NetzDG-Kritiker: Erste Löschberichte bestätigen Gefahr von Overblocking
Die großen Social-Media-Portale haben erste Transparenzberichte nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz veröffentlicht. Google, Facebook und Twitter entfernen umstrittene Inhalte meist nach Hausregeln und lassen Fragen offen. Gesetzesgegner wittern ein Versagen des Rechtsstaats in der digitalen Welt.

Die Kritik an dem Anfang des Jahres in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verstummt auch nach der Publikation der ersten Transparenzberichte der großen Betreiber sozialer Netzwerke nicht. "Die Bundesregierung hat mit dem NetzDG private Unternehmen zu Richtern über die Presse- und Informationsfreiheit im Netz gemacht, ohne eine öffentliche Kontrolle des Löschverfahrens sicherzustellen", beklagt der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. Eine solche unabhängige Prüfinstanz sei aber nötig, um ein Overblocking, also das Entfernen auch rechtlich zulässiger Inhalte, zu erkennen. Es zeige sich, dass Google, Facebook und Co. eine Art digitales Hausrecht durchsetzten. Ihre Plattformen seien jedoch Teil der Öffentlichkeit, so dass Menschen dort alles sagen können müssten, was nicht gegen Gesetze verstoße.
Der staatlich verordnete Löschdruck durch das NetzDG hat laut der Medienvereinigung offensichtlich dazu geführt, dass die Betreiber eigene Community Standards heranziehen, um im Zweifel auch legale Inhalte zu beseitigen. Kämen die betroffenen Konzerne ihren gesetzlich festgeschriebenen Säuberungspflichten systematisch nicht nach, drohten hohe Geldstrafen. Löschten sie dagegen problematische Inhalte bereits großzügig auf Basis ihrer eigenen Vorgaben, entgingen sie dieser Gefahr.
Bei Google gingen nach eigenen Angaben für Youtube im ersten Halbjahr Beschwerden über 213.330 Inhalte mit Bezug auf das NetzDG ein, von denen der Konzern 27 Prozent unter Verweis auf Strafbestände oder die Community-Richtlinien des Videoportals entfernte. Bei Google+ löschte die Alphabet-Tochter von nur 2.769 beanstandeten Inhalten 1.277, also über 46 Prozent. Twitter meldete 264.818 Beschwerden, ging aber nur gegen 28.645 der vorgebrachten Inhalte vor, also etwa 11 Prozent.
Bei Facebook kamen in den ersten sechs Monaten 886 Beschwerden zusammen, mit denen Nutzer 1.704 Inhalte beanstandeten. Allerdings ist der Meldevorgang dort deutlich komplizierter als bei der Konkurrenz. So müssen Hinweisgeber etwa die konkreten Straftaten in einem gesonderten Formular benennen. Facebook löschte 21 Prozent der gemeldeten Inhalte. Wie viele Beiträge der Konzern aufgrund eigener Standards ausblendete, bleibt offen. Es dürften jedoch deutlich mehr sein. So entfernte Facebook weltweit allein im ersten Quartal 2018 rund 2,5 Millionen Postings nur aufgrund von sogenannter Hate Speech.
Offene Fragen
Die Löschungen durch die Betreiber der sozialen Medien lassen ungeklärt, "ob es um strafbare Äußerungen ging und verhindern eher eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Hass und der Menschenfeindlichkeit", rügt Elke Steven, Geschäftsführerin des Vereins Digitale Gesellschaft. Es blieben "tiefe Zweifel an der Wirkung" des einschlägigen Gesetzes. Straftaten würden unsichtbar gemacht, nicht jedoch angemessen verfolgt.
Für den Geschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, dokumentieren die Zahlen "das Versagen des Rechtsstaats in der digitalen Welt". Schwerstkriminalität wie Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs und terroristische Inhalte entfernten die Netzwerke ohnehin rasch von ihren Plattformen. "Dafür hätte es den tiefen Grundrechtseingriff durch das NetzDG nicht gebraucht", sagt Rohleder. Die Beantwortung schwieriger juristischer Fragen aber etwa an der Grenze von freier Meinungsäußerung, Satire und Straftaten dürfe der Staat nicht an Mitarbeiter privatwirtschaftlicher Unternehmen delegieren. Das Normenwerk sei "verfassungswidrig, unverhältnismäßig und schadet mehr als es nutzt". Es gehöre abgeschafft.
NetzDG wird als überflüssig betitelt
"Das NetzDG ist und bleibt ein überflüssiges Gesetz" und eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit im Netz, sagt auch Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des eco-Verbands der Internetwirtschaft. Die Statistiken zeigten, dass sich das Löschaufkommen durch das NetzDG nicht maßgeblich verändert habe. Dass die Betreiber mehr löschten, sei auf "extrem verbesserte Technologien sowie ein gesteigertes Problembewusstsein" zurückzuführen. Meldungen zum NetzDG fielen in der Gesamtbilanz kaum ins Gewicht.
Gemessen an der Intensität des Eingriffs in die Meinungsfreiheit sei das Gesetz rechtsstaatlich "schlicht untragbar", konstatiert der Digitalexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin. Als "Höhepunkt der Sinnlosigkeit" bezeichnete er die Tatsache, dass die durch das NetzDG blockierten Inhalte "nur für den Zugriff aus Deutschland gesperrt sind". Die Grünen-Verbraucherpolitikerin Renate Künast lobte, dass das Gesetz die Unternehmen zumindest dazu gebracht habe, "mehr geschultes Personal einzustellen". Es gebe aber eine Vielzahl an rechtlich komplizierten Fällen. Daher sollten die Plattformen Nutzern die Möglichkeit geben, "gegen eine Sperrung Widerspruch einzulegen und eine erneute Prüfung zu verlangen". Damit könnte auch die Gefahr des Overblocking, also "der Verletzung der Meinungsfreiheit" gebannt werden.
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Naja, man hat bei der Bildung gespart und wundert sich nun wie die "Dumme" Masse...
Das ist anti demokratisch.
Über die man ja reden könnte. Die man mir Argumenten, weiteren Statistiken und Logik...
Du hast dich letztlich egal wo im Internet dem Hausrecht sprich AGB's zu unterwerfen...