NetzDG-Reform beschlossen: Mehr Rechte für Nutzer und Wissenschaftler

Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter müssen Forschern künftig umfangreiche Auskünfte zur Löschung von Inhalten geben.

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Soziale Netzwerke müssen künftig ihre Löschmethoden offenlegen.
Soziale Netzwerke müssen künftig ihre Löschmethoden offenlegen. (Bild: Pixabay)

Die Koalition von Union und SPD hat die Vorgaben für soziale Netzwerke in Deutschland noch einmal verschärft. Dazu beschloss der Bundestag am Donnerstag in Berlin gegen die Stimmen von FDP und AfD bei Enthaltung von Linke und Grünen eine Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG).

Demnach müssen Anbieter wie Facebook oder Twitter künftig ein "leicht bedienbares" Meldeverfahren für Nutzerbeschwerden bereithalten. Zudem müssen sie ein sogenanntes Gegenvorstellungsverfahren etablieren, damit ein Widerspruch gegen Löschungen oder abgelehnte Beschwerden einfacher möglich ist. Für die Klärung von Streitigkeiten ist künftig ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren vorgesehen.

Forschungsklausel hinzugefügt

Neu hinzugekommen zum Gesetzentwurf der Regierung (PDF), der schon vor mehr als einem Jahr beschlossen worden war, ist eine Auskunftspflicht der Netzwerke für die wissenschaftliche Forschung. So kann dem Änderungsantrag (PDF) zufolge ein Forscher Auskunft verlangen "über den Einsatz und die konkrete Wirkweise von Verfahren zur automatisierten Erkennung von Inhalten, die entfernt oder gesperrt werden sollen, insbesondere zu Art und Umfang eingesetzter Technologien und den Zwecken, Kriterien und Parametern für deren Programmierung sowie zu den eingesetzten Daten".

Außerdem müssen die Netzwerke Angaben machen über "die Verbreitung von Inhalten, die Gegenstand von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte waren oder die vom Anbieter entfernt oder gesperrt worden sind, insbesondere die entsprechenden Inhalte sowie Informationen darüber, welche Nutzer in welcher Weise mit den Inhalten interagiert haben". Entsprechende Forderungen aus der Wissenschaft hatte es im Juni 2020 in einer Bundestagsanhörung gegeben.

Schutzkonzept erforderlich

Um die Daten zu erhalten, müssen Forscher jedoch ein Schutzkonzept vorlegen. Darin muss unter anderem beschrieben werden, mit welchen Vorkehrungen eine anderweitige Verwendung der Daten verhindert wird. Das ist eine Reaktion auf die Facebook-Affäre um die Analysefirma Cambridge Analytica, bei der Nutzerdaten missbraucht worden waren. "Forscher sind extrem datenhungrig", hatte der Sozialwissenschaftler Simon Hegelich in der Bundestagsanhörung gewarnt. Die Netzwerke dürfen für die Auskunft bis zu 5.000 Euro verlangen, bei "außergewöhnlich hohem Aufwand" auch mehr.

Ebenfalls hinzugefügt haben die Fraktionen von Union und SPD einen Passus, wonach das Gegendarstellungsverfahren auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Sperrung von Inhalten nicht auf Basis des NetzDG, sondern nach den Community-Standards erfolgte. So gelten die entsprechenden Anforderungen auch dann, "sofern einer Entscheidung über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt keine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte zugrunde liegt".

"Flucht in die AGB"

Damit reagiert die Koalition auf Vermutungen, die Netzwerke wollten durch eine "Flucht in die AGB" den Vorgaben des NetzDG entgehen. Einer aktuellen Studie zufolge machen die Löschungen nach dem NetzDG nur einen sehr geringen Anteil aller Löschungen aus. Bei Youtube liegt dieser Wert demnach nur bei 0,89 Prozent. Die Netzwerke begründen dies damit, dass sie vorrangig eingehende Beschwerden nach Community-Standards prüfen und erst in einem zweiten Schritt eine NetzDG-Prüfung nach den einschlägigen Straftatbeständen vornehmen.

Die neuen Regelungen sollen aber nicht gelten, wenn es sich beispielsweise um gelöschte Spam-Beiträge handelt. Solche Spam-Versender sollen nicht die Möglichkeit haben, sich mit "Spam-Gegenvorstellungen" gegen die Löschungen zu wehren.

Aus der Opposition kam in der abschließenden Debatte viel Kritik an dem Gesetz. "Die Zukunft der Demokratie wird im Netz entschieden", sagte die Grünen-Abgeordnete Renate Künast, die seit Jahren mit rechtlichen Mitteln versucht, Hasskommentare und Falschbehauptungen aus dem Netz zu bekommen und deren Verfasser zur Rechenschaft zu ziehen. Sie forderte ein "Eilverfahren für Betroffene", damit solche Inhalte nicht jahrelang im Netz stehen könnten.

Nachtrag vom 6. Mai 2021, 19:12 Uhr

Nach Ansicht des IT-Branchenverband Bitkom schießt die NetzDG-Novelle "beim Versuch, die Nutzerrechte zu stärken, weit über das Ziel hinaus". Mit dem neuen Gegenvorstellungsverfahren werde "ein praxisfernes bürokratisches Ungetüm geschaffen". Angesicht der hohen Fallzahlen werde durch diese Vorschrift ein immenser administrativer Aufwand erzeugt. "Dies wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass nicht nur Hate Speech und kriminelle Inhalte gemeldet werden, sondern auch häufig auch vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen, die schlicht der persönlichen Meinung und politischen Weltsicht der Beschwerdeführernden nicht entsprechen", kritisierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

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