Keine Smoking Guns

Die Betonung liegt allerdings auf "einzelnen". Eindeutig bedenkliche Nanomaterialien bildeten bislang die Ausnahme, sagen Frank von der Kammer von der Universität Wien und Harald Krug von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt im schweizerischen St. Gallen. Die beiden haben, finanziert vom Verband der Chemischen Industrie, die nanotoxikologische Fachliteratur ausgewertet - insgesamt mehrere Tausend Artikel. "Es zeigten sich keine Smoking Guns, das heißt keine Stoffe, die in Nanogröße hochtoxisch geworden wären", sagt der Umweltchemiker von der Kammer. Er hat jene Studien untersucht, die sich mit der Umweltwirkung von Nanomaterialien befassten.

Es sei bislang mit Ausnahme der Kohlenstoff-Nanoröhrchen kein Nanomaterial gefunden worden, "das Bedenken macht, die auch nur in die Richtung von Giften wie Cadmium oder Asbest gehen", bekräftigt Krug, der jene Studien auswertete, die sich den Gesundheitswirkungen widmeten. Die ansonsten gefundenen toxischen Effekte seien eher mild.

Als Entwarnung wollen die beiden diesen Befund aber nicht verstanden wissen. Denn mangelhafte Qualität eines Großteils der bisherigen Toxikologiestudien und noch offene Wissenslücken verböten bislang das Beziffern des Risikos, das von Nanomaterialien tatsächlich ausgehe.

Experten beklagen schlampige Risikoforschung

Krug und von der Kammer üben deutliche Kritik an ihren Kollegen. Die meisten bisher durchgeführten Studien seien "mehr vom Gleichen", urteilt von der Kammer. So zeigten die Nanos trotz einiger besorgniserregender Befunde nichts Überraschendes. Silber-Nanopartikel geben zwar giftige Silberionen ab. Das tun aber auch größere Silberpartikel. Wenig überrascht zeigt sich von der Kammer auch davon, dass Cadmium enthaltende Quantenpunkte das giftige Element abgeben oder dass Titandioxid-Nanopartikel unter Sonneneinstrahlung die Bildung freier Radikale katalysieren, die wiederum entzündlich wirken. "Der Effekt ist seit langem bekannt und die Nanopartikel in Sonnencremes werden deshalb mit einer Schutzschicht versehen", sagt von der Kammer.

Das Gros der Studien genüge nicht den Standards toxikologischer Forschung, kritisiert Krug. Sie verwendeten beispielsweise nur einzelne, meist sehr hohe Dosierungen, anstatt zu untersuchen, wie die Wirkung sich mit unterschiedlichen Dosen verändert. Da in der Natur oder im Körper meist wesentlich niedrigere Dosen zu erwarten seien, taugten die Studien nicht für eine präzise Risikoabschätzung. Eine solche sei aufgrund der Datenlage derzeit gar nicht möglich. Krug beklagt, dass in Deutschland in der Vergangenheit viele Toxikologie-Lehrstühle aufgelöst worden seien. "Diese Leute könnte man jetzt für eine professionelle Nanotoxikologie gebrauchen", findet er und fordert, wieder neue Stellen zu schaffen.

Die harsche Kritik von Krug und von der Kammer teilen nicht alle Nanotoxikologen. Wolfgang Parak von der Universität Marburg, Mitherausgeber des Fachjournals ACS Nano, weist etwa darauf hin, dass Risikoforscher bei einigen Nanomaterialien Zusammenhänge zwischen physikalischen Eigenschaften und der Toxizität gefunden hätten. So fand der US-Forscher Andre Nel heraus, dass die Toxizität verschiedener Halbleiter-Nanopartikel durch die sogenannte Bandlücke, eine Größe, die die elektrischen und optischen Eigenschaften eines Halbleiters bestimmt, beeinflusst wird. Wissen dieser Art ermöglicht es, Nanomaterialien in Gefahrenklassen einzuordnen und die Risikoforschung entsprechend zu priorisieren.

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 Nanotechnologie: Die unbekannten TeilchenWissenslücken in essenziellen Fragen 
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Netzweltler 24. Okt 2014

Denn je größer und unkontrollierter die Verbreitung, desto größer die Gefahr eines...

golam 20. Okt 2014

reim dir ein was du willst. Davon hat niemand gesprochen. Es wahr ein Beispiel dafür...

plutoniumsulfat 17. Okt 2014

komplexere und größere Moleküle verhalten sich bei Wechselwirkungen allerdings anders ;)

plutoniumsulfat 14. Okt 2014

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