Das Dilemma mit der Offenheit
Ganz lassen sich Belästigungen wohl nicht verhindern, entscheidend sei der Umgang damit, meint Leonhard Dobusch, Organisationsforscher an der Uni Innsbruck, der seit langem die Chancen und Tücken des großen Kollaborationsprojekts beobachtet. Dass die Wikimedia-Stiftung eine solche Studie durchgeführt hat und das Problem wirklich ernst nimmt, könnte aber schon der Anfang einer Lösung sein.
Er glaubt, dass das Problem nicht unbedingt Wikipedia-spezifisch sei, sondern eher ein typisches Phänomen solcher Communities: "Schrankenlose Offenheit bedeutet auch Offenheit für destruktive Mitglieder, die zwar in der Minderheit sind, aber dennoch das gesamte Klima vergiften. Eine zentrale Stärke der Wikipedia, ihre völlige Offenheit für Beiträge, wird im Kontext von Belästigungen und problematischer Kultur zur Achillesferse." Paradoxerweise könne es notwendig sein, diese durch stärkere und strengere Moderation einzuschränken, vielleicht auch durch hauptamtliche Community-Manager, um Wikipedia so wieder attraktiver zu machen.
Je unfreundlicher der Umgangston in einer Online-Community sei, desto eher würden Neulinge im Allgemeinen und weibliche Beitragende im Besonderen abgeschreckt. Wenn von zehn Männern auf Wikipedia neun freundlich und kooperativ sind, sich nur einer aber unerträglich und sexistisch verhalte, werde das Frauen trotzdem fernhalten. Gerade angesichts des Rückgangs an Aktiven und der Schwierigkeit, mehr weibliche Beitragende zu gewinnen, müsste man einen möglichen Zusammenhang zwischen Belästigung und Autorenschwund im Auge behalten. "Immerhin ist das Projekt rein ehrenamtlich, und es gibt Tausende Möglichkeiten, die Freizeit anderweitig zu verbringen. Da muss sich niemand auf Wikipedia anpöbeln lassen."
Sperrung, Entsperrung, Sperrung
Michael Kühntopf wurde 2010 immer wieder gesperrt, aus wechselnden Gründen. Er hatte sich durchaus etwas zuschulden kommen lassen und nach Meinung einiger ein Wikipedia-Kardinalverbrechen begangen: Er hatte mehrere Bücher publiziert und dort kleine und größere Passagen aus Wikipedia-Artikeln zitiert, ohne die vorgeschriebenen Autoren- und Lizenzangaben. Und Kühntopf hat in Diskussionen durchaus auch selbst ausgeteilt, er ist nach Eigenaussage "niemand, der einfach so klein beigibt."
In verschiedenen Sperrdiskussionen, die schon ab 2008 begannen, wurden ihm nicht nur "Wiederholte Verstöße gegen das Urheberrecht" vorgeworfen, sondern auch "Beteiligung an einem Edit-War", ein Verstoß gegen das Wikipedia-Gebot "Keine persönlichen Angriffe", und dass er in Diskussionen Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber anderen Autoren geäußert hatte. Im Frühjahr und Sommer 2011 ging es dann hin und her, wie in seinem Benutzersperr-Logbuch dokumentiert ist. Schon im März hatte er unter dem Eindruck des schwierigen Klimas auf Wikipedia einen Fork namens Jewiki gegründet, auf dem er seitdem zusammen mit anderen Ehemaligen schreibt.
Auf Wikipedia wurde Kühntopf gesperrt, mal für sechs Stunden, mal für zwei Tage, mal unbegrenzt. Der Bann wurde rückgängig gemacht und dann doch wieder hergestellt. Am 5. Juli 2011 legte er seinen letzten Artikel an und bat am 14. Juli dann selbst um seine endgültige Sperrung, weil er in dem Hin und Her keinen Sinn mehr sah: "Ich hatte die Nase voll und habe mir gedacht: Ich gehe freiwillig."
In einem Pilotprojekt mit Narando vertonen wir in den kommenden Wochen zwei bis drei Golem.de-Artikel pro Woche. Die Texte werden nicht von Robotern, sondern von professionellen Sprechern vorgelesen. Über Feedback unserer Zuhörer freuen wir uns - im Forum oder an redaktion@golem.de.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Anderen das Leben schwer machen |
Könntest du deine Herleitung bitte bei PlusPedia eintragen, damit deine Arbeit nicht...
Deswegen verbringe ich meine Freizeit lieber bei OpenStreetMap als bei dieser...
Bei OpenStreetMap gibt es keine hanebüchenen Relevanzkriterien, sondern nur eine...
Offenbar ein ER, und zwar ein Troll wie aus dem Buche. Scheinbar gibt es seiner Meinung...