Militär: Deutsche Rüstungs-Start-ups setzen auf autonome KI-Systeme

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat sich in der deutschen Rüstungsindustrie einiges getan. Ganz im Sinne des Verteidigungsministers Boris Pistorius(öffnet im neuen Fenster) , der bereits in der letzten Legislaturperiode forderte, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden, sind in den vergangenen Jahren neben etablierten Playern wie Rheinmetall zahlreiche Start-ups im Rüstungsbereich entstanden. Mit ihren Produkten, bei denen sie vor allem auf künstliche Intelligenz und autonome Systeme setzen, passen sie sich einer veränderten Realität der Kriegsführung an, in der Drohnen eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Diese Entwicklung markiert einen Wendepunkt, nicht zuletzt, weil der Einsatz von Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) in Deutschland lange ein kontrovers diskutiertes Thema war. Das zeigte sich unter anderem in der Debatte um die Anschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen im Jahr 2014(öffnet im neuen Fenster) . Vor dem Hintergrund lohnt sich ein genauer Blick: Welche Arten von Drohnen und anderen autonomen Systemen produzieren die deutschen Rüstungs-Start-ups? Was steckt technisch dahinter und wie beeinflussen diese Systeme die Fähigkeiten der Bundeswehr?
Drohne ist nicht gleich Drohne
Die neuen Rüstungspioniere entwickeln unbemannte Systeme für unterschiedliche Einsatzumgebungen, deren Schwerpunkt aktuell auf UAVs liegt, also auf Drohnen. Bei der Verwendung des Begriffs Drohne ist allerdings Vorsicht geboten, denn er fasst zwei Arten von UAVs zusammen, deren Einsatzzwecke sich voneinander unterscheiden: die ISR-Drohnen (Intelligence, Surveillance and Reconnaissance) und die sogenannte Loitering Munition (herumlungernde Munition), auch bekannt als Kamikaze-Drohnen.
ISR-Drohnen dienen der Aufklärung, beispielsweise der Erfassung von Gelände, Infrastruktur und gegnerischen Truppenbewegungen sowie der Identifikation von Zielen. Entsprechend sind sie mit Kameras und zahlreichen Sensoren ausgestattet, üblicherweise jedoch nicht mit Waffen. Es gibt Ausnahmen wie die bewaffnungsfähige Drohne Heron TP.
Die Loitering Munition ist für den Kampfeinsatz gedacht und bleibt nach dem Start so lange in der Luft, bis ein Angriffsbefehl erfolgt. Der kann, je nach System, auf externen beziehungsweise programmierten Daten basieren oder auf einer autonomen Zielerfassung. Anders als ISR-Drohnen sind diese Systeme nicht für den Wiedereinsatz vorgesehen, sondern als Einwegwaffe und werden beim Einschlag zerstört.
Senkrechtstarter made in Bayern
Eines der Unternehmen, das sich auf die Entwicklung moderner ISR-Drohnen spezialisiert hat, ist das bayerische Start-up Quantum Systems. Es wurde 2015 von dem ehemaligen Bundeswehroffizier und Ingenieur Florian Seibel gegründet. Dass UAV-Portfolio des Unternehmens beruht auf einem Patent für eine senkrechtstartende Drohne, ein eVTOL-System(öffnet im neuen Fenster) (electric Vertical Take-Off and Landing).
Ursprünglich mit dem Ziel gestartet, durch Luftüberwachung zivile Projekte wie den Naturschutz in Namibia zu unterstützen(öffnet im neuen Fenster) , produziert Quantum Systems heute vorwiegend ISR-Drohnen für militärische Zwecke.
Das Portfolio des Unternehmens umfasst Systeme für verschiedene Einsatzszenarien und Reichweiten. Für den Nahbereich, zum Beispiel unmittelbar an der Frontlinie, bietet es mit Twister(öffnet im neuen Fenster) eine kompakte Short-Range-Drohne an, die mit einer Flugzeit von rund 90 Minuten in einem Radius von 15 Kilometern genutzt werden kann. Eine mittlere Reichweite bis zu 60 Kilometern decken bei einer Flugzeit zwischen zwei und drei Stunden die als Zwei-in-Eins-System konzipierten UAVs Vector und Scorpion ab.
Eine Flugdauer bis zu 18 Stunden
Beide Modelle haben den gleichen Rumpf und können mit geringem Aufwand umkonfiguriert werden, sei es als Starrflügeldrohne (Vector) oder als Multikopter mit drei Rotoren (Scorpion). Für Langstreckenmissionen wurde mit Reliant im vergangenen Jahr ein weiteres Senkrechtstarter-Modell vorgestellt(öffnet im neuen Fenster) , das für Einsätze mit einer Dauer von vier bis zehn Stunden ausgelegt ist.
Alle Modelle haben gemeinsam, dass sie nicht auf eine ständige Datenverbindung angewiesen sind, sondern mittels On-Board-KI autonom fliegen, Informationen erfassen und Ziele identifizieren können, auch in Gebieten ohne GPS-Signal oder mit gestörter Kommunikation.
Darüber hinaus arbeitet Quantum Systems aktuell an einem neuen UAV-Modell für besonders umfangreiche Aufklärungsmissionen. Die ISR-Drohne mit dem Namen Goliath soll nach Informationen des Militärportals Hartpunkt(öffnet im neuen Fenster) eine Flugdauer bis zu 18 Stunden erreichen.
Ein Spin-off entwickelt Loitering Munition für die Nato
Aus dem Umfeld von Quantum Systems ist im Jahr 2024 mit Stark Defence ein weiteres Rüstungs-Start-up hervorgegangen, dessen Schwerpunkt nicht die Aufklärung ist, sondern die Entwicklung bewaffneter Drohnen. Gegründet unter der Mitwirkung von Florian Seibel, dem CEO von Quantum Systems, ist es das Ziel des Unternehmens(öffnet im neuen Fenster) , die technologische Überlegenheit der Nato und deren Verbündeten zu stärken.
Kernprodukt des Spin-offs(öffnet im neuen Fenster) mit Standorten unter anderem in Berlin, München und Kiew, ist Virtus, ein senkrechtstartendes Loitering-Munition-System. Es ist in weniger als zehn Minuten einsatzbereit, kann fünf Kilogramm an Nutzlast transportieren und erreicht Ziele in bis zu 100 km Entfernung.
Analog zu den ISR-Drohnen von Quantum Systems ist auch Virtus resilient gegen elektronischer Kriegsführung und arbeitet mithilfe des KI-basierten Steuerungssystems Minerva(öffnet im neuen Fenster) zuverlässig autonom. Dass Virtus eigenständig Ziele erfassen kann, bedeutet jedoch nicht, dass Angriffe automatisiert erfolgen - dazu ist noch immer eine explizite, menschliche Freigabe erforderlich.
Formal befindet sich die ursprünglich gegründete Stark GmbH laut Handelsregister(öffnet im neuen Fenster) seit Anfang 2025 in Liquidation. Operativ scheint die Marke allerdings weitergeführt beziehungsweise umstrukturiert zu werden: Im Impressum der Unternehmenswebseite wird die SKD SE(öffnet im neuen Fenster) mit Sitz in Berlin genannt. Deren Internetauftritt erinnert an das Corporate Design von Stark Defence, die wiederum ist im Lobbyregister des Bundestags(öffnet im neuen Fenster) als Akteurin im Verteidigungsbereich aufgeführt.
Europäische Lieferketten und kontinuierliche Verbesserung der Systeme
Sowohl bewaffnete autonome Systeme als auch solche zur Aufklärung entwickelt das 2021 in München gegründete Unternehmen Helsing(öffnet im neuen Fenster) . Der mittlerweile als Europäische Aktiengesellschaft (SE) firmierende Rüstungshersteller setzt auf künstliche Intelligenz und offene Schnittstellen zur einfachen Integration in bestehende militärische Plattformen.
Im Bereich der Loitering Munition bietet Helsing mit der HX-2 ein senkrechtstartendes UAV mit einer Reichweite von bis zu 100 km an. Analog zu Virtus von Stark Defence ist die HX-2 auf den Betrieb in gestörten Umgebungen ausgelegt, arbeitet mit KI-gestützter Navigation und Zielerfassung und führt Angriffe ebenfalls ausschließlich nach einer expliziten Freigabe durch.
Mehr als 1.000 Drohnen pro Monat
Produziert wird die HX-2 in sogenannten Resilienzfabriken(öffnet im neuen Fenster) , die in ganz Europa aufgebaut werden sollen, um die europäische Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Eine solche Fabrik gibt es in Süddeutschland, dort werden mehr als 1.000 Drohnen pro Monat gefertigt. Ermöglicht wird diese Kapazität mit Software Defined Defence: Viele Systemfunktionen sind auf Softwarebasis realisiert und aktualisierbar, so dass komplexe Spezialhardware weitgehend überflüssig wird.
Außer UAVs entwickelt Helsing autonome Unterwassersysteme wie den Unterwassergleiter SG-1 Fathom, der zur Aufklärung und Überwachung großer Seegebiete(öffnet im neuen Fenster) dient. Anders als die meisten UAVs basiert das System nicht auf der Auswertung von Kameradaten, sondern verarbeitet mithilfe des On-board-KI-Systems Lura akustische Informationen, die von Sonaren oder anderen Unterwasserquellen stammen können.
Mit autonomen Bodenfahrzeugen durch unwegsames Terrain
Während viele neue Rüstungs-Start-ups zumindest teilweise auf unbemannte Systeme in der Luft setzen, konzentriert sich das 2023 in München gegründete Unternehmen Arx Robotics auf autonome Bodenfahrzeuge. Gegründet von drei ehemaligen Bundeswehrsoldaten entwickelt Arx mit der Gereon-Produktlinie(öffnet im neuen Fenster) ein modulares Dual-Use-System, das für militärische, humanitäre und kommerzielle Einsätze konzipiert ist.
Das Modell Gereon RCS dient als Transportplattform für Lasten bis zu 500 kg und lässt sich vielseitig einsetzen, unter anderem für logistische Zwecke, für die Evakuierung von Verwundeten und zur Aufklärung. Die autonomen Funktionen basieren auf der KI-gestützten Softwareplattform Mithra OS(öffnet im neuen Fenster) , die sich auch in bestehende Systeme integrieren lässt und diese nachträglich mit - teilweise - autonomen Fähigkeiten ausstattet.
Deutsche Rüstungsunternehmen testen Systeme in der Ukraine
Die Entwicklung autonomer Systeme und anderer moderner Rüstungsgüter endet nicht mit dem Beginn der Serienproduktion. Auch wenn die Hersteller ihre Produkte unter kontrollierten Bedingungen testen, zeigt sich deren tatsächliche Leistungsfähigkeit erst unter realen Einsatzbedingungen.
Aus dem Grund wenden deutsche Rüstungs-Start-ups ihre Entwicklungen gezielt dort an, wo Kampfhandlungen stattfinden. Nach konkreten Rückmeldungen der Streitkräfte können die Geräte kontinuierlich verbessert werden.
Die Aufklärungsdrohnen Vector und Scorpion von Quantum Systems sind in der Ukraine im Einsatz, ebenso die Loitering Munition HX-2 von Helsing. Nach Angaben des Unternehmens wurden bereits über 4.000 Drohnen an die Ukraine geliefert, Anfang 2025 wurde mit der Produktion weiterer 6.000 Stück(öffnet im neuen Fenster) begonnen.
Auch Stark Defence hat die Loitering Munition Virtus in der Ukraine getestet(öffnet im neuen Fenster) , Gleiches gilt für Arx Robotics. Für die unbemannten Bodenfahrzeuge der Gereon-Reihe wird vor Ort ein Technik- und Wartungszentrum unterhalten, in dem basierend auf Feedback aus dem Einsatz unmittelbare Anpassungen vorgenommen werden können (PDF)(öffnet im neuen Fenster) .
Als weiterer Akteur ist das Start-up Donaustahl in der Ukraine aktiv, das mit der Kamikaze-Drohne Maus(öffnet im neuen Fenster) eine kosteneffiziente Loitering Munition entwickelt hat. Die aus Holz gefertigte Plattform wird laut Medienberichten(öffnet im neuen Fenster) in enger Kooperation mit ukrainischen Einheiten erprobt und weiterentwickelt(öffnet im neuen Fenster) . Anders als bei den Systemen anderer Unternehmen befindet sich die Integration einer KI-basierten Zielerkennungssoftware allerdings noch im Teststadium.
Drohnen nehmen ihre Umgebung durch zahlreiche Sensoren wahr
Dass die autonomen Systeme der neuen deutschen Rüstungshersteller in umkämpften und elektromagnetisch gestörten Umgebungen wie der Ukraine so zuverlässig operieren können, liegt vor allem an der umfangreichen Sensorik, mit der sie ausgestattet sind. Moderne militärische UAVs kombinieren visuelle Informationen mit zahlreichen anderen Sensordaten: Infrarotsensoren liefern thermische Bilder, Lidar-Sensoren erfassen die Umgebung dreidimensional, Radar ermöglicht Tiefensicht auch bei schlechten Witterungsbedingungen und Inertialsensoren messen Neigung und Beschleunigung der Drohne.
Auch akustische Sensoren können eingesetzt werden, etwa im Unterwassergleiter SG-1 Fathom von Helsing oder in den Drohnen von Quantum Systems, in die sie im Laufe des Jahres flächendeckend integriert werden sollen(öffnet im neuen Fenster) .
All diese Datenströme werden in Echtzeit zusammengeführt (Sensor Fusion) und mit künstlicher Intelligenz zu einem sogenannten Weltmodell zusammengeführt. Auf dessen Grundlage kann das System navigieren, Objekte erkennen oder Bedrohungen einschätzen, auch ohne auf eine Verbindung mit externen Quellen angewiesen zu sein.
Das Verfahren der gleichzeitigen Kartierung beziehungsweise Modellerstellung und Selbstlokalisation innerhalb des Modells wird als Simultaneous Localization and Mapping (Slam) bezeichnet und findet nicht nur im militärischen Kontext Anwendung, sondern auch bei autonomen Systemen im zivilen Bereich.
Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie Slam durchgeführt werden kann, abhängig davon, wie viele Informationen über ein Gebiet bekannt sind und welche Sensoren im jeweiligen UAV verbaut sind. Eine ausführliche Einführung ist hier (PDF)(öffnet im neuen Fenster) zu finden. Die meisten Verfahren lassen sich jedoch in zwei zentrale Verarbeitungsschritte unterteilen, die fortlaufend wiederholt werden.
Zunächst erfolgt eine Erkennung von Features - von markanten Orientierungspunkten wie Gebäuden, Geländeformen oder Baumgruppen. Im zweiten Schritt werden aufgrund dieser Merkmale die eigene Position und das Bewegungsprofil berechnet. Zu dem Zweck wird ein Pose Graph aufgebaut, eine Art Positionsverlauf, der mit jedem neuen Beobachtungsschritt aktualisiert wird.
On-board-KI ermöglicht Objekt- und Zielerkennung in Echtzeit
Die Feature-Erkennung ist für Slam und für die Zielerfassung notwendig und erfolgt mithilfe künstlicher Intelligenz. Zum Einsatz kommen spezialisierte KI-Modelle, die für die Objekterkennung in Echtzeit entwickelt wurden und ressourcenschonend arbeiten. Welche Modelle in militärischen Systemen wie Scorpion, Vector, Virtus, HX-2 oder Gereon eingesetzt werden, geben die Hersteller aus Sicherheitsgründen nicht bekannt.
Es lohnt aber, sich den Stand der Technik im zivilen Bereich anzusehen. Bei der visuellen Objekterkennung gelten zurzeit vor allem Modelle aus der Yolo-Reihe(öffnet im neuen Fenster) (You Only Look Once) als führend. Wie der Name nahelegt, zeichnen diese sich dadurch aus, dass jedes Bild in einem einzigen Verarbeitungsschritt ausgewertet wird.
Auch Modelle, die vergleichsweise wenig Ressourcen benötigen, erfordern eine leistungsfähige Hardware, die eine Echtzeitauswertung der Daten ermöglicht. Bei Scorpion und Vector von Quantum Systems leisten dies zwei Hochleistungs-KI-Module aus der Jetson-Orin-Familie von Nvidia(öffnet im neuen Fenster) . Welche Hardware in den anderen vorgestellten UAVs verbaut ist, machen die Unternehmen nicht transparent.
Kritische Entscheidungen muss immer noch der Mensch treffen
Trotz Autonomie und KI-Analysen in Echtzeit dürfen die bewaffneten Drohnen der deutschen Rüstungsunternehmen nicht eigenständig über Leben und Tod entscheiden. Ein System kann Vorschläge machen, etwa in Bezug auf mögliche Ziele. Dennoch gibt immer ein Mensch, der sogenannte Human-in-the-Loop, den Befehl zum Angriff.
Damit entsprechen die Hersteller unter anderem der Forderung nach einem verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz, der Bestandteil der KI-Strategie der Nato(öffnet im neuen Fenster) ist. Stark äußert diesbezüglich explizit(öffnet im neuen Fenster) , dass man sich an den Nato-Prinzipien für den ethischen Einsatz künstlicher Intelligenz orientiere und "ethische, rechtliche und operative Standards" von Anfang an bei der Entwicklung neuer Systeme mitdenke.
Doch sichert der menschliche Faktor zwangsläufig einen ethischen KI-Einsatz, auch bei der Supervision von Loitering Munition? Das Start-up Helsing scheint daran zu zweifeln und beschäftigt sich nach eigenen Angaben(öffnet im neuen Fenster) intensiv damit, wie Menschen die Vorschläge oder Entscheidungen künstlicher Intelligenz beurteilen und welche Rolle dabei Faktoren wie kognitive Belastung, Müdigkeit und UX-Design spielen.
Die Frage, wie frei und eigenständig menschliche Entscheidungen über Vorschläge von KI-Waffensystemen sind, analysierte der Informatiker Rainer Rehak in einem Vortrag auf der Republica 2025(öffnet im neuen Fenster) . Auch bei Golem wurden bereits ethische Aspekte der KI-basierten Kriegsführung und der Rolle des Menschen diskutiert.
Künstliche Intelligenz ist auch bei der Bundeswehr angekommen
Dass ethische Fragen in Deutschland eine große Rolle spielen, zeigt die eingangs erwähnte Debatte um die Anschaffung bewaffungsfähiger Drohnen. Die veränderte Sicherheitslage und die Fortschritte in der Rüstungsindustrie zwingen jedoch inzwischen auch die Bundeswehr, sich intensiver mit dem ambivalenten Thema künstliche Intelligenz auseinanderzusetzen.
Das Bataillon Elektronische Kampfführung 912 betreibt ein eigenes KI-Labor(öffnet im neuen Fenster) , in dem die Entwicklung von Lösungen zur Automatisierung interner Prozesse und die Vermittlung von digitalen Kompetenzen im Mittelpunkt stehen.
Einblicken des Portals Netzpolitik.org zufolge(öffnet im neuen Fenster) bewegen sich die dort entwickelten Systeme aktuell aber eher im Rahmen von Technologien, die auch auf dem zivilen Markt verfügbar sind.
Ein ambitionierteres Vorhaben ist das geplante Projekt Uranos KI , bei dem die Ostflanke der Nato mittels künstlicher Intelligenz überwacht werden soll.
Was die aktuelle Drohnenflotte der Bundeswehr angeht, sieht es beim Thema KI eher dürftig aus. Zur Aufklärung im Nahbereich stehen die manuell zu steuernden Modelle Black Hornet, Mikado und Aladin zur Verfügung(öffnet im neuen Fenster) ; dazu die Drohne Luna von Rheinmetall(öffnet im neuen Fenster) , die nur auf programmierten Routen autonom fliegen kann.
Bewaffnungsfähige Drohnen, fünf German Heron TP(öffnet im neuen Fenster) , mietet die Bundeswehr aktuell von Israel; eine davon überwacht zurzeit im Rahmen der Nato-Mission Baltic Sentry die Ostsee(öffnet im neuen Fenster) , um Datenkabel und Pipelines zu schützen. Autonom navigieren kann auch die German Heron TP ausschließlich auf vorgegebenen Routen. Gleiches gilt für die von der Bundeswehr verwendete Loitering Munition aus der Hero-Reihe von Rheinmetall(öffnet im neuen Fenster) .
Obwohl die deutschen Rüstungs-Start-ups mit deren KI-Innovationen international zu den Vorreitern gehören, spiegelt sich das in der Ausrüstung der Bundeswehr bislang noch nicht wider. Das dürfte sich in Kürze ändern: Eine Anschaffung kleinerer Mengen der HX-2 von Helsing und der Virtus von Stark ist zu Testzwecken geplant(öffnet im neuen Fenster) ; potenziell könnte diese auch eine Bestellung höherer Stückzahlen nach sich ziehen und so die deutschen Verteidigungsfähigkeiten an eine neue Art der Kriegsführung anpassen.
Autonome Systeme sollten stärker reguliert werden
Um die Modernisierung der Ausrüstung zu beschleunigen, hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr festgelegt(öffnet im neuen Fenster) , dass Loitering Munition als Munition und nicht als UAV zu verstehen sei, auch wenn es sich technisch gesehen durchaus um eine Drohne handele. Mit dieser Neudefinition könnten Entwicklungs- und Beschaffungsprozesse schneller vonstattengehen, da in Bezug auf Munition andere Regularien gelten als für unbemannte Fluggeräte.
Gerade solche Abgrenzungsfragen zeigen angesichts der zahlreichen neu entwickelten Systeme ein grundlegendes Problem auf: Die bestehenden Regelwerke passen nicht zum technologischen Fortschritt heutiger Realität. Insbesondere fehlt in Deutschland eine verbindliche Leitlinie für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im militärischen Kontext.
Bislang keine einheitliche Regelung
Die europäische Gesetzgebung bietet hier ebenfalls keine Hilfe, denn vom EU AI Act sind militärische Anwendungen ausgenommen(öffnet im neuen Fenster) . Auch international gibt es bisher keine einheitliche Regelung. UN-Generalsekretär António Guterres fordert(öffnet im neuen Fenster) daher ein rechtsverbindliches Abkommen bis 2026, das autonome Waffen ohne menschliche Kontrolle verbietet und klare Regeln für alle anderen autonomen Waffensysteme schafft.
Die Debatte dazu wird derzeit in einer UN-Arbeitsgruppe geführt(öffnet im neuen Fenster) . Auch Deutschland sollte sich eingehender mit dem Thema beschäftigen, zumal Verteidigungs- und Sicherheitspolitik niemals ohne ethisches Fundament gedacht werden sollten.
Lea Schönberger https://www.linkedin.com/in/leaschoenberger/ ist promovierte Informatikerin und freie Wissenschaftskommunikatorin.



