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Mobile Smart Factory: Fabrik to go

Ersatzteile können unter Umständen schwer zu beschaffen sein. In der Mobile Smart Factory können sie vor Ort 3D-gedruckt werden.
/ Werner Pluta
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Mobile Smart Factory (auf der SMM in Hamburg): Fabrik im Standardcontainer (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
Mobile Smart Factory (auf der SMM in Hamburg): Fabrik im Standardcontainer Bild: Werner Pluta/Golem.de

Was tun, wenn auf hoher See am Schiff etwas kaputt geht? Oder in einer Mine im australischen Outback? Warten, bis das Ersatzteil kommt? Daniel Beck hat eine bessere Idee: Er schlägt vor, das Teil vor Ort zu bauen, und zwar mithilfe einer mobilen Fabrik.

"Das Produkt heißt Mobile Smart Factory" , sagt Beck, Geschäftsführer von Bionic Production(öffnet im neuen Fenster) . "Das ist im Grunde genommen ein mobiler 3D-Drucker im Container, der aber auch zerspanende Bearbeitung machen kann." Das Lüneburger Unternehmen hat ihn kürzlich auf der SMM, einer Fachmesse für Schiffbau, Maschinenbau und Meerestechnik in Hamburg, vorgestellt.

Untergebracht ist die Mobile Smart Factory(öffnet im neuen Fenster) in zwei 20-Fuß-Standardcontainern. In dem einen Container befinden sich das Büro und das Materiallager der Fabrik. Vom Rechner aus wird der Produktionsprozess gesteuert. Mit einem 3D-Scanner kann ein Vorbild für neue Werkstücke digitalisiert werden. Ein kunststoffverarbeitender 3D-Drucker kann bei Bedarf Prototypen herstellen.

Es können verschiedene Werkzeuge eingesetzt werden

In dem anderen Container befindet sich die eigentliche Produktionseinheit. Sie besteht aus einer 6-Achs-Maschine, in die verschiedene Werkzeuge eingesetzt werden können. Im ersten Schritt wird das Werkstück per Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) aufgebaut.

Das ist ein Warm-3D-Druckverfahren, bei dem ein Metalldraht per Lichtbogenschweißen verarbeitet wird. So wird - ähnlich wie im herkömmlichen Schmelzschichtungsverfahren (Fused Deposition Modeling, FDM) - Schicht für Schicht ein Werkstück aufgebaut. Die Maschine verarbeitet die unterschiedlichsten Metalle, Aluminium ebenso wie verschiedene Stähle.

Allerdings kann es die Präzision des Verfahrens nicht mit einem per FDM oder gar per selektivem Laserschmelzen (Selective Laser Melting, SLM) hergestellten Objekt aufnehmen. Dafür gibt es in der Mobile Smart Factory einen zweiten Produktionsschritt: In die Maschine wird eine Fräse eingesetzt, die das Werkstück feinmodelliert.

Die Fräse sorgt für mehr Präzision

"Wir haben erstmal ein relativ grobes Aufschweißverfahren - das liegt in der Natur des Verfahrens" , erzählt Beck. Aber durch das Präzisionsfräsen werde eine Auflösung von 6 bis 10 Mikrometern erreicht. In der Mobile Smart Factory können Objekte mit einem Durchmesser von 70 Zentimetern und einer Höhe von 450 Zentimetern Höhe gefertigt werden.

Vorteil der Fabrik sei, dass sie einfach transportiert werden könne, sagt Beck: auf einem Lkw, auf einem Schiff, per Bahn. "Das ganze System ist also hochgradig mobil." Die Energieversorgung geschieht dann über einen 63-Ampere-Anschluss. Falls es vor Ort keinen Strom gibt oder das lokale Stromnetz nicht stabil genug ist, kann ein dritter Container mit einem Generator aufgestellt werden.

Für wen ist die Mobile Smart Factory denn nun gedacht?

Wer kauft eine Mobile Smart Factory?

Beck sieht zwei Anwendungsbereiche: Im Zivilen sind das Unternehmen, bei denen der Ausfall eines Systems hohe Stillstandkosten verursacht. Wenn etwa in einer Mine nicht mehr abgebaut werden kann, können die Ausfallkosten schnell mehrere zehn- bis hunderttausend Euro am Tag betragen. Was ist, wenn an einem Schiff auf hoher See ein Schaden entsteht oder auf einer Ölplattform?

Auch eine fehlende Infrastruktur, um Ersatzteile heranzuschaffen, oder aufwendige Formalitäten mit Behörden können den Einsatz der mobilen Fabrik rechtfertigen. "Das sind die zivilen Bereiche, wo wir Use Cases jetzt schon sehen."

Schließlich verringert ihre Anwesenheit die Notwendigkeit, Ersatzteile mitzunehmen und vorzuhalten. Statt der Teile werden Drähte mitgeführt, aus denen bei Bedarf Teile gefertigt werden. Ähnliche Überlegungen haben vor einigen Jahren dazu geführt, einen 3D-Drucker auf die Internationale Raumstation zu bringen .

Das Militär profitiert vom 3D-Druck

Der zweite Anwendungsbereich für das System ist das Militär, das darauf angewiesen sei, Ersatzteile möglichst schnell dezentral weltweit herzustellen, um die Einsatzbereitschaft und die Verfügbarkeit der eigenen Systeme zu gewährleisten. Gleichzeitig müsse eine solche Produktionsstätte in kurzer Zeit verladen und an einen anderen Standort verlegt werden können.

Mobile Smart Factory - Bionic Production
Mobile Smart Factory - Bionic Production (02:47)

Das hat die US-Armee schon vor einiger Zeit erkannt. Eine inzwischen aufgelöste Versorgungseinheit richtete während des Afghanistankrieges mehrere solcher Containerfabriken ein. Allerdings war deren Einrichtung weniger ausgefeilt als die der Mobile Smart Factory. So verfügten die Container der US-Armee nur über einen 3D-Drucker, der Kunststoff verarbeitete.

Zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro kostet laut Beck eine Mobile Smart Factory, je nach Ausstattung. Denn es könnten auch Werkzeuge für andere Produktionsverfahren integriert werden. Auch sei es möglich, mehrere Systeme zu einem Multi-Container-Setup zu kombinieren.

Theoretisch zumindest. Denn: "Das ist das erste System, das existiert" , sagt Beck. "Wir bauen gerade ein zweites. Beide Systeme sind voll aktiv. Wir produzieren also schon Teile damit."

Bionic Production gehört zur Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), die einen Teil des Hamburger Hafens betreibt.

Die HHLA setzt auf 3D-Druck

Die HHLA testet eine Reihe von modernen Technologien. So ist der Hafen beispielsweise seit vergangenem Jahr ein Reallabor für den Drohneneinsatz .

Seit knapp 20 Jahren werden auf dem Containerterminal Altenwerder (CTA) Container vollautomatisiert umgeschlagen . Zudem versucht die HHLA, Transporte im Hafen zu automatisieren: Im vergangenen Jahr gab es einen Test mit einem automatisiert fahrenden Lkw .

Künftig könnten Container nicht mehr von Lkw, sondern von Magnetschwebefahrzeugen abtransportiert werden: Im vergangenen Jahr hat das bayerische Unternehmen Max Bögl für einige Monate eine Teststrecke für ein Magnetschwebetransportmittel aufgebaut. Zudem erwähnt die HHLA den Bau einer Hyperloop-Trasse .

Die HHLA hat auch die Vorteile von 3D-Druck erkannt und nutzt solche Verfahren. So bietet das Unternehmen eine entsprechende Zusatzqualifizierung im Rahmen der Mechatronikausbildung(öffnet im neuen Fenster) an. Dazu passt die Mobile Smart Factory.

CTA Hamburg - Bericht
CTA Hamburg - Bericht (01:44)

Kunden können sie kaufen oder mieten. "Wir versuchen, das System zu verkaufen. Wir schulen den Kunden, damit er imstande ist, selber autark Teile für sich zu fertigen" , sagt Beck. Es soll aber auch Mietmodelle geben, bei denen eine Fabrik im Container auch für einen begrenzten Zeitraum genutzt werden kann.

Beck geht davon aus, dass Bionic Production die erste Mobile Smart Factory Anfang kommenden Jahres verkauft.


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