Microsoft und Google: Verlage fordern Lizenzgebühren für Chatbot-Nutzung
Chatbots könnten künftig die Lektüre von Zeitungsartikeln überflüssig machen. Das bedroht das Geschäftsmodell von Verlagen - trotz des Leistungsschutzrechts.

Bei dem geplanten Einsatz von Chatprogrammen zur Ergänzung von Suchmaschinen droht eine neue Debatte um das Leistungsschutzrecht. "Eine Verwertung von Verlagsangeboten durch KI-Sprachmodule für die Veröffentlichung konkurrierender Inhalte ist unseres Erachtens nur mit einer Lizenz des Verlages zulässig", zitiert der Tagesspiegel aus einer gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbands der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und des Medienverbands der freien Presse (MVFP).
Ähnlich äußerte sich die Verwertungsgesellschaft Corint Media, die zahlreiche Verlage bei der Verwertung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger vertritt. "Sollten Presseinhalte von Chatbots genutzt werden, muss eine angemessene Vergütung an die Rechteinhaber gezahlt werden", sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Die Verlegerverbände fordern zudem: "Es muss sichergestellt werden, dass die KI nicht die Leistung der Verlage und ihrer Redaktionen ausbeuten kann."
Programme wie ChatGPT, das inzwischen in Microsofts Suchmaschine Bing integriert wurde, werden auf sehr großen Datensätzen von Texten vortrainiert. Diese werden unter anderem aus dem Internet gewonnen. Darüber greift das Programm auch auf kostenpflichtige Artikel aus Medien zu, um auf deren Basis Antworten generieren zu können.
Leistungsschutz auf Chatprogramme erweitern?
Wie das Magazin Wired berichtet, fürchten auch US-Medien wegen des Einsatzes von Chatbots um ihr Geschäftsmodell. Sollten Programme wie ChatGPT, wie unser Test gezeigt hat, den Klick auf die eigentliche Internetquelle überflüssig machen, könnten Verlage dadurch nicht nur viele Seitenbesucher, sondern auch Abonnenten verlieren. Nach Angaben von Wired kann man ChatGPT beispielsweise darum bitten, einen geschützten Artikel aus der New York Times zusammenzufassen.
Inwieweit eine solche Nutzung urheberrechtlich erlaubt ist, scheint unklar. Solange Artikel nicht vollständig oder in großen Teil unverändert wiedergegeben werden, ist eine Nutzung generell zulässig. Zwar sichert das im Jahr 2021 in Kraft getretene Leistungsschutzrecht einem Verlag das ausschließliche Recht zu, "seine Presseveröffentlichung im Ganzen oder in Teilen für die Online-Nutzung durch Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft öffentlich zugänglich zu machen und zu vervielfältigen".
Doch einschränkend heißt es auch, dass "die Nutzung der in einer Presseveröffentlichung enthaltenen Tatsachen" nicht lizenzpflichtig ist. Das heißt: Solange ein KI-Programm nur die Fakten eines Textes auswertet und paraphrasiert wiedergibt, wäre dies wohl auch nach dem aktuellen Wortlaut des Urheberrechtsgesetzes lizenzfrei zulässig.
Nach Ansicht von Corint Media könnte daher eine gesetzliche Anpassung erforderlich sein. "Möglicherweise muss der Gesetzgeber entsprechend der technologischen Entwicklungen rechtzeitig nachschärfen", sagte der Sprecher der Verwertungsgesellschaft dem Tagesspiegel. Das sehen auch die Verlage so. "Wenn das geltende Recht dafür keine hinreichende Handhabe enthalten sollte, muss es angepasst werden", heißt es in der Stellungnahme, die Golem.de vorliegt.
Droht eine Selbstbevorzugung der Dienste?
Darüber hinaus sehen die Verlage in dem neuen Suchmaschinenkonzept auch einen möglichen Wettbewerbsverstoß. "Wenn die Google-Suche eigene KI-Inhalte gegenüber konkurrierenden Verlagsinhalten in Ranking, Ausführlichkeit und Sichtbarkeit bevorzugt, ist das eine Selbstbegünstigung und Diskriminierung der Wettbewerber durch einen Monopolisten, die wie bei der Bevorzugung des nationalen Gesundheitsportals oder des eigenen Shopping-Dienstes untersagt werden muss", heißt es in der Stellungnahme.
Eine solche Bevorzugung des eigenen Angebots soll vor allem durch das neue Digitale-Märkte-Gesetz der EU erschwert werden. So heißt es in Artikel 6, Nummer 5 des Digital Market Acts (DMA): "Der Torwächter darf von ihm selbst angebotene Dienstleistungen und Produkte beim Ranking sowie bei der damit verbundenen Indexierung und dem damit verbundenen Auffinden gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten eines Dritten nicht bevorzugen."
Inwieweit das auf die neuen Angebote zutrifft, ist allerdings unklar. Schließlich sind die Antworten von Chatprogrammen nur entfernt mit Zeitungsartikeln und üblichen Suchergebnissen vergleichbar. Möglicherweise müssen Wettbewerbsbehörden und Gerichte am Ende klären, wie mit den neuen Anwendungen rechtlich umzugehen ist.
Nachtrag vom 13. Februar 2023, 15:15 Uhr
Nach Einschätzung der Verlage ermöglicht auch die gesetzliche Schranke für das sogenannte Text- und Data-Mining keine lizenzfreie Nutzung der Medieninhalte durch KI-Sprachmodule. "Diese erlaubt nur Vervielfältigungen für die automatisierte Analyse von rechtmäßig zugänglichen Werken, 'um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen'", heißt es unter Verweis auf Paragraf 44b Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes.
Selbst bei einem weiten Verständnis könne damit eine automatisierte Analyse für die Veröffentlichung von Konkurrenzinhalten zu den analysierten Verlagsangeboten nicht erlaubt sein. "Das wäre die Gestattung einer massiven Beeinträchtigung, ja weitgehenden Beseitigung der normalen Verwertung der geschützten redaktionellen Inhalte", schreiben die Verlage. Zu einer solchen Verletzung der berechtigten Interessen der geschützten Verlage und Autoren dürfe aber keine Schrankenanwendung führen.
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Ist halt die nächste große Technologie die durchs Dorf getrieben wird, weil man viel Geld...
Dann frage ich mich wofür die noch Geld haben wollen. Wäre ich ChatGPT, würde ich mir die...
Sein Verlagsname ist dobeldo. Wo meldet man sich nun wenn man Geld ohne Leistungen will...
Es gibt MEINER Meinung nach schon lange keinen guten Journalismus mehr, der objektiv ist...
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