Netzneutralität: EU-Ausschuss gegen Zwei-Klassen-Internet
Innerhalb der EU wächst der Widerstand gegen die Pläne für ein Zwei-Klassen-Internet. Einen "Etappensieg" hat nun der Medienausschuss errungen, der aber noch viel Überzeugungsarbeit vor sich sieht.

Der Medienausschuss des Europäischen Parlaments fordert wesentliche Änderungen an den EU-Plänen zur Netzneutralität. "Würden unsere Formulierungen vom Parlament insgesamt übernommen, hätten wir EU-weit Netzneutralität gesetzlich verankert und damit ein wirklich offenes Internet gesichert", teilte die SPD-Abgeordnete und zuständige Berichterstatterin, Petra Kammerevert, am Dienstag in Brüssel mit. Die EU-Kommission will in ihrer Verordnung zum gemeinsamen digitalen Binnenmarkt sogenannten Spezialdiensten viel Raum geben. Kritiker befürchten, dass auf diese Weise ein Zwei-Klassen-Internet Realität wird, von dem lediglich große und finanzstarke Unternehmen profitieren.
Dem einstimmig angenommenen Kompromissvorschlag des Ausschusses zufolge dürften diese Spezialdienste jedoch nur noch in sehr eingeschränkten Fällen angeboten werden. "'Spezialdienst' ist ein elektronischer, insbesondere IP-basierter Kommunikationsdienst oder ein anderer Dienst, der nur innerhalb geschlossener und streng zugangskontrollierter elektronischer Kommunikationsnetze zur Verfügung gestellt und betrieben wird und nicht als Ersatz für das Internet vermarktet, als solches genutzt wird oder sich funktional identisch zu Inhalten, Anwendungen oder Diensten des offenen Internets erweist", heißt es in dem Papier, das Golem.de vorliegt.
"Technische und sachliche Notwendigkeit" erforderlich
Ein Spezialdienst ist demnach nur dann zulässig, "wenn dafür nachweisbar eine technische und sachliche Notwendigkeit besteht, die über das wirtschaftliche Eigeninteresse hinausgeht, um echtzeitkritische oder besonders zu sichernde Anwendungen in einer besonderen, sichergestellten Qualität anbieten zu können". Der Entwurf schränkt zudem die Möglichkeit von Providern ein, bestimmte Angebote von einer Datendrosselung bei Volumenpaketen auszunehmen: "Bei Vereinbarungen über Datenvolumina und -geschwindigkeiten dürfen bestimmte Inhalte, Dienste oder Anwendungen nicht aus dem Volumenverbrauch herausgerechnet oder nach Verbrauch des vereinbarten Datenvolumens von einer Drosselung ausgenommen werden."
Bislang ist nicht davon auszugehen, dass das EU-Parlament den Vorschlag des Medienausschusses zur Netzneutralität eins zu eins übernimmt. Federführend bei dem Thema ist der Industrieausschuss Itre, der als industriefreundlich gilt und dem Kommissionsvorschlag offener gegenübersteht. Allerdings nimmt Kammerevert nach Angaben ihres Büros an den Verhandlungen des Industrie-Ausschusses teil und kann daher ihre Positionen direkt vertreten. Zudem spricht das Abstimmungsergebnis von 26 zu 0 dafür, dass die Pläne der EU-Kommission zur Netzneutralität in allen Fraktionen auf Widerstand stoßen. Kammerevert sieht den Beschluss nur als "kleinen Etappensieg" und hält noch "viel Überzeugungsarbeit im Europäischen Parlament" für erforderlich.
Zuständigkeiten in Bundesregierung weiter unklar
Eine solche Überzeugungsarbeit dürfte aus Sicht von Netzaktivisten auch bei der Bundesregierung zu leisten sein. Diese will "überprüfen, ob das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene neue Konzept zur Netzneutralität ausreichend ist", teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage von Golem.de mit. Beim Thema Netzneutralität werde es darauf ankommen, "das Best-Effort-Prinzip zu erhalten, ohne dass innovative Geschäftsmodelle behindert werden". Das klingt nicht danach, als wolle man die Hürden für Spezialdienste besonders hoch legen.
Mehr als einen Monat nach dem Start der großen Koalition steht allerdings immer noch nicht fest, wie die Kompetenzen der Bundesregierung in Sachen Netzneutralität verteilt sind. Laut Organisationserlass von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist das CSU-geführte Verkehrsministerium auch für Telekommunikationswirtschaft und das Telekommunikationsrecht zuständig. "Die Einzelheiten hierzu sind Gegenstand der laufenden Umsetzungen", teilte das von Sigmar Gabriel (SPD) geleitete Wirtschaftsressort mit, das die Zuständigkeiten abgeben musste. Das Ministerium wird nach eigenen Angaben aber grundsätzlich für die digitale Wirtschaft und europäische IT-Politik zuständig bleiben und dürfte damit über die Netzneutralität in Brüssel verhandeln. Da die geplante EU-Verordnung nationales Recht verdrängt, dürfte Breitband-Minister Alexander Dobrindt (CSU) am Ende nichts anderes übrigbleiben, als deren Umsetzung zu überwachen.
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