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Notebooks mit KI: Warum Microsofts Copilot+-PCs scheitern könnten

Hohe Preise und eine wenig getestete CPU lassen die Copilot+-PCs unattraktiv wirken - und der schlechte Ruf von Windows 11 beim Datenschutz.
/ Oliver Nickel
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Das Surface Pro ist einer der ersten Copilot+-PCs. (Bild: Microsoft)
Das Surface Pro ist einer der ersten Copilot+-PCs. Bild: Microsoft

Enorme Akkulaufzeiten, bis zu 80 Prozent mehr Leistung und KI, die auf dem Gerät selbst berechnet wird: Microsoft und Qualcomm versprechen mit den neuen Copilot+-PCs(öffnet im neuen Fenster) viel. Sie werden von Microsoft auch als "neue Klasse von Windows-PCs" bezeichnet. Einige Hersteller bieten ihre jeweils eigenen Notebooks mit der Oryon-Plattform an, die von Qualcomm speziell für den Einsatz in Laptops entwickelt wurde.

Einigen wird dieses Konzept teilweise bekannt vorkommen. Qualcomm und Microsoft versuchten bereits in den Jahren zuvor, die ARM-Plattform als energieeffiziente Alternative zu den verbreiteten x86-Chips zu etablieren. Die Copilot-PCs können als eine Art Neuanlauf betrachtet werden. Und erste Benchmarks und Tests erscheinen vielversprechend: Der Snapdragon X Elite ist in vielen Vergleichen wie etwa bei Computerbase(öffnet im neuen Fenster) zumindest konkurrenzfähig.

Trotzdem sehen wir noch nicht, wie Microsoft und Qualcomm hier eine signifikante Kundschaft gewinnen wollen. Dazu gibt es zum aktuellen Zeitpunkt noch zu viele offene Fragen. Da wäre zuerst das Offensichtliche: Notebooks mit Snapdragon-Chip starten in den meisten Fällen bei 1.000 Euro. Für Surface-Geräte werden sogar 1.200 Euro und mehr als 1.500 Euro verlangt, wenn wir den Vollausbau des Snapdragon X1, den X1 Elite, nutzen wollen.

Viele Kunden werden sich deshalb sicher fragen: Warum sollten wir uns einen Computer für mehr als 1.000 Euro kaufen, der in der Praxis bisher ungetestet und möglicherweise zu einigen Legacy-Apps nicht mehr kompatibel ist? Für die meisten Programme hat Microsoft eine Emulationsebene verbaut, ähnlich wie es Apple mit Rosetta 2 bei seinen M-Chips getan hat.

Funktioniert ARM mit allen Apps?

Durch diese Virtualisierungsebene geht allerdings ein Teil der Leistung verloren. Schließlich werden zusätzliche Rechenressourcen benötigt, nur um die Kompatibilität mit Programmen sicherzustellen. Windows ist und war schon immer ein Betriebssystem, das mit möglichst vielen Programmen kompatibel sein will. Deshalb ist es auch so verbreitet.

Ein Macbook hat mit diesem Umstand weniger zu kämpfen, da die Käuferschaft oft auf eine kleinere Auswahl von Programmen zugreift und sich beim Kauf im Klaren ist, welche Software auf dem OS läuft und welche eben nicht.

Diese Unsicherheit könnte gerade Business-Kunden von der neuen Windows-on-ARM-Plattform abschrecken. Währenddessen werden Privatkunden wohl wegen des hohen Einstiegspreises zögern, wenn selbst Geräte von Marken wie Acer und Asus - beide auch bekannt für eher günstigere Notebooks - 1.400 Euro kosten.

Hier wäre es sinnvoll, weitere Einstiegsgeräte anzubieten. Wir könnten uns etwa einen Surface Laptop Go oder ein Surface Go mit Snapdragon X Plus vorstellen. Wozu hat Qualcomm den kleineren und langsameren Chip sonst im Angebot, wenn wir ihn nicht in günstigeren Geräten sehen?

Wir haben allerdings den Eindruck, als habe Microsoft ein noch größeres Problem: fehlendes Vertrauen in das Konzept.

Microsoft ist ein Datensammler?

Fast noch wichtiger als der Umstieg auf die ARM-Plattform ist der Fokus auf die KI-Komponente bei allen Copilot+-PCs. Golem.de konnte sich davon auf einem Microsoft-Event ein Bild machen. Es ist vorgesehen, dass möglichst viele KI-Modelle lokal auf dem Rechner ausgeführt werden. Eine Cloudanbindung und damit eine gewisse Unsicherheit beim Datenschutz sind in der Theorie also nicht erforderlich.

Stattdessen wird das Inferencing direkt mit der verbauten NPU betrieben, die Teil des Qualcomm-SoCs ist. Die ist übrigens bei allen Ausbaustufen gleich schnell. Die KI-Performance sollte deshalb auf teuren und günstigeren Notebooks ähnlich gut laufen.

Eines der ersten Features, die mit dem Start der Copilot+-PCs kommen, ist eine Liveübersetzung. Dabei wird das im PC integrierte Mikrofon verwendet, um Gesprochenes in einen Text umzuwandeln. In einer Demo konnten wir das etwa mit Japanisch, Spanisch und Russisch testen. All diese Sprachen und viele weitere werden live ins Englische übersetzt. Ein Blick in den Taskmanager und auf das ausgeschaltete WLAN zeigt auch: Dieses Modell wird direkt auf dem Notebook berechnet, die NPU wird merklich ausgelastet.

Offline oder online?

Microsoft zeigte ein weiteres Feature: Mit Cocreator können wir Bilder auf Basis von Textprompts in Paint generieren lassen. Der Plan ist, dass auch dieses Modell von den Notebooks lokal berechnet wird. Neue Versionen der LLMs werden per Windows-Update heruntergeladen und installiert. In der Demo benötigten wir zudem ein Microsoft-Konto, um Cocreator überhaupt nutzen zu können. Ganz offline scheint das Feature also doch nicht zu laufen.

Und hier liegt ein weiteres Problem: Gerade Kunden in Deutschland äußern bereits jetzt Bedenken, dass Windows Daten sammelt und diese für die eigenen Zwecke weiterverwendet. Das Betriebssystem hat bei einigen deshalb einen schlechten Ruf. KI-Modelle, die mit einer abstrakten Cloudinfrastruktur kommunizieren, verstärken diesen Eindruck sicherlich.

Da ist es kein Wunder, dass das eigentlich beste Feature von Copilot-PCs in der Community und in den Medien scharf diskutiert wurde. Mit Recall sollen Kunden Dateien und Dokumente jederzeit wiederfinden können. Dazu legt das Betriebssystem eine SQL-Datenbank an und erstellt in Fünf-Sekunden-Intervallen Screenshots des angezeigten Bildschirms.

Kunden waren von der Ankündigung eher abgeschreckt und teilweise empört. Dass die SQL-Datenbank unverschlüsselt in einem Systemverzeichnis abgelegt wurde, verstärkte den dubiosen Eindruck von Recall nur. Nach heftiger Kritik hat Microsoft die Funktion deshalb erst einmal verschoben . Sie soll künftig in einem Insider-Build getestet werden können - mit diversen Verbesserungen bei der Sicherheit.

Recall ist ein PR-Desaster

In diesem Punkt hat Microsoft ein wenig schlecht kommuniziert. Recall sollte schließlich von Anfang an nur lokal und nur von einem Konto benutzt werden können. Hier sollen laut Microsofts Aussagen keine Daten weitergegeben oder in der Cloud verarbeitet werden. Auch sollen User einstellen können, auf welche Anwendungen und Browser Recall überhaupt zugreifen kann. All das ging unter, wenn es hieß: Windows fotografiert den gesamten Bildschirminhalt alle paar Sekunden.

Generell sind die meisten der Copilot-Funktionen aktuell nur in den USA verfügbar. Es scheint deshalb ein wenig so, als würden die Copilot+-PCs hierzulande etwas zu früh erscheinen und als habe Microsoft noch einige Probleme mit den lokalen Datenschutzgesetzen. So werden viele Anwendungen wohl erst Ende 2024 oder im Jahr 2025 erscheinen. Da stellt sich wiederum die Frage: Warum sollten wir uns jetzt schon einen KI-PC kaufen, wenn wir dessen primäres Verkaufsargument aktuell nur eingeschränkt nutzen können?

Das Konzept des KI-gestützten PCs wird nicht verschwinden. Dafür gibt es zu viele große Akteure auf dem Markt , die sich allesamt viel von KI versprechen. Möglicherweise wird sich die Art, wie wir mit unseren Computern kommunizieren und interagieren, schon in wenigen Jahren ändern. Und die Vorteile von KI-Assistenten sehen viele Unternehmen ja bereits jetzt.

Wir selbst halten KI-gestützte Computer, bei denen Software lokal auf dem Gerät läuft, für eine gute Idee. Die Produktivitätsvorteile dadurch können enorm sein. Aktuell erscheint das Konzept der Copilot+-PCs aber etwas überhastet.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de [IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)]


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