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Modelleisenbahn: Schrumpf-Golems im H0-Wunderland

Hamburgs Miniatur Wunderland ist an sich schon eine Attraktion. Jetzt können sich Besucher auch noch hineinschrumpfen lassen. Wir haben es ausprobiert und waren begeistert.
/ Werner Pluta , Martin Wolf
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Ab ins Wunderland! (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
Ab ins Wunderland! Bild: Martin Wolf/Golem.de

Es sind nur ein paar Schritte bis zur sicheren Plattform. Aber sie führen über einen schmalen Balken, und links und rechts gähnt der Abgrund. Denn die Plattform befindet sich auf einem halb fertigen Brückenpfeiler hoch über einem Alpental. Ob der Kollege mit seinem Holzbein da sicher rüber kommt?

Moment: ein Holzbeiniger? Genauer gesagt: ein waschechter Pirat mit Dreispitz, Bart und Holzbein. Aber was in aller Welt macht der auf einer Brückenbaustelle in der Schweiz? Und wieso amüsiert er sich die ganze Zeit über meine Flügel? Und überhaupt: Sind wir nicht eben erst mit dem Zug durch den Grand Canyon gefahren?

In Wirklichkeit sind wir weder in der Schweiz noch in den USA, sondern in Hamburg. Dort probieren wir Yullbe Wunderland(öffnet im neuen Fenster) aus, ein neues Angebot des Miniatur Wunderlands(öffnet im neuen Fenster) (Miwula), das zum 1. April gestartet ist.

Besucher können eintauchen

Yullbe erfüllt den lange gehegten Wunsch vieler Miwula-Besucher: das Wunderland nicht mehr nur von oben zu betrachten, sondern darin einzutauchen und es auf Augenhöhe zu erkunden(öffnet im neuen Fenster) .

Yullbe Miniaturwunderland ausprobiert
Yullbe Miniaturwunderland ausprobiert (02:18)

Nun können wir uns schlecht auf ein 87-stel unserer Größe verkleinern. Die Erkundung der größten Modelleisenbahnanlage der Welt muss also anders gehen. Wenn nicht real, dann eben virtuell.

Und so beginnt der Trip mit einem Besuch einer Garderobe, in der uns das nötige Equipment angelegt wird: Tracker an Händen und Füßen, ein Rucksack mit einem Rechner und schließlich ein Helm mit einer VR-Brille. Insgesamt fünf Kilogramm Technik werden wir mit uns herumschleppen.

Nach einer kurzen Eingewöhnung und Kalibrierung, während der sich das dreiköpfige Golem.de-Team an einem realen Geländer festhält, das auch in der virtuellen Realität (VR) zu sehen ist, geht es los mit der VR-Experience. Noch sind wir drei nur einfache Avatare in Jeans und T-Shirt mit "I love Hamburg"-Aufdruck.

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Miwula schrumpft Golem.de-Team

Erste Station der Experience ist eine Einrichtung, die uns in Wunderland-Besucher verwandelt: Wir werden auf H0-Maßstab geschrumpft, aus den Einheitsavataren werden eine Art Pierrot mit einem Paddel in der Hand, der einbeinige Pirat und die geflügelte Fee.

Und los geht's: Über eine Lochblechplanke steigen wir in einen Zug. Hoffentlich bekommt der Pirat mit seinem Holzbein kein Problem. Der Zug setzt sich in Bewegung und wir durchqueren gleich eine der imposantesten Landschaften der ganzen Anlage: den Grand Canyon. Doch was zunächst wie eine ganz normale Zugfahrt durch das Miwula angelegt zu sein scheint, wird ziemlich schnell zu einem wilden Ritt durch die Welt der H0-Züge.

Ohne zu viel zu spoilern, lässt sich doch zumindest sagen, dass alle wichtigen Teile der Anlage besucht werden. Es geht aufwärts und abwärts, wir wechseln das Verkehrsmittel, gehen, fahren, fliegen. Immer wieder gibt es tolle Gimmicks und Effekte, die die Möglichkeiten von VR vorführen. Interaktionen sorgen für zusätzliche Abwechslung, etwa wenn wir erst einmal den Akku laden müssen, damit der Aufzug uns von dem Brückenpfeiler auf die Erde zurückbringt.

Kein Zweifel: Das Drehbuch stimmt.

Was tun, wenn alles stillsteht?

"Das Skript war ziemlich schnell da. Dafür haben wir drei Monate gebraucht" , erzählt uns Frederik Braun. Er hat mit seinem Zwillingsbruder Gerrit und mit Stephan Hertz im Jahr 2000 das Miniatur Wunderland gegründet. Die Umsetzung hat dann etwas länger gedauert. Für die Größe des Projekts aber auch nicht zu lange: Zwischen Idee und Eröffnung lagen gerade einmal zwei Jahre.

Im Frühjahr 2020 hat das Unternehmen neue Räume in einem zweiten Speicher bekommen. "Wir hatten diese Räume gemietet, mit der Perspektive: Da können wir zehn, zwanzig Jahre lang weiterbauen, ohne uns Sorgen um Platz machen zu müssen" , erzählt Braun. Doch dann kam der Lockdown - und damit die Angst, wie das alles weiter zu finanzieren wäre.

"Da haben wir überlegt: Können wir nicht irgendwas finden, was zumindest vorübergehend die Mietausgaben deckt?" , sagt Braun. Es war die Umsetzung eines Traums, den sie eigentlich von Anfang an gehegt hatten: sich ins Wunderland zu schrumpfen.

Die Investition schreckte nicht

Warum das also nicht in diesem Moment angehen - wo alles andere stillsteht? Nur: "Es war ziemlich schnell klar, dass das, was vorübergehend Mietausgaben decken soll, zwei Millionen Euro kostet." Doch zum Glück hat sich das Team davon nicht abschrecken lasen.

Während wir mit Braun sprechen, erkundet schon die nächste Gruppe das virtuelle Wunderland. Es ist lustig anzusehen, wie die an Astronauten erinnernden Menschen nebeneinander oder im Gänsemarsch hier entlang und da entlang, geradeaus oder im Viereck gehen.

Auch wenn wir das Gefühl hatten, lange Wege zurückgelegt zu haben, haben wir den rund 200 Quadratmeter großen Raum in Wirklichkeit nicht verlassen. Darin kann jede Gruppe eine andere Experience spielen. Zum Start wird neben der verrückten Schrumpftour noch die Mission: Rulantica(öffnet im neuen Fenster) angeboten, einem VR-Spiel in einer Wasserwelt. Weitere sind in Planung.

"Man kann alle gleichzeitig fahren" , sagt Braun. Die technische Ausstattung sowie die interaktiven Elemente wie Geländer oder Kurbel sind identisch und tauchen in allen Experiences auf.

Das Konzept stammt vom Europa-Park. Im Themenpark in Rust bei Freiburg im Breisgau können seit Sommer vergangenen Jahres virtuelle Welten erkundet werden. "Die Idee von Yullbe, also vom Europa-Park ist, dass das weltweit ausrollbar sein soll, mit diesen Anforderungen an die Raumgröße und -ausstattung."

Neu im Wunderland sind die Rüttelplatte für die Fahrt mit einer Lore durch einen Berg - die unvermeidliche Tunnelfahrt, die in keiner VR-Anwendung fehlen darf - und eine Kurbel. "Die anderen Elemente wie der Schalter dort sind der Mission: Rulantica schon drin" , erzählt Braun. Die Kurbel werde nachträglich in die Mission: Rulantica eingebaut.

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Zombies oder Knuffingen?

Die Idee ist, dass die Besucher entscheiden, welche Experience sie spielen wollen - wie im Kino. "Das heißt, der eine hat die Zombie-Apokalypse laufen, der andere das niedliche Wunderland" , sagt Braun, "und alle haben sie die identischen Laufwege, egal welche Experiences sie spielen."

Daraus habe sich auch eine der größten Herausforderungen ergeben: Säulen. Säulen? "Die Grundfläche im Europa-Park in Rust hat keine Säulen, wir haben Säulen" , sagt Braun. Damit die Spieler nicht versehentlich damit kollidieren, mussten in die Miwula-Version von Mission: Rulantica Säulen integriert werden. "Das heißt, die Version musste für uns geändert werden."

In der VR erscheint dort, wo die Spieler nicht hingehen sollten, ein rotes Gitternetz. Zur Sicherheit wurden die realen Säulen aber noch mit Schaumstoff gepolstert.

Um das alles umzusetzen, ist einiger technischer Aufwand nötig.

Das VR-Equipment

Die Experience selbst läuft auf dem Rucksackrechner des jeweiligen Spielers, einem VR Backpack G2 von Hewlett Packard (HP)(öffnet im neuen Fenster) , der dem von uns getesteten Omen ähnelt.

Darin arbeitet laut HP(öffnet im neuen Fenster) ein Intel-Prozessor vom Typ Core i7-8850H mit einer Taktfrequenz von 2,6 Gigahertz. Der Grafikchip ist eine Geforce RTX 2080 .

Wie der Rucksack-PC ist auch die Brille ein kommerzielles Produkt: eine Pimax 8K Plus(öffnet im neuen Fenster) . Den Helm hingegen hat der Europa-Park entwickelt.

Kameras beobachten die Spieler

Das Tracking der Spieler im realen Raum erfolgt optisch mit einem System von Vicon(öffnet im neuen Fenster) . Das britische Unternehmen hat unter anderem bei der Produktion des Star-Wars-Spinoffs The Mandalorian mitgearbeitet. 150 Kameras, die im ganzen Raum angeordnet sind, erfassen die Menschen.

Die Erkennung erfolgt über die Tracker an den Händen und Füßen, den Rucksack sowie über den Helm. Darauf sind jeweils kleine Infrarot-LEDs angebracht. "Der Computer entscheidet bei jedem Tracker, welche von den Punkten er anschaltet. Daraus ergibt sich dann ein individuelles Pattern, worüber er dann den Tracker erkennt" , erklärt Philip Rüd, Teamleiter bei Yullbe Wunderland.

Das Tracking-System läuft auf einem eigenen Server und ist in der Lage, bis zu 32 Personen zu verfolgen. Die Ortsdaten werden dann auf die Rucksäcke übertragen, damit die Mitglieder einer Gruppe einander sehen und miteinander interagieren können. Eine Gruppe bekommt aber nicht nur ihre eigenen Daten, sondern auch die aller anderen Personen im Raum.

Die sind zwar nicht sichtbar. Aber das System kann ungewollte Interaktionen wie Kollisionen verhindern: Sollte eine Gruppe sich beispielsweise zu langsam bewegen, kann das System Hinweise geben, dass sie sich beeilen soll. Oder das System kann warnen, falls eine Person aus irgendeinem Grund vom vorgesehenen Weg abweichen sollte.

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Die VR läuft auf der Unity-Engine

Die grafische Basis für das virtuelle Wunderland bildet die Unity-Engine, in der die aufwändig gescannten und modellierten 3D-Inhalte auf dem HP-Rechner laufen. Allerdings schafft er es nicht, die extrem scharfe Pimax-VR-Brille mit der nativen Auflösung von 8K zu beliefern, stattdessen beträgt sie etwa 2.800 x 1.700 Pixel.

So gibt es zwar keinen Fliegengitter-Effekt, Pixel sind dennoch sichtbar. Das tritt aber beim immersiven Gesamterlebnis in den Hintergrund. Wichtiger ist nämlich, dass die Bildrate stabil bei mindestens 90 Bildern pro Sekunde (fps) bleibt, was bei unserem Ausflug gut funktionierte.

Mit Strom wird das ganze VR-System von Akkus versorgt. Deren Laufzeit ist auf 30 Minuten begrenzt, was theoretisch für die ganze Experience reicht. Um Ausfällen vorzubeugen, tauscht ein Miwula-Mitarbeiter die Akkus etwa nach der Hälfte der Zeit aus. Das geschah derart schnell und unauffällig, dass es keine Unterbrechung gab. Einer aus unserem Team merkte es nicht einmal.

Anderes fiel uns eher auf.

Wie uns der Besuch gefallen hat

Wie die reale Anlage muss auch das virtuelle Wunderland den Qualitätsansprüchen genügen. In die reale Anlage steckt das Team um die Brauns ja sehr viel Mühe, Liebe und technische Kreativität, wie uns Gerrit bei unserem ersten Besuch erzählte . Klar, dass da auch in der virtuellen Welt keine Kompromisse gemacht werden.

Und auch nicht gemacht werden können: Die Besucher kämen aus der realen Anlage oben und hätten sich da alles genau angeschaut. "Dann wollen sie das Gleiche in einer guten Qualität im Kleinen sehen" , sagt Braun. "Das heißt, die Grafik spielt schon eine Rolle."

Vieles von der Anlage sei gefilmt oder in 360 Grad gescannt worden, erzählt Braun. Bei manchen Elementen habe das aber nicht funktioniert. So sei manches am Computer erzeugt oder, zum Beispiel einige Bäume, gezeichnet worden.

Der Fahrtwind fehlt noch

Wir nahmen jedoch bei unserem Besuch wenige Tage vor der Eröffnung noch einige virtuelle Baustellen wahr: So gab es mitunter noch Platzhalter in der Grafik.

IT im Miniaturwunderland - Bericht
IT im Miniaturwunderland - Bericht (02:07)

Es fehlten einige Elemente, zum Beispiel die Schienen bei der Fahrt mit der Lore. Die Ventilatoren, die für den Fahrtwind sorgen sollen, waren noch nicht angeschlossen. Und: Eine riesige Maus drang mit dem Kopf durch eine verschlossene Tür.

Diese Details störten uns nur wenig. Sie sollten bis zur Premiere auch behoben sein, versichert Braun. Vieles werde den Gästen auch gar nicht auffallen. "Für uns gibt es da aber noch so eine Liste, was jetzt noch alles kommt." Mit dem bei Miwula üblichen Perfektionismus: Wo lässt sich die Grafik noch etwas verbessern? Wo kann man noch eine Überraschung für den Besucher einbauen? Wo fehlt noch Sound oder muss verändert werden?

Baustellen hin, Details her: Uns hat die Umsetzung schon jetzt gefallen. Der virtuelle Besuch führte durch die Highlights der Anlage, die Immersion war überzeugend, die Effekte, Gimmicks und Interaktionen funktionierten bis zum grandiosen Schlusseffekt. Langeweile kam im virtuellen Miwula ebenso wenig auf wie im realen. Auch wichtig: Es gab keine Seekrankheit , und das obwohl ein Mitglied unserer Gruppe extrem anfällig dafür ist.

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Wir waren doch nur kurz... - oh!

Einzig mit dem Equipment wurde es gegen Ende etwas mühsam. Fünf Kilo sind doch recht viel, und die Rechner emittieren viel Wärme. Die Golem.de-Gruppe war sich aber einig, dass das höchst unterhaltsame zehn Minuten waren - und wurde von den Miwula-Mitarbeitern gleich belehrt: "Zehn Minuten? Ihr wart eine halbe Stunde drin." So eine kurze halbe Stunde erlebt man selten.

Das Yullbe Wunderland ist seit dem 1. April für die Öffentlichkeit zugänglich. Neben der halbstündigen Pro-Experience(öffnet im neuen Fenster) Die verrückte Schrumpftour und Mission: Rulantica gibt es noch die drei zehnminütige Go-Experiences(öffnet im neuen Fenster) Walking in Wunderland, Ed & Edda sowie Alpha Mods.

Das Go-Erlebnis kostet einzeln 12 Euro und in Kombination mit einem Besuch im Wunderland 30 Euro. Der Preis für ein Pro-Erlebnis liegt bei 29 Euro, für das Kombiticket bei 45 Euro.


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