Neue Plugin-Modelle: Audis Oberklasse wird elektrischer

Ein war ein ziemlich waghalsiges Überholmanöver, das der Fahrer eines Tesla auf einer Landstraße bei München unternahm. Ob dies sein üblicher Fahrstil ist oder er dem vorausfahrenden A8 mit E-Kennzeichen zeigen wollte, was ein richtiges Elektroauto kann, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Fest steht nur: Nach dem Wunsch des Audi-Konzerns sollen künftig mehr elektrifizierte Oberklasse-Limousinen mit Hybrid-Antrieb unterwegs sein. Schließlich will der Hersteller auch von der steuerlichen Förderung von Plugin-Dienstwagen profitieren. Und in Sachen Leistung und Drehmoment sollen sich die Hybride ebenfalls nicht hinter der voll- und teilelektrischen Konkurrenz verstecken.
Audi bekräftigte auf seinem Tech-Day in der vergangenen Woche in München seine Pläne(öffnet im neuen Fenster) , bis zum Jahr 2025 mehr als 30 elektrisch angetriebene Modelle auf den Markt zu bringen , darunter 20 reine Elektroautos. Bis dahin sollen die E-Autos 40 Prozent des Absatzes ausmachen. Das sind noch einmal zehn Prozentpunkte mehr, als bei der Präsentation des Audi E-Tron im September 2018 angekündigt wurden . Gemessen am Jahresverkauf 2018 entspräche das mehr als 700.000 verkauften Autos mit Elektroantrieb pro Jahr.
Elektrischer Q4 wird ab 2020 in Zwickau gebaut
Doch der E-Tron als SUV ist vorerst das einzige vollelektrische Auto im Portfolio der Ingolstädter. Eine zweite Karosserievariante in Form eines Sportback soll noch in diesem Jahr vorgestellt werden. Der E-Tron GT Concept auf der von Porsche entwickelten Taycan-Plattform J1 könnte von Ende 2020 an in den Böllinger Höfen in Neckarsulm gebaut werden .

Langfristig setzt Audi jedoch auf die gemeinsam mit Porsche entwickelte Premium Plattform Electric (PPE) und den Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) von Konzernmutter Volkswagen: Während die PPE-Modelle die Ober- und Luxusklasse bedienen, ist der MEB die Grundlage für die Kompakt- und Mittelklasse. Der auf dem Autosalon in Genf gezeigte Q4 auf MEB-Basis soll im kommenden Jahr im Volkswagen-Werk in Zwickau vom Band laufen. Ein sportlicher SUV oder eine Limousine auf dieser Basis seien ebenfalls denkbar, hieß es bei Audi.
Erste Design-Studie auf PPE-Basis gezeigt
Auf Basis des PPE zeigte Audi eine erste Design-Studie für einen Sportback in München. Fotoaufnahmen der Studie, die zwischen dem A5 und A7 angesiedelt ist, waren jedoch nicht erlaubt. Standardmäßig würden die PPE-Modelle mit einem Heckantrieb angeboten, die meisten Modelle könnten jedoch auch einen Quattro-Antrieb erhalten, hieß es. Die Systemspannung werde wie beim Porsche Taycan bei 800 Volt liegen, die Batterie eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern ermöglichen. Neben dem Sportback und Limousinen mit Flachboden sollen auch Hochboden-Fahrzeuge wie SUV ermöglicht werden. Beide Varianten würden gleichzeitig entwickelt. Dabei ließen sich Fahrzeuglänge und Spurbreite bei gleichbleibender Akku-Größe auf einfache Weise verändern.
"Mit Beginn des nächsten Jahrzehnts" werde die Produktion der ersten PPE-Modelle in Deutschland starten. Das ist ein dehnbarer Zeitraum. Vermutlich dürfte das Coupé, das intern E6 genannt wird(öffnet im neuen Fenster) , im Jahr 2023 auf den Markt kommen. Porsches erstes Elektroauto auf PPE-Basis, der Macan, soll von 2022 an in Leipzig produziert werden .
Vier Plugin-Hybride in der Oberklasse
In diesem Jahr schon erhältlich sind neue Plugin-Hybride für die Limousinen A7 und A8 L sowie für die SUV Q5 und Q7. Vor allem als Dienstwagen sind Plugin-Hybride inzwischen attraktiv. Denn seit Anfang 2019 müssen Arbeitnehmer, die einen Dienstwagen privat nutzen, bei Elektroautos monatlich nur noch ein halbes Prozent des Bruttolistenpreises steuerlich geltend machen. Die Autohersteller können mit dem theoretisch niedrigen CO2-Wert der Hybride zudem ihren Flottenverbrauch senken. Zuletzt hat die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzprogramm beschlossen, die Dienstwagenregelung auch für Plugin-Hybride bis 2030 zu verlängern .
Allerdings ist die Dienstwagenregelung stark umstritten , da es bei der Förderung keine Rolle spielt, ob der Dienstwagennutzer das Ladekabel überhaupt auspackt. Dennoch können es sich gerade Oberklassehersteller wie Audi nicht erlauben, dieses Segment nicht zu bedienen.
Maximal 456 PS
Bei Probefahrten mit dem A8 und dem Q5 um Umland von München hat sich zumindest gezeigt, dass die Verbindung von Verbrenner- und Elektroantrieb gut funktioniert. Audi setzt dabei auf einen Parallelhybrid, bei dem Verbrennungs- und Elektromotor gemeinsam auf den Antrieb wirken. Das Hybrid-Modul besteht aus einer permanent erregten Synchronmaschine (PSM) und einer Trennkupplung, die zwischen Verbrennungsmotor und dem Getriebe sitzen. Damit können die Fahrzeuge rein elektrisch fahren, aber auch dem Verbrenner mit einer Boost-Funktion zusätzliches Drehmoment liefern.

Mit 700 Newtonmetern liegt dieses noch über derjenigen des Tesla Model 3 Performance. Die Elektromotoren liefern dabei rund 100 Kilowatt Leistung bei 350 Newtonmetern Drehmoment. Als Verbrennerbasis dient beim A7 und Q5 ein Vierzylinder-Benzinmotor (2.0 TSFI) mit 185 kW (252 PS), beim A8 L und Q7 ein Sechszylinder-Benziner (3.0 TSFI) mit 250 kW (340 PS). Die maximale Systemleistung liegt damit beim A8 bei 330 kW (449 PS) und bei Q7 bei 335 kW (456 PS).
Großer Akku mit wenig Reichweite
Die elektrische Reichweite liegt mit angegebenen "mehr als 40 Kilometern" nach WLTP im derzeit steuerlich begünstigten Bereich. Dabei verfügt der Akku beim A7, A8 und Q5 über eine Kapazität von 14,1 Kilowattstunden (kWh), beim Q7 sogar über 17,3 kWh. Das ist noch etwas mehr als beim aktuellen Plugin-Hybrid der Mercedes S-Klasse, dem 560 e(öffnet im neuen Fenster) . Mit einer solchen Energiemenge schaffen es effiziente Elektroautos wie der Hyundai Ioniq mehr als 100 Kilometer weit.
Dabei haben sich die Audi-Ingenieure durchaus Mühe gegeben, um die Plugin-Hybride möglichst sparsam fahren zu lassen. Dazu beitragen sollen der prädiktive Effizienzassistent (PEA) und die prädiktive Betriebsstrategie (PBS). Demnach regelt der PEA "das Antriebs- und Rekuperationsverhalten situativ auf unmittelbare und naheliegende Parameter der prädiktiven Streckendaten" . Dazu zählen "vorausliegende Ortsschilder, Kreuzungen, Kreisverkehre, die Topografie mit Kurven, Steigungen und Gefällen, bekannte Tempolimits aber auch vom Radarsensor erfasste vorausfahrende Fahrzeuge" .
Automatische Geschwindigkeitsregelung
Das hat auf den Testfahrten in der vergangenen Woche gut funktioniert. Der Tempomat schaltet beispielsweise rechtzeitig in den Segel- oder Rekuperationsmodus um, wenn in absehbarer Entfernung ein Tempolimit folgt oder eine Ortschaft erreicht wird. Zudem erhält der Fahrer ein optisches Signal im Display und einen haptischen Impuls am Fahrpedal. Die PBS regelt hingegen das Antriebs- und Rekuperationsverhalten über die gesamte Streckenplanung. Aus Karten- und aktuellen Verkehrsdaten erstelle das System "eine Planung für die gesamte Strecke mit dem Ziel der maximalen Effizienz, innerstädtisch elektrisch zu fahren und mit nahezu leerer Batterie am Ziel anzukommen" .
Die Plugin-Hybride verfügen über drei Fahrmodi. Im Elektromodus wird das Auto rein elektrisch angetrieben, solange der Fahrer nicht über einen bestimmten Druckpunkt hinaus das Fahrpedal tritt. Damit lässt sich auch rein elektrisch über die Autobahn fahren. Der Hybrid-Modus ist Standard bei aktiver Routenführung. Im Hold-Modus wird die Batterie auf dem aktuellen Stand gehalten. Einen Lademodus wie in der Mercedes-S-Klasse gibt es hingegen nicht. Die Audi-Hybride lassen sich nur mit Wechselstrom mit bis zu 7,4 Kilowatt aufladen.
Der zusätzliche Akku geht allerdings zu Lasten des Kofferraumvolumens. Beim Q7 führe das dazu, dass maximal fünf statt sieben Sitze genutzt werden könnten, berichtete das britische Portal Autocar(öffnet im neuen Fenster) . Das Problem könnte sich noch verschärfen, wenn in einigen Jahren die Akku-Reichweite 80 Kilometer betragen muss oder der CO2 unter 50 Gramm pro Kilometer liegen muss.
Realistischer Verbrauch deutlich höher
Audi wirbt mit niedrigen Kraftstoffverbräuchen, wie sie bei Plugin-Hybriden typischerweise angegeben werden, aber laut ADAC-Tests(öffnet im neuen Fenster) "angesichts der Erwartungen ernüchternd" sind. Den laut Prospekt kombinierten 2,4 bis 2,0 Litern pro 100 Kilometern beim Q5 stand auf der Testfahrt ein Verbrauch von 5,4 Litern/100 km Benzin und 14,1 kWh/100 km elektrischer Energie gegenüber. Beim A8 lagen die Werte knapp darunter, was der Tatsache geschuldet sein könnte, dass beim Q5 auf einem kurzen Autobahnabschnitt die Maximalgeschwindigkeit von 240 km/h getestet wurde.
Die Möglichkeit, eine solche Geschwindigkeit ohne ständige Ladestopps länger durchzuhalten, dürfte bei vielen Fahrern weiterhin den Ausschlag geben, sich einen Plugin-Hybriden und keinen vollelektrischen Dienstwagen anzuschaffen. Die "notwendige 'Brücke' zur rein elektrischen Mobilität" , wie die Bundesregierung die Plugin-Hybriden bezeichnet, wird am Ende doch wohl eher aus Steuerspargründen betreten.
Offenlegung: Golem.de hat auf Einladung von Audi an dem Techday in München teilgenommen. Die Reisekosten wurden zur Gänze von Audi übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.



