Nach Google Stadia: Ist das Cloudgame schon over?

Google Stadia war ein Flop. Wir haben Spieleentwickler gefragt, ob das Cloudgaming trotzdem noch eine Zukunft hat.

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Google hat sich verzockt.
Google hat sich verzockt. (Bild: Sigmund/Unsplash)

So richtig überrascht waren die Wenigsten, als Google am 29. September das Ende seines Cloudgamingdienstes Stadia ankündigte. Der 2019 mit viel Tamtam gestartete Vorstoß in die Spielebranche hat sich für den Internetkonzern allem Anschein nach als Flop herausgestellt. Nun liegt Stadia auf dem Friedhof aller Produkte, die Google über die Jahre getötet hat.

"Ich glaube, mittelfristig hat das in Deutschland keine Chance", sagt Fabian Boulegue von Aerosoft über die Zukunft Cloudgaming. Der Head of Producing des deutschen Entwicklers und Publishers hatte bis zuletzt mit Google Kontakt, um ihre Spiele auf die Cloud-Plattform zu portieren. So wie er stellen viele nach dem Ende von Stadia die Frage, ob der Internetkonzern mit seinen per Stream übertragenen Videospielen zu früh dran war.

Derweil drängt mit Amazon schon der nächste Internetkonzern auf den Spielemarkt. Noch ist dessen Cloudgaming-Dienst Luna nur in den USA verfügbar, der weltweite Launch ist aber nur eine Frage der Zeit. Aber wann ist die Zeit für das Cloudgaming gekommen?

Gute Zusammenarbeit, wenig Geld

Stadia ist schon der zweite Cloud-Dienst, der in diesem Jahr die Abschaltung seiner Server verkündete. Im Februar stellte die Telekom Magenta Gaming ein (g+). Beide Dienste waren ungefähr gleichzeitig gestartet. "Also wenn es die Telekom nicht schafft, wer sollte es dann in Deutschland schaffen?", fragt Boulegue.

Dass zwei so große Konzerne ihren Vorstoß in die Spielebranche nach ein paar Jahren schon wieder aufgeben, unterstreicht für Boulegue, wie schwierig es zu sein scheint. Sowohl mit Google als auch mit der Telekom hatte Aerosoft eine "gute Zusammenarbeit". Aber es sei verständlich, "dass sie es nicht weiterführen, wenn es kein Geld bringt", sagt er.

Er sieht den Anwendungsfall für Cloudgaming, aber schätzt die Zielgruppe noch als zu klein ein. "Dass Google keinen Gewinn gemacht hat, ist für mich das Zeichen, dass es sich vielleicht noch nicht lohnt."

Der deutsche Markt tickt anders

Dass der große Durchbruch bisher ausgeblieben ist, hat in Deutschland auch ganz praktische Gründe, glaubt Boulegue. "Wir bewegen uns gerade beim Internetausbau erst in diese Richtung, dass überall eine Leitung verfügbar ist, mit der Spiele so auch Spaß machen", sagt er.

Denn während die einzige Standortfrage nach dem Kauf einer neuen Playstation 5 ist, ob die sperrige Konsole unter den Fernseher passt, hängt die Performance bei Diensten wie Geforce Now von einer schnellen und stabilen Internetleitung ab.

Auch wenn laut dem Branchenverband Game schon mehr als acht Millionen Deutsche Cloudgaming ausprobiert haben, ist der Umsatz mit entsprechenden Angeboten 2021 leicht zurückgegangen.

Boulegue kann sich vorstellen, dass viele Kunden trotz rückgängiger Verkaufszahlen von Datenträgern noch nicht bereit sind, ihre Spielekäufe komplett in die Cloud auszulagern. "Nicht umsonst haben wir immer noch auch Box-Produkte", sagt der Head of Producing von Aerosoft. "Die Leute gehen gerade für Simulatoren immer noch in den Elektronikmarkt rein."

"Es ist nie einfach, eine neue Technologie einzuführen"

Auch wenn das Cloudgaming noch in den Kinderschuhen stecke, sehen die Entwickler von Muse Games langfristig viel Potenzial für Spieler. Das Studio aus New York hatte sein kooperatives Multiplayerspiel Embr auf Stadia veröffentlicht und damit gute Erfahrungen gemacht - zumindest bis der Dienst urplötzlich eingestellt wurde.

"Es ist nie einfach, eine neue Technologie einzuführen", sagt Howard Tsao, der Gründer von Muse Games. Für einen Erfolg sei die Technologie sicher entscheidend. Letztendlich sei die aber nur dazu da, um die Inhalte auszuliefern, um die es eigentlich geht: die Spiele.

Der Erfolg neuer Plattformen war stets denen zu verdanken. "Bei Steam, Xbox, Playstation und Switch ist ein großer Teil des Erfolgs auf die Popularität ihrer exklusiven First-Party-Titel wie Portal, Half Life, Halo, Super Smash Bros und God of War zurückzuführen", sagt Tsao. "Und das erfordert Zeit und Investitionen", zu denen Google letztendlich nicht bereit war.

"Seit 20 Jahren versucht man, den Desktop-PC abzuschaffen"

Bedenken gegenüber der Technik scheinen (eine ausreichend schnelle Internetleitung vorausgesetzt) hingegen größtenteils ausgeräumt zu sein. Google Stadia habe auch den Skeptikern bei Muse Games die letzten Zweifel genommen.

Das Technologie- und Servicemodell habe aber auch Nachteile. "Ich werde nicht versuchen, ein CS:GO-Highlight-Reel auf einer Cloud-Plattform zu erstellen", sagt Programmierer Matthew Niederberger. Obwohl Muse Games selbst Spiele auf Cloud-Plattformen veröffentlicht hatte, war er länger skeptisch als sein Chef. "Es ist schwer, ein Spiel wie Skyrim oder Minecraft zu verkaufen, bei dem der fehlende Zugriff auf die eigentlichen Assets und die Software Mods unmöglich macht."

Niederberger sieht im Cloudgaming eine Ergänzung zum bestehenden Markt und keine Technologie, die ihn auf absehbare Zeit komplett ersetzt. "Seit 20 Jahren versucht man, den Desktop-PC abzuschaffen, und doch ist der Markt für PC-Spiele größer als je zuvor", sagt er.

Eine Generationenfrage

Das könnte sich mit der Zeit aber ändern. Fabian Boulegue von Aerosoft glaubt, dass die jüngere Generation sich sehr viel stärker an digitale Inhalte per Abo gewöhnt hat. "Ich bin jetzt Mitte 30 und noch mit DVDs groß geworden", sagt er. "Meine Tochter ist neun, die hat noch nie eine CD irgendwo gesehen."

Entwickler und Publikum trauen sich eher langsam an solche Neuerungen heran. "Steam war so der erste Wechsel, der so stattgefunden", sagt er. Heute könne kein Publisher mehr auf die Download-Plattform verzichten. "Und so wird es sicherlich auch mit dem Cloudgaming in längerer Sicht sein."

Stadia geht, aber Amazon Luna kommt und Geforce Now und Microsofts Cloudgaming im Game Pass bleiben. Die Technologie des Cloudgaming hat weiter eine Zukunft. Aber sie ist wohl noch etwas weiter entfernt, als Googles Chefetage sich das erhofft hat.

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\pub\bash0r 03. Nov 2022

Die einzigen laufenden Kosten der XBox sind der Strom, den der Benutzer zahlt. Wenn der...

Tuxgamer12 03. Nov 2022

Leider ja nicht. Zum muss Nvidia ja trotzdem sich mit dem "Lizenzgedöns...

Tuxgamer12 03. Nov 2022

"bereits gekaufte Spiele" - wie soll denn das praktisch und lizenstechnisch...

mnementh 03. Nov 2022

Es gibt verschiedene Abstufungen von Ansprüchen, aber ja, nur eine Handvoll von...



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