Netzsperren: DNS-Resolver Quad9 wegen Urheberrechtsverletzung verurteilt
Im Streit mit dem Musikkonzern Sony hat Quad9 eine weitere Niederlage vor Gericht erlitten. Der DNS-Resolver wurde sogar als Täter verurteilt.

Der nichtkommerzielle Schweizer DNS-Resolver Quad9 ist im Streit mit dem Musikkonzern Sony ein weiteres Mal zur Sperrung von Webseiten verpflichtet worden. Das Landgericht Leipzig entschied in einem Urteil vom 1. März 2023, dass Quad9 sich nicht auf das sogenannte Providerprivileg berufen könne und damit nicht nur als Störer, sondern als Täter für eine Urheberrechtsverletzung verantwortlich sei (Az. 5 O 807/22).
Bei Zuwiderhandlung droht den Betreibern von Quad9 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro oder bis zu zwei Jahre Ordnungshaft. Zudem muss der Anbieter 80 Prozent der Gerichtskosten tragen. Bereits im Juni 2021 wurde Quad9 vom Landgericht Hamburg in einem Eilverfahren zu einer Domainsperre verpflichtet.
In dem Leipziger Urteil, das Golem.de vorliegt, heißt es zur Begründung: "Die Beklagte haftet als Täterin, weil sie lnternetnutzern ihren DNS-Resolver zur Verfügung stellt und darüber auf die Seiten des Dienstes canna.to mit den rechtsverletzenden Downloadangeboten betreffend das streitgegenständliche Musikalbum verwiesen wird."
Das Landgericht bezieht sich dabei auf die "überzeugenden Ausführungen" des Landgerichts Köln, das bereits im September 2022 die täterschaftliche Haftung für Urheberrechtsverletzungen Dritter auf Cloudfare übertrug. Cloudfare betreibt nicht nur ein Content Delivery Network, sondern auch einen DNS-Resolver.
DNS-Resolver kein Diensteanbieter nach TMG
Nach Ansicht des Gerichts fällt ein DNS-Resolver nicht unter die Definition eines Diensteanbieters nach dem Telemediengesetz (TMG), obwohl ein solcher darin beschrieben ist als "jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt". Dem Urteil zufolge muss ein Diensteanbieter "durch seine Weisungen oder seine Herrschaftsmacht über Rechner und Kommunikationskanäle die Verbreitung oder das Speichern von lnformationen ermöglichen und nach außen als Erbringer von Diensten auftreten". Das treffe weder auf Registrare noch DNS-Resolver oder den Admin-C zu.
Auf den Einwand von Quad9, wonach eine Sperrung von illegal bereitgestellten Inhalten nicht gezielt möglich sei und die ganze Domain betreffe, ging das Gericht nicht ein. Auch den Einwand, dass die betreffende Domain dann global und nicht nur für deutsche Nutzer unerreichbar sei, ließ das Gericht nicht gelten. "Auch weltweit ist kein berechtigtes Interesse der Internetnutzer auf Zugriff auf diese Webseite mit offensichtlich ausschließlich illegalen Angeboten ersichtlich, so dass sich die Frage eines Overblockings nicht stellt", hieß es dazu.
Vorsorgemaßnahmen gegen erneute Rechtsverletzungen
Dem Urteil zufolge war es den Rechteinhabern nicht möglich, den eigentlichen Hostprovider zur Löschung der Inhalte zu zwingen. Dies sei diesem mangels Erfolgsaussicht auch nicht zuzumuten. Die Tatsache, dass die Nutzungsrate von Quad9 in Deutschland nur bei 0,159 Prozent liegt, spielte ebenfalls keine Rolle.
Was ebenfalls erstaunlich ist: Dem Urteil zufolge muss Quad9 ebenso wie typische Hostprovider nicht nur den Zugang zu den rechtsverletzenden Inhalten "unverzüglich" unterbinden. Darüber hinaus besteht "die Pflicht zur Vorsorge, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt". Wie ein DNS-Resolver, der lediglich Domain-Namen in IP-Adressen übersetzt, das konkret umsetzen soll, bleibt unklar.
Die Einstufung von reinen Durchleitungsdiensten als Täter bei Urheberrechtsverletzungen ist juristisch umstritten. So legte die Juraprofessorin Ruth Janal in einem Gutachten im Auftrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) dar, "dass DNS-Dienste nicht als Täter oder Teilnehmer für Urheberrechtsverletzungen im Internet haften, wenn man etwaige urheberrechtsverletzende Webseiten mithilfe des DNS-Resolvers aufrufen kann".
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann jedoch von Seiten Sonys gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro sofort vollstreckt werden.
Nachtrag vom 4. März 2023, 11:48 Uhr
Die GFF kündigte am 3. März 2023 an, mit dem gemeinnützigen Dienst vor dem Oberlandesgericht Dresden in Berufung zu gehen, "um das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, das die Informationsfreiheit im Internet gefährdet". Felix Reda, Leiter des Projektes Control der GFF, kritisierte: "Das Landgericht Leipzig hat in erster Instanz ein eklatantes Fehlurteil gefällt. Es behandelt Quad9 so, als würde der Dienst selbst eine Urheberrechtsverletzung begehen, obwohl er bloß einen Webseitennamen in eine IP-Adresse auflöst. Folgt man dieser Argumentation, wäre die urheberrechtliche Haftung völlig neutraler Infrastrukturdienste wie Quad9 sogar strenger als die sozialer Netzwerke, die unter den berüchtigten Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie fallen."
Mit Blick auf das inzwischen in Kraft getretene Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act/DSA) (g+) fügte Reda hinzu: "Der Digital Services Act stellt unmissverständlich klar, dass die Haftungsregeln für Internetzugangsanbieter auf DNS-Dienste anzuwenden sind. Wir sind zuversichtlich, dass diese Fehlinterpretation der europäischen und deutschen Rechtsgrundlagen vom Berufungsgericht aufgehoben wird."
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Hanlons Razor: Never attribute to malice that which can be adequately explained...
Schon, aber Quad9 ist selbstständig.
...denn da stehen ja die Nummern zu Bordellen und Casinos drin welche für Jugendliche...
Nein, da steht, wie du korrekt zitierst, aber nicht verstanden hast...
Kommentieren