Nahverkehr: Vergesst den Fahrplan!
Im schwäbischen Schorndorf bei Stuttgart stellt das DLR den öffentlichen Nahverkehr auf den Kopf. Busse verkehren dort in Zukunft nicht mehr nach Fahrplan, sondern nach Bedarf.

Gehen Sie bitte weiter, sagt der Busfahrer. Nur: wohin im überfüllten Bus? Wohl dem, der in der Randzeit fahren kann. Dann fährt der Bus noch nach dem gleichen Takt wie zur Stoßzeit, der Fahrgast hat ihn aber für sich allein. Auch bei Regen bietet sich der Bus als Transportmittel etwa zum wichtigen Arzttermin an. Doch leider ist gerade einer weggefahren, und mit dem nachfolgenden ist der Termin nicht zu schaffen.
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Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) ist eine praktische Einrichtung. Doch leider machen die Verkehrsbetriebe den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel nicht immer leicht. Das System ist recht unflexibel, der Fahrgast muss sich dem Angebot anpassen und äußere Gegebenheiten wie etwa das Wetter können nur ungenügend berücksichtigt werden. Da steigen viele lieber gleich ins eigene Auto.
Wie aber wäre es, wenn der Bus kommt, wenn er gebraucht wird? Wenn er nicht seine Route abspult und eine Haltestelle nach der anderen ansteuert? Sondern die Passagiere dort einsammelt, wo sie sich gerade befinden?
Bus soll attraktiver werden
Was höchst ungewöhnlich klingt, ist das Konzept des Reallabors Schorndorf, eines Projekts des Bereichs Verkehr beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). In Schorndorf, einer Mittelstadt bei Stuttgart mit knapp 40.000 Einwohnern, sollen Busse in Zukunft nicht mehr nach Fahrplan, sondern nach Fahrgastaufkommen verkehren. Neben dem DLR und der Stadt Schorndorf sind noch die Hochschule Esslingen, das Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (Zirius), Knauss Linienbusse und der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) beteiligt. Versuche mit solchen Rufbussen gab es schon früher, etwa Ende der 1970er-Jahre in Friedrichshafen am Bodensee.
"Wir entwickeln in Schorndorf ein haltestellenloses Quartiersbussystem", sagt Projektleiter Matthias Klötzke im Gespräch mit Golem.de. "Damit wollen wir die nächste Generation des öffentlichen Personennahverkehrs einläuten."
App ersetzt Fahrplan
Die Fahrgäste sollen den Bus rufen, wenn sie ihn brauchen. Über eine App melden sie dem System, wann sie wohin fahren möchten. Ein Computer berechnet aus den eingehenden Fahrtwünschen eine Route für den Bus und wann dieser losfahren muss. Dann teilt er den Passagieren mit, wann und wo sie den Bus bekommen. Das kann direkt vor der eigenen Haustür sein. Es kann aber auch sein, dass der Fahrgast ein kurzes Stück laufen muss.
Das System wird also eine Mischung aus Bus und Taxi sein. "Der Unterschied zum Taxi ist, dass ich nicht direkt von meinem Standort zum Zielpunkt gefahren werde, sondern dass auf dem Weg noch weitere Passagiere eingesammelt und abgesetzt werden können", sagt Klötzke.
Reaktionszeit muss kurz sein
Welchen Vorlauf das haben wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen. "Wenn ich einen Fahrtwunsch eingebe und ich liege auf der Route, dann könnte das auch zwei Minuten vor der Ankunft des Busses noch klappen", sagt Klötzke.
Etwas mehr Vorlauf werden die Passagiere aber im Normalfall einkalkulieren müssen. Wie viel, das hängt unter anderem von der Dauer des Umlaufs, der Zahl der Busse und der Verkehrssituation ab. Auf keinen Fall dürfe es so sein, dass ein Fahrtwunsch Stunden vorher oder gar am Vorabend angemeldet werden müsse. "Wir versuchen, die Reaktionszeit, die wir brauchen, um die Routen festzulegen, so weit es geht zu minimieren."
Busse sollen nicht mehr leer fahren
Ein Ziel des Projekts ist, die zur Verfügung stehenden Busse effizienter einzusetzen. Das gilt vor allem für die Randzeiten. In Stoßzeiten, wenn Schüler und Pendler unterwegs sind, sind die Busse voll. In den Randzeiten oder am Wochenende hingegen sind sie oft weitgehend leer.
Außerhalb der Hauptverkehrszeiten sollen statt der großen Busse kleinere Fahrzeuge unterwegs sein, die für etwa 30 Passagiere ausgelegt sind. Das ist ökonomisch und ökologisch sinnvoller, als große Busse fahren zu lassen. Wird der Takt dem Bedarf angepasst und nicht umgekehrt, macht das den Bus zudem für die Schorndorfer attraktiver als bisher.
Das zumindest ist das Kalkül. Immerhin: Das Konzept wird nicht von oben verordnet.
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