument staatlicher Überwachung aller Zeiten".
Macht im Inneren der Macht
In altägyptischen Tempeln waren manchmal an Säulen Juwelen angebracht, die zu bestimmten Zeiten, die den astronomisch versierten Priestern bekannt waren, durch den Lichteinfall heller Sterne aufleuchteten und als Zeichen der Götter vorhergesagt werden konnten. Das war zweckmäßig, wenn beispielsweise der Pharao keine Nachkommen hatte und ein Nachfolgekandidat anderer Herkunft mit einer göttlichen Legitimation ausgestattet werden mußte. Diese so wie der Suchalgorithmus von Google streng geheime Prognosemethode war ein probates Mittel, die Massen - und oft auch den Pharao - fromm zu halten, oder dumm, wie man möchte. Im Inneren der sichtbaren Macht, die der Pharao repräsentierte, gab es eine unsichtbare, geheime Macht: die der Priesterschaft. Sie zeigte ihre Macht nicht. Sie hatte sie.
An diese Art von Macht im Inneren der Macht hat uns Snowden wieder aufmerksam gemacht. Das ist sein ganz besonderer Verdienst. Die Macht im Stealth-Modus. Der Verteidigungsminister, der seinen Geheimdienstapparat nicht mehr überblickt, steht fest in der jahrtausendealten Tradition der von einer Behördenpriesterschaft Erwählten (wobei politische Beamte heute schneller wechseln als im alten Ägypten; die Hüter der Geheimnisse aber bleiben wie seit je in ihrem Apparat). Sind Staatsgeheimnisse das, was den Staat im Innersten zusammenhält?
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NSA-Affäre: Ratlos, privatlos | Die Macht der Geheimnisse |
Wenn die Leute Millionen für sichere Software investieren dann kann die auch zb aus...
Dieser kerl hat vor einem jahr die NSA als NASA bezeichnet und hat sich voll lächerlich...
Eine wunderschöne Analogie. Wenn das so weiter geht, eird es uns alle betreffen. Und um...
Wie du redest glaube ich dir 100% und gebe dich sicher auch recht. Doch alle anderen...