Netzneutralität: USA wollen Überholspur im Internet erlauben
Die US-Regulierungsbehörde FCC will den Providern und Inhalteanbietern weit entgegenkommen. Die geplanten Regelungen schaffen die Basis für ein Zwei-Klassen-Internet. Die Bundesregierung will das auf EU-Ebene verhindern.

Was in der EU zuletzt am Widerstand des Parlaments gescheitert ist, soll in den USA bald Realität werden: Telekommunikationsfirmen sollen die Möglichkeit erhalten, mit Inhalteanbietern eine bevorzugte Übertragung auf der "letzten Meile" zu vereinbaren. Die Regulierungsbehörde FCC bestätigte am Mittwoch auf Anfrage von Ars Technica entsprechende Medienberichte. Netzbetreiber wie Verizon, Comcast und AT&T müssen demnach ihren Kunden einen Basisdienst mit einem bestimmten Service anbieten, dürfen allerdings mit Diensten wie beispielsweise dem Videostreamportal Netflix oder Googles Youtube individuelle Verträge abschließen. Kritiker befürchten ein Ende der Netzneutralität und Nachteile für Nutzer sowie weniger zahlungskräftige Anbieter.
Die Neuregelung war notwendig geworden, weil ein Gericht im Januar die bisherigen FCC-Bestimmungen zur Netzneutralität teilweise für unzulässig erklärt hatte. In einer Stellungnahme zu einer Onlinepetition hatte sich das Weiße Haus noch für den Erhalt der Netzneutralität starkgemacht und geschrieben: "Ohne Netznetzneutralität kann das Internet zu einer kostspieligen privaten Mautstrecke werden, die für die nächste Generation von Visionären unerreichbar sein wird."
Kabelnetzbetreiber "sehr erfreut"
Die geplanten Regelungen sollen am Donnerstag von der FCC präsentiert und am 15. Mai beschlossen werden. Generell solle es den Providern verboten werden, bestimmte Inhalte zu blocken oder zu drosseln, berichtete das Wall Street Journal. Die FCC will die Vereinbarungen zwischen Providern und Inhalteanbietern von Fall zu Fall überprüfen und darauf achten, dass sie "wirtschaftlich vernünftig" sind. Damit soll offenbar verhindert werden, dass die Konkurrenz durch überhöhte Preise von der Überholspur ausgeschlossen wird. Die Anforderungen für den Basisdienst sowie die Kriterien für "wirtschaftlich vernünftige" Deals sollen nun diskutiert werden.
Profitieren dürften von der Regelung vor allem die Provider. Sie können nun sowohl von den Endkunden als auch von Diensteanbietern Gebühren für die Netznutzung verlangen. Unberührt von den neuen Regelungen bleiben zudem Deals für ein bezahltes Peering, wie ihn Netflix und Comcast vor einigen Wochen abgeschlossen hatten. Die Forderung von Netflix-Chef Reed Hastings, solche Vereinbarungen mit einer "starken Netzneutralität" zu verbieten, hatte FCC-Chef Tom Wheeler zurückgewiesen. Kein Wunder, dass sich der Manager eines Kabelnetzbetreibers laut Wall Street Journal "sehr erfreut" über die Berichte zeigte. Große Internetfirmen wie Microsoft, Google, Facebook, Yahoo, eBay und Netflix lehnten dem Blatt zufolge eine Stellungnahme ab.
"Verbraucher werden den Preis bezahlen"
Die American Civil Liberties Union (ACLU) kritisierte die Pläne: "Wenn die FCC sich diesen Meinungsumschwung in Sachen Netzneutralität zu eigen macht, steigen die Hürden für Innovation und der Marktplatz für Ideen im Internet wird leiden. Verbraucher werden letzten Endes den Preis dafür zahlen." Bittorrent-Chef Eric Klinker sagte: "Eine Überholspur für diejenigen, die es sich leisten können, ist per definitionem eine Diskriminierung." FCC-Chef Wheeler wies jedoch den Vorwurf zurück, dass es eine Kehrtwende seiner Behörde in Sachen Netzneutralität gebe. Dieselben Regeln sollten für alle Internetinhalte gelten.
Im vergangenen Jahr hatte auch die Deutsche Telekom eigene Pläne für sogenannte Managed Services oder Spezialdienste präsentiert. Auch die EU-Kommission wollte in der neuen Telekommunikationsmarkt-Verordnung solche Dienste erlauben. Das EU-Parlament schwächte die Vorschläge zuletzt jedoch stark ab und will sie nur in wenigen Ausnahmefällen zulassen.
Nachtrag vom 24. April 2014, 16:35 Uhr
Die Berichte riefen auch in Deutschland sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Der Branchenverband Bitkom begrüßte die Pläne: "Gesicherte Qualitätsklassen sind notwendig, um die Güte neuer Internet-Dienste zu garantieren und innovative Services und Geschäftsmodelle zu ermöglichen", sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder laut Pressemitteilung. Die EU sollte sich bei ihren Plänen zur Netzneutralität daran orientieren. Das Best-Effort-Prinzip sollte erhalten und ausgebaut werden. "Dies wird regelmäßig über bloße Mindeststandards hinausgehen, kann aber gerade nicht garantiert werden", sagte Rohleder.
Kritik kam von der Digitalen Gesellschaft. "Die Netzneutralität wird da ihr Ende finden", sagt Geschäftsführer Alexander Sander Spiegel Online. Er befürchtet drastische Auswirkungen für Firmen und deren Kunden: "Innovation wird gebührenpflichtig." Angebote kleiner Unternehmen, die sich die digitale Überholspur nicht leisten könnten, würden für die Anwender weniger attraktiv, die Firmen dadurch vom Markt verdrängt.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Brigitte Zypries (SPD), teilte mit: "Wir setzen uns in den laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene zur Netzneutralität weiter nachdrücklich für ein offenes Internet ein, so wie wir es heute kennen." Die Regierung werde sich dafür stark machen, dass der Transport von Datenpaketen ohne Bevorzugung einzelner inhaltlicher Angebote erfolge. "Klar ist aber auch, dass das Internet entwicklungsoffen und dynamisch angelegt werden muss", sagte Zypries.
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Ach und Lobbyisten arbeiten kostenlos? 1. Muss man den Lobbyisten bezahlen. Der wiederum...
Du hast doch Internet! Wer redet denn hier von verzichten? Du kannst aber nicht überall...
Bei einem Freund tritt genau das Gleiche ein, entweder das Video startet gar nicht oder...
sind die 2 Klassen erst einmal durchgesetzt. Dann kommt in die 1. Klasse nur erwünschte...