Grundproblem bleibt ungelöst
Das Grundproblem der Ermittler dürfte allerdings auch die Reform des NetzDG nicht beseitigen. Denn die großen Netzwerke wie Youtube, Twitter oder Facebook weigern sich in vielen Fällen, die Daten der Nutzer herauszugeben. Dabei berufen sie sich unter anderem darauf, dass die Daten nicht in Deutschland oder der EU gespeichert werden, so dass ein förmliches Rechtshilfeersuchen in den USA beantragt werden muss. Laut Hartmann sind die Ermittler in 98 Prozent der Fälle auf die Auskünfte der Netzwerke angewiesen.
Während von Google sehr viele Anfragen beantwortet worden seien, sei dies bei Facebook nur gelegentlich der Fall gewesen. Rein statistisch sei nur jedes 20. Ersuchen von den Betreibern beantwortet worden. Das liege nicht an dem Unwillen der Anbieter, sondern am Speicherort der Daten. Daher würden die Ermittlungen oft "vor die Wand laufen", weil die Verdächtigen nicht ermittelt werden könnten, sagte Hartmann. Er befürchte daher, dass die Reform "eine Flut von Vorgängen, aber nur ein Rinnsal an Verurteilungen mit sich bringen wird".
Marktortprinzip statt Herkunftslandprinzip
Also mögliche Lösung des Problems schlug Hartmann vor, bei den Pflichten zur Beauskunftung das sogenannte Marktortprinzip und nicht das Herkunftslandprinzip anzuwenden. Das würde bedeuten, dass ein Unternehmen wie Facebook in diesen Fällen die deutschen Gesetze anwenden müsse, obwohl es seinen europäischen Firmensitz in Irland hat. Doch nach Ansicht von Juristen verstößt die jetzige Fassung des NetzDG bereits gegen das Herkunftslandprinzip der europäischen E-Commerce-Richtlinie. Künftig sollen Videodienste wie Youtube sich ohnehin stärker an diesem Prinzip orientieren und nicht mehr alle Auflagen des NetzDG erfüllen müssen.
Neben Hartmann forderte auch Josephine Ballon von der Organisation Hate Aid eine Stärkung des Marktortprinzips bei der Regulierung von Internetdiensten. Ballon räumte jedoch ein, dass die Pläne der EU-Kommission für ein Digitale-Dienste-Gesetz das Herkunftslandprinzip sogar noch stärken könnten, "was natürlich sehr schade ist". Henning Lesch vom Verband Eco verwies jedoch darauf, dass die Bestrebungen auf EU-Ebene derzeit eher in die entgegengesetzte Richtung liefen. Hartmann hofft daher auf eine Übereinkunft zwischen der EU und den USA auf Basis des US-amerikanischen Cloud Act, "weil wir ohne direkte Zugriffsmöglichkeit auf die Daten der Provider unabhängig von ihrem physischen Speicherort in vielen Fällen nicht weiterkommen".
Billigung von angedrohten Strafttaten strafbar
Kritik aus den Reihen der Experten gab es zudem an mehreren Verschärfungen des Strafgesetzbuches (StGB), durch die Hasskriminalität im Internet stärker bekämpft werden soll. So ist künftig bereits strafbar, eine nur angedrohte strafbare Handlung im Internet zu billigen. Bislang ist das nur bei erfolgten oder versuchten Straftaten der Fall. Nach Ansicht Stefan Conens vom Deutschen Anwaltverein geht dieser Paragraf in Richtung eines Gesinnungsstrafrechts. Conen verwies in seiner Stellungnahme (PDF) darauf, dass es bereits mehrere andere Paragrafen gebe, die beispielsweise die öffentliche Aufforderung zu Straftaten oder die Verherrlichung von Gewalt unter Strafe stellten.
Der Strafrechts-Professor Armin Engländer von der Uni München sieht dies ähnlich. Schon ein Facebook-Like könne die Billigung einer Straftat darstellen. "Aber auch wenn man die Problematik der 'Likes' einmal zurückstellt, dürfte es Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten schon unter Kapazitätsgesichtspunkten ganz erhebliche Probleme bereiten, auch nur ansatzweise sämtliche Postings zu verfolgen, die nach dem Entwurf künftig unter Paragraf 140 StGB fallen sollen", heißt es in seiner Stellungnahme (PDF).
Umstritten ist auch der geplante Paragraf 214, der bereits die Androhung einer Straftat "gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert" unter Strafe stellt. Der Spruch "Ich weiß, wo Dein Auto steht", würde nach Ansicht Engländers schon strafbar sein. Der intendierte Schutz des individuellen Rechtsfriedens werde damit "weit überdehnt".
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