Harte Verteilungskämpfe auch in Europa
Ohnehin ist es so, dass große Dienste wie Google, Microsoft, Apple und Yahoo nicht nur Content Delivery Networks (CDN) wie Akamai, Level 3 oder Limelight nutzen, sondern ihre eigenen Netze aufgebaut haben. Auch Netflix verfügt über ein eigenes CDN. Ein solches Netzwerk besteht in der Regel aus einem Serververbund, der gecachte Inhalte möglichst schnell und stabil ausliefern soll. Wobei der Videodienst laut Branchenberichten zwar seine eigenen Server hat, aber die Verbindungen wiederum nur mietet. Netflix bietet den Providern an, über sein Open-Connect-Programm kostenlos an weltweit sechs Datenknoten (fünf US-Knoten sowie London) zu peeren. Dieses Angebot nutzen derzeit unter anderem Cablevision, Google Fiber und die British Telecom. Ebenfalls können Provider die Netflix-Hardware ins oder nahe ans eigene Netz stellen. Den Branchenberichten zufolge wird aber noch mehr als die Hälfte des Netflix-Traffics über die CDN der großen Carrier ausgeliefert.
Im Falle Comcasts war der Netzbetreiber aber nicht bereit, sich an einem solch kostenlosen Peering über das Open-Connect-Programm zu beteiligen. Wobei unklar ist, welchen Preis Netflix für die Vereinbarung gezahlt hat. Aus der Sicht des Videodienstes ist es aber vermutlich egal, ob einer der Provider für den steigenden Traffic bezahlt wird oder direkt ein Kabelnetzbetreiber, der zudem einen gewissen Service garantiert. Es wird erwartet, dass Netflix mit anderen Kabelnetzbetreibern ebenfalls solche Vereinbarungen trifft.
Paid Peering bedeutet keine Priorisierung
Was hat das alles also mit der Netzneutralität zu tun? Diese bleibt von solchen Vereinbarungen so lange unberührt, wie die Inhalte der Paid-Peering-Kunden nicht gegenüber den Daten aus anderen Netzen oder von anderen Anbietern bevorzugt transportiert werden. Eine schnelle Auslieferung wird jedoch dadurch möglich, dass die Daten nicht mehr über die Netze der anderen Carrier transportiert werden müssen. Eine Gefahr besteht natürlich, wenn ein Netzbetreiber wie im Falle von Comcast über eigene Videodienste wie NBC Universal verfügt und dessen Dienste dann ohne Störungen ausliefern wird, während bei anderen Anbietern eher Übertragungsprobleme auftreten können.
Ebenfalls erscheint unklar, warum durch solche Verträge kleinere Anbieter benachteiligt werden, wie oft kritisiert wird. Natürlich kann ein Startup nicht sofort sein eigenes CDN aufbauen. Aber solange es ausreichend Kapazitäten über die Provider gibt, dürften auch kleinere Anbieter von Videodiensten nicht von Anfang an ins Hintertreffen geraten. Ab einem bestimmten Zeitpunkt müssen aber natürlich auch diese versuchen, eigene Verteilzentren einzurichten.
Harte Kämpfe auch in Europa
Auch in Europa gibt es schon seit langem harte Kämpfe zwischen den Telekommunikationsanbietern, Peering-Partnern und Inhalteanbietern. Anfang 2011 forderten die großen Provider wie Deutsche Telekom, France Télécom, Telecom Italia und Telefónica neue Regelungen, die ihnen mehr Einnahmen durch den wachsenden Traffic sichern sollten. Vor einem Jahr vereinbarte Orange mit Google Zahlungen für den Transport von Videodaten. Googles Youtube generiere rund 50 Prozent des Datenvolumens in den Netzen des Unternehmens, argumentierte Orange.
Die Telekom forderte im April 2013 von Youtube den Ausbau von Serverkapazitäten, um eine ruckelfreie Wiedergabe der Videos zu gewährleisten. Zu konkreten Vereinbarungen wollte sich die Deutsche Telekom auf Anfrage nicht äußern. Ein Sprecher von Kabel Deutschland teilte aber auf Anfrage mit, dass es solche Deals wie im Falle Netflix/Comcast mit Inhalteanbietern nicht gebe.
Telekomfirmen wollen an Videotraffic mitverdienen
Auch die geplante EU-Verordnung zum gemeinsamen Telekommunikationsmarkt berührt solche Vereinbarungen zunächst nicht. Dies wäre aber der Fall, wenn die Auslieferung von Videos als "Spezialdienst" deklariert werden könnte. Dann hätten Telekommunikationsfirmen und Inhalteanbieter die Möglichkeit, bestimmte Qualitätsstandards zu vereinbaren. Aus einem "Paid Peering" könnte ein "Paid Prioritization" werden. Ob und wie solche Möglichkeiten Eingang in die Verordnung finden, ist derzeit noch offen. Der federführende Industrie-Ausschuss (ITRE) des EU-Parlaments hat die Formulierungen der EU-Kommission schon ein wenig abgeschwächt.
Traffic-Management soll in Zukunft nicht zu einer Diskriminierung konkurrierender Angebote führen, heißt es in Kompromissvorschlägen, die am 18. März beschlossen werden sollen. Spezialdienste sollen nur bei ausreichender Netzwerkkapazität und ohne Beeinträchtigung des allgemeinen Internetzugangs angeboten werden dürfen. Unabhängig vom Wortlaut der Verordnung gilt aber für Europa das Gleiche wie in den USA: Die Telekomfirmen wollen ihre Marktmacht nutzen, um von den Gewinnen der Inhalteanbieter etwas abzubekommen.
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Netzneutralität: Warum der Netflix-Deal nicht das offene Internet gefährdet |
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Zwischen flächendeckend 50 haben und 50 nutzen liegt der Unterschied. Bei dem...
leider komplett falsch! Comcast hat ein marodes altes Zugangsnetz, das von wenigen Kunden...