Rechentricks gegen Auslandsvolumen bei Stream On
Finanziell ebenfalls sehr problematisch für die Telekom ist die Aufforderung, die Stream-On-Option europaweit verfügbar zu machen. Hier streiten sich die beiden Parteien über die Frage, ob die Option als "integraler Bestandteil des Datentarifs der Magenta-Mobil-Tarife anzusehen" ist. Sollte dies zutreffen, was nach Ansicht der Bundesnetzagentur der Fall ist, muss das Angebot auch die Zusatzoption umfassen, wenn beispielsweise die Kategorie Datendienst als Roamingdienst angeboten wird.
Die Telekom behauptet hingegen, die Option stelle einen "getrennt zu betrachtenden Zusatzvertrag" dar. Mit einem Rechentrick legte sie dar, dass deshalb kein einziges Byte unter die sogenannte Fair-Use-Regelung fällt. Diese Regelung soll es Providern ermöglichen, die Nutzung von inländischen Flatrate-Angeboten im Ausland auf bestimmte Datenvolumina zu begrenzen.
12 GByte Auslandsvolumen laut Fair Use
Da dieses Volumen vom Endkundengesamtpreis abhängt, setzt die Telekom diesen mit 0 Euro an, weil das Stream-On-Paket nichts kostet. Daraus folgert das Unternehmen, dass im Ausland gar kein Volumen unter die Fair-Use-Regelung fällt. Nach Ansicht der Regulierungsbehörde muss jedoch der Gesamtpreis für den Magenta-Mobil-Tarif zugrunde gelegt werden. Bei einem Preis von fast 50 Euro für den Tarif L kämen nach der Formel (Monatspreis durch Großhandelspreis) x 2 mehr als 12 GByte kostenloses Roaming-Volumen monatlich im Ausland zusammen. Die Telekom müsste dabei für jedes Gigabyte einen Großhandelspreis von derzeit 7,14 Euro bezahlen.
Eine Öffnung für das Ausland sei daher wirtschaftlich nicht tragfähig, erklärte das Unternehmen schon in einem Schreiben vom 17. August 2017. Gleichzeitig drohte die Telekom mit der sofortigen Einstellung des Produkts, was "mit gravierenden Nachteilen" für die Telekom, ihre Kunden sowie die Inhalteanbieter verbunden wäre. Eine Drohung, die das Unternehmen im vergangenen Dezember erstmals öffentlich gemacht hatte.
200.000 Euro Strafe angedroht
Die Bundesnetzagentur weist in ihrem Schreiben jedoch darauf hin, dass die Telekom selbst in den Niederlanden eine Zero-Rating-Option anbiete, die ein Auslandsvolumen von 6 GByte umfasse. In Großbritannien habe Three UK ebenfalls mit Go Binge ein Zero-Rating-Angebot, das 12 GByte Auslandsvolumen umfasse.
Aus dem Bescheid der Bundesnetzagentur geht hervor, dass die Telekom zwei Verstöße beseitigen soll und ihr bei jedem Verstoß eine Geldstrafe von 100.000 Euro droht. Daraus ergibt sich eine Gesamtstrafe von 200.000 Euro, die angesichts des großen Erfolgs bei den Kunden möglicherweise zu verschmerzen wäre.
Klage wahrscheinlich
Auf Anfrage von Golem.de teilte Telekom-Sprecher Philipp Blank mit, dass sein Unternehmen zunächst Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt habe. Allerdings hat ein Widerspruch dem Bescheid zufolge keine aufschiebende Wirkung "und ändert nichts an der Wirksamkeit und Vollziehbarkeit des Bescheides". Letzteres gilt auch für Klagen im Hauptsacheverfahren. Die Telekom behalte sich aber vor, "im nächsten Schritt gegen die Entscheidung vor Gericht zu klagen", sagte Blank. Es dürfte daher davon auszugehen sein, dass die Telekom ebenso wie im Falle der Vorratsdatenspeicherung im Eilverfahren den Bescheid vorläufig aufheben lassen will.
Sollte sich die Telekom vor Gericht durchsetzen, was unwahrscheinlich klingt, gäbe es in Sachen Netzneutralität hierzulande fast eine Situation wie in den USA. Dort hatte die Regulierungsbehörde FCC den Providern ebenfalls die Datendrosselung erlaubt, wenn sie dies in ihren Vertragsbedingungen transparent angeben. Die Position der Telekom ist ähnlich: Solange die Endkunden Anwendungen und Dienste irgendwie noch nutzen könnten, dürfen die Provider alles vertraglich vereinbaren.
Zeigt sich die Telekom dauerhaft widerspenstig und ignoriert die Bescheide, könnte die Bundesnetzagentur die ganz große Keule mit Artikel 126 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auspacken. Darin heißt es: "Verletzt das Unternehmen seine Verpflichtungen in schwerer oder wiederholter Weise oder kommt es den von der Bundesnetzagentur zur Abhilfe angeordneten Maßnahmen nach Absatz 2 nicht nach, so kann die Bundesnetzagentur ihm die Tätigkeit als Betreiber von Telekommunikationsnetzen oder Anbieter von Telekommunikationsdiensten untersagen." Das wäre der Telekom die Stream-On-Option aber vermutlich am Ende doch nicht wert.
Nachtrag vom 28. November 2018, 11:40 Uhr
Anders als von Golem.de ursprünglich dargestellt, beläuft sich das angedrohte Zwangsgeld auf maximal 200.000 Euro. Die Bundesnetzagentur begründete dies damit, dass es sich um zwei Verstöße handele, die beseitigt werden sollten. In dem Bescheid heißt es hingegen auf Seite 3: "Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der in Ziffern 1.b), 1.c), 2.b) und/oder 2.c) genannten Anordnungen nach dem Ablauf der in Ziffer 3 genannten Frist wird der Telekom Deutschland GmbH bereits jetzt jeweils ein Zwangsgeld von 100.000 Euro angedroht."
Nach Angaben der Bundesnetzagentur darf diese Aussage jedoch nicht so interpretiert werden, dass Zuwiderhandlungen gegen die genannten vier Anordnungen jeweils mit einem Zwangsgeld geahndet werden können.
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