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Next Generation wird 35: Der Goldstandard für Star Trek

Mit Next Generation wollte Paramount den Erfolg der ursprünglichen Star-Trek -Serie nutzen - und schuf dabei eine, die das Original am Ende überstrahlte.
/ Tobias Költzsch
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Die Stammcrew von Star Trek: Next Generation (Bild: MPTV via Reuters)
Die Stammcrew von Star Trek: Next Generation Bild: MPTV via Reuters

Star-Trek-Fans sind bekannt dafür, leidenschaftlich über neue und alte Serien und Filme zu streiten, darüber, was an ihnen realistisch ist und wie Star Trek gefälligst zu sein hat. Bei einer Serie gibt es aber meist keine zwei Meinungen, was bei Star-Trek-Fangruppen tatsächlich, nun ja, faszinierend ist: Next Generation. Die Serie um Captain Jean-Luc Picard und die Enterprise im 24. Jahrhundert wird geschätzt, ob von jungen oder alten, von Casual-Zuschauern oder Hardcore-Trekkies. Am 28. September 2022 jährt sich die Erstausstrahlung in den USA zum 35. Mal - und die Serie ist immer noch im deutschen Fernsehen zu sehen.

Star Trek: Next Generation, auf Deutsch Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert und von Fans schlicht TNG genannt, entstand aufgrund eines unerwartet langwierigen Erfolgs: 1986, 20 Jahre nach der Erstausstrahlung der ursprünglichen Star-Trek-Serie, lief Raumschiff Enterprise in den USA immer noch auf den Kabelsendern hoch und runter. Gemeinhin wurde angenommen, dass sich eine erfolgreiche Show rund drei Jahre lang hält - mit 20 Jahren hatte auch beim Produzenten Paramount niemand gerechnet.

Popularität der Star-Trek-Filme sollte für Serie genutzt werden

Auch die Star-Trek-Filme waren erfolgreich: Paramount hatte sich in den 70ern entschlossen, anstelle einer neuen Serie mit den Darstellern von Raumschiff Enterprise ein Film-Franchise zu starten. Über die Qualität der einzelnen Filme lässt sich diskutieren, erfolgreich waren sie eigentlich alle. Auf diesem Höhenflug kam den Paramount-Managern die Idee, dass man die anhaltende Popularität mit einer neuen Serie ausnutzen könnte.

Dabei war den Machern allerdings bewusst, über welchen Schatz sie verfügten - und wie schnell sie es sich mit der angestammten Fanbase verscherzen könnten, wenn diese den Eindruck bekämen, dass man Star Trek ausverkaufen würde. Nach Verhandlungen mit verschiedenen Kabelnetzbetreibern entschloss man sich, die Serie selbst zu produzieren und über zahlreiche Kabelnetzbetreiber auszustrahlen - ein sehr lohnenswertes Modell, wie sich später zeigen sollte. Dazu aber gleich mehr.

Am grundlegenden Konzept von Raumschiff Enterprise änderte Paramount bei TNG nicht viel: Eine bunt gemischte Crew eines Raumschiffs fliegt durch den Raum und erlebt allerlei spannende Abenteuer, die sich idealerweise in einer Folge abschließen lassen. Zwar gibt es auch Folgen überspannende Handlungsbögen, grundsätzlich ist TNG aber eine Serie, die sich gut in Häppchen schauen lässt - im Unterschied zu den aktuellen Star-Trek-Serien wie Discovery oder Picard , die eher auf Serienstaffellänge gezogene Spielfilme sind.

Star Trek The Next Generation - Trailer
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Neu bei TNG waren die vielen ungewöhnlich aussehenden Spezies (es gab Fortschritte beim Make-up) sowie eine stärkere Einbeziehung von Familienproblemen. Die Enterprise war ein Forschungsschiff mit Familien an Bord, was zeitgenössische Kritiker mitunter bemängelten.

Ein Shakespeare-Darsteller als Raumschiffkapitän

Äußerst interessant ist im Nachhinein die Wahl des Schauspielers, der Jean-Luc Picard, den Captain der Enterprise und damit de facto den Nachfolger von Captain Kirk, spielte: Patrick Stewart war vor Star Trek vor allem als Shakespeare-Darsteller bekannt, Fernsehen gehörte eigentlich nicht zu seinen bevorzugten Medien. Stewart soll den sechsjährigen Vertrag nur unterschrieben haben, weil sein Manager sich sicher war, dass die Serie ein Flop und nach kurzer Zeit wieder abgesetzt würde. Größer hätte die Fehleinschätzung nicht sein können.

TNG hat über die siebenjährige Laufzeit stets außerordentlich gute Einschaltquoten gehabt, mit dem Höhepunkt in der fünften Staffel: Durchschnittlich 11,85 Millionen Zuschauer hatte die Serie 1991/1992 pro Folge, und das nur in den USA. Auch weltweit wurde TNG ausgestrahlt, und wird es noch immer.

Das Geheimnis dieses Erfolges ist in mehreren Faktoren begründet. Zum einen ist der Cast der Serie sehr gelungen zusammengestellt worden: Dem etwas steifen Captain Picard steht Commander Will Riker zur Seite, gespielt von Jonathan Frakes, der immer für einen flotten Spruch, ein Posaunensolo oder einen Beinschwung über eine Stuhllehne zu haben ist. Brent Spiner spielt den Androiden Data so überzeugend nicht-menschlich, dass man seine Suche nach dem Menschlichsein förmlich miterlebt.

Worf ist mehr als grummelig

Mit Michael Dorn als Worf wurde in TNG zudem ein Klingone als Sternenflottenoffizier eingeführt, der mitunter grummelig durch die Episoden poltert. Die Figur ist aber mitnichten so oberflächlich, wie es zunächst erscheint: Worfs innere Konflikte zwischen seiner menschlichen Erziehung und seinem klingonischen Erbe werden immer wieder in die Serie einbezogen.

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Die Frage, warum Deanna Troi, immerhin im Rang eines Lt. Cmdr. der Sternenflotte stehend, an Bord der Enterprise immer ein hautenges Kostüm mit großzügigem Dekolleté trug, müssen sich die Serienmacher im Nachhinein allerdings gefallen lassen. Die übermäßige Sexualisierung weiblicher Charaktere ist allerdings ein bei Star Trek immer wiederkehrendes Phänomen, Stichworte Miniröcke, Seven of Nine und T'Pol - besser macht es das natürlich nicht.

Nicht alle Figuren in der Serie waren perfekt. Wil Wheaton hatte beispielsweise die undankbare Aufgabe, mit Wesley Crusher einen zwar genialen, aber manchmal auch nervtötenden Charakter zu spielen. Für uns ist auch Q ein Charakter, auf den wir gut hätten verzichten können - die Q-Folgen empfinden wir als irrelevant, bei TNG-Marathons werden sie regelmäßig übersprungen.

Charaktere mit Privatleben

Neben der insgesamt guten Besetzung von TNG überzeugte die Serie aber vor allem durch die Geschichten, die sie erzählte. Anders als bei Raumschiff Enterprise haben die Besatzungsmitglieder bei TNG ein Privatleben: Sie haben Hobbys, Familien und auch Charakterschwächen. In zahlreichen Folgen werden diese Privatgeschichten erzählt, die die Serie auch für Nicht-Trekkies interessant gemacht haben. Dabei wechseln sich Episoden mit Action und solche mit Charakterentwicklung ab - beim Schauen einer ganzen Staffel hintereinander entsteht so keine Langeweile.

Zudem griff TNG Probleme der realen Gegenwart auf, etwa die Diskriminierung von Homosexuellen oder Rassismus. Die meisten Fans und Kritiker sind sich einig, dass die Serie ab der dritten Staffel deutlich besser wurde - das finden wir auch. Ein zugegebenermaßen etwas trauriger Grund für die besseren Geschichten war das Ausscheiden von Star-Trek-Schöpfer Gene Roddenberry aus dem aktiven Produktionsprozess. Roddenberry ging es Ende der 1980er Jahre bereits gesundheitlich schlecht, 1991 verstarb er.

Verschiedenen Autoren der ersten beiden Staffeln zufolge war Roddenberry sehr strikt, wenn es um die Charakteristika der Menschheit in der Zukunft ging. So soll er die ersten 15 Episoden der ersten Staffel umgeschrieben haben, weil er keinen Platz für Neid und Macht sah. Das Ergebnis ist auch für Trekkies mitunter schwer zu verdauen - vor allem in der ersten Staffel sind die Geschichten mitunter leicht zu durchschauen und durchsetzt mit schlechten Dialogen. Zudem mussten Probleme in einer Folge abgehakt werden, was auch nicht geholfen hat.

Roddenberrys Vision der Menschen ist leider wenig realistisch

Das Bild eines stets aufrechten Idealmenschen, für den Geld, Macht und Intrigen keine Rolle spielen, mag schön sein, aber es ist nicht realistisch. In der zweiten Serienhälfte von TNG nahmen Konflikte einen größeren Raum ein, die Autoren entwickelten Bösewichte, die Star Trek im Laufe der kommenden Jahre prägen sollten - etwa die Cardassianer und die Borg. Spätere Serien waren verglichen mit TNG und vor allem Raumschiff Enterprise wesentlich düsterer und hoben menschliche Züge wie Rache und Missgunst deutlicher hervor.

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Ab der dritten Staffel von TNG wurde Michael Piller der Hauptautor der Serie, zusammen mit Rick Berman war er zudem ausführender Produzent. Piller und Berman waren mitverantwortlich für das TNG, das die meisten Fans heute im Hinterkopf haben, wenn sie an die "guten alten Star-Trek-Zeiten" mit mehreren guten Serien gleichzeitig im TV denken. Dabei sind auch die Autoren Brannon Braga und Jeri Taylor zu nennen, die in der vierten Staffel dazustießen.

Der Erfolg von TNG vor allem ab Anfang der 1990er Jahre schuf eine Popularität von Star Trek, die auch dazu beigetragen hat, dass 1993 mit Deep Space 9 eine weitere Serie an den Start ging, bei der erstmals lange Storybögen gespannt wurden. 1995 kam noch Voyager hinzu, eine wesentlich actionlastigere Serie. Diese Hochzeit von Star Trek endete 2005 mit der unrühmlichen Absetzung von Star Trek: Enterprise.

Auf dem Höhepunkt der Beliebtheit erfolgt die Absetzung

TNG selbst wurde, wohl auch für die beteiligten Schauspieler überraschend, 1994 nach der siebten Staffel abgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Serie immer noch durchschnittlich knapp zehn Millionen Zuschauer pro Folge in den USA, mehr als in den ersten drei Staffeln - ein ungewöhnlich stabiler Wert. Hintergrund war, dass Paramount Filme mit der Next-Generation-Besatzung drehen wollte und befürchtete, dass die parallel im Fernsehen laufende Serie deren Erfolg schmälern würde.

Tatsächlich kam erst 1994 der erste Film mit Jean-Luc Picard und seiner Crew in die Kinos - veröffentlicht nach der letzten Folge von TNG. Bis dahin hielt die Crew der Originalserie im Kino die Stellung - eine im Nachhinein eigenartige Konstellation, wie wir finden. Während im Fernsehen eine neue Generation an Helden den Weltraum erkundete, kämpften sich auf der Leinwand im Kino alternde Stars mit eingezogenen Bäuchen durch die Weiten des Alls.

Der Schritt scheint sich für Paramount nur bedingt gelohnt zu haben: Der erste Film mit der TNG-Crew, Generations, entstand zusammen mit der Kirk-Crew und erhielt gemischte Kritiken. Der darauffolgende Film First Contact wird regelmäßig unter die besten Star-Trek-Filme gewählt, danach ging es mit Insurrection und Nemesis aber qualitativ eher bergab.

TNG war am Ende sehr teuer

Mit zu der Entscheidung, auf Filme statt auf neue Staffeln zu setzen, dürften auch die gestiegenen Produktionskosten pro Folge beigetragen haben; bereits 1992 betrugen die Kosten pro Folge 2 Millionen US-Dollar - heute sind das über 4,2 Millionen US-Dollar. Zudem gab es genügend Folgen, um die Show auf Jahre hinweg bei zahlreichen Sendern in der Wiederholung laufen zu lassen, was weitere Einnahmen generierte.

Paramounts Geschäftsmodell war langfristig ausgelegt und sehr clever: Wie eingangs erwähnt, produzierte das Studio die Serie nicht für ein Kabelnetzwerk, sondern gab sie an lokale Sender. Diese zahlten für die Erstausstrahlung der Folgen nicht, sondern verpflichteten sich, fünf Minuten Werbung lokaler Unternehmen zu senden; weitere sieben Minuten Werbung durfte Paramount an national agierende Unternehmen verkaufen.

Die Fernsehsender verpflichteten sich zudem, in der Zukunft Wiederholungen der Serie zu senden, die dann kostenpflichtig waren. Außerdem durften nur diejenigen Sender die Originalserie Raumschiff Enterprise ausstrahlen, die TNG ausstrahlten und sich an dem Vertriebsmodell beteiligten. Paramount wusste, wie sehr die Zuschauer in den USA die alte Serie schätzten - und so haben fast alle 150 Sender, die Raumschiff Enterprise zeigten, auch die TNG ins Programm aufgenommen. Am Ende waren es mit 210 Sendern fast 90 Prozent der TV-Landschaft in den USA, bei denen Jean-Luc Picard über den Bildschirm flimmerte.

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Paramounts Geschäftsmodell ist aufgegangen

1992 verdiente Paramount allein durch die Werbung bei den Erstausstrahlungen im Jahr 90 Millionen US-Dollar, nach heutigem Stand sind das 190 Millionen US-Dollar. Paramount verdiente mit TNG so viel, dass eine Vermarktung außerhalb der USA eigentlich nicht notwendig war - verzichtet hat das Unternehmen darauf natürlich nicht, was zusätzliche Einnahmen generierte. In Deutschland lief TNG erstmals am 7. September 1990 im ZDF.

Nach der Absetzung liefen DS9 und Voyager noch einige Jahre, konnten aber selbst zusammen nie so viele Zuschauer anziehen wie TNG alleine. Star Trek: Enterprise, das ab 2001 lief, kam bei den Fans nicht recht an - und so endete 2005 ein 18-jähriger Zeitraum, in dem es stets eine Star-Trek-Serie gab. Erst 2017 startete mit Discovery ein neuer Anlauf - in einer durch das Internetstreaming komplett auf den Kopf gestellten Medienlandschaft. Der Episodencharakter war verschwunden, die Serie ist eher ein langer Spielfilm, was nicht allen Fans gefällt.

Und so bleibt Next Generation auch 35 Jahre nach der Erstausstrahlung für viele Trekkies die Blaupause der perfekten Star-Trek-Serie - und vielleicht auch für Paramount selbst, die mit Strange New Worlds eine sehr ähnlich aufgebaute Serie produzieren. Die Fans von TNG vergessen manchmal, dass die Serie vor allem anfangs Schwächen hatte. Dass sie immer noch im Fernsehen und bei Streaming-Anbietern zu sehen ist, zeigt aber, dass die Macher damals einiges richtig gemacht haben.


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