Microsoft-Übernahme: Github wartet vergeblich auf einen Umbruch
Kaum eine Übernahme im IT-Sektor wird so kritisch beäugt wie die von Microsoft und Github. Zwei Welten treffen aufeinander: Der anzugtragende Goliath schluckt den jungen Nerd David. Auf Githubs Hauskonferenz Universe fehlt aber jegliches Zeichen von einem Umbruch.

Auf der großen Eröffnungsansprache bei Githubs Hauskonferenz Universe sitzen die Journalisten gierig im Kreis um die runde Bühne herum. Mit Spannung wird die erste Keynote beäugt: Wie wird der erste öffentliche Auftritt des Unternehmens wohl aussehen, nachdem im Juni bekanntwurde, dass Microsoft die Software-Entwicklungsplattform für 7,5 Milliarden US-Dollar kaufen möchte? Tragen die Redner auf einmal Anzug und werden die Präsentationen jetzt in Powerpoint gebaut?
Nichts davon passiert: Die Github-Chefetage spricht souverän und locker wie auch in den vergangenen Jahren. Die Leitthemen sind wie gewohnt Open Source und Diversität. Die größte Gemeinsamkeit bis zur Mitte der ersten Ansprache ist die starke geschäftliche und kulturelle Ausrichtung auf Entwickler, frei nach Steve Ballmer: "Developers, Developers, Developers."
Vergisst Github seine Stammkundschaft?
Aber dann auf einmal ein erstes Signal: Jason Warner präsentiert viele neue Features für Business-Kunden. Github-Enterprise-Instanzen (von großen Kunden selbst gehostet), Business-Cloud-Instanzen (privates Github in der Cloud) und Github.com werden stärker miteinander verbunden. Entwickler können ihre Mitarbeit in Enterprise-Instanzen nun auch anonymisiert in ihrem öffentlichen Profil anzeigen lassen. Außerdem kann die Suchfunktion auf Github.com jetzt auch die Business-Lösungen mit einbeziehen und Enterprise-Kunden können zukünftig ihre eigenen Lerninhalte im Learning Lab erstellen.
Also doch: Als Journalist möchte man hier direkt einen Zusammenhang herstellen. Das ist sie also jetzt - die Microsoft-Handschrift. "Github fokussiert sich nur noch auf zahlende Großkunden" oder "Github vergisst seine Stammkundschaft, die kleinen Entwickler" könnten die passenden Schlagzeilen lauten. Aber im Gespräch mit den zuständigen Mitarbeitern wird schnell klar, dass diese Änderungen schon lange vor dem Bekanntwerden der Microsoft-Übernahme auf den Weg gebracht wurden. Außerdem gibt es mit der Möglichkeit, Suggested Changes innerhalb von Pull Requests nun direkt im Browser zu übernehmen, sowie dem Token Scanning (automatische Erkennung von Token und Zugangsdaten, die unabsichtlich eingecheckt wurden) anschließend auch noch Neuheiten, die gleichermaßen für kleine wie große Entwickler attraktiv sind.
Julio Avalos, der Chief Strategy Officer des Unternehmens stellt später im Interview klar: "Bisher sind größtenteils nur unsere Anwälte mit der Übernahme beschäftigt. [...] Auf den Arbeitsalltag der meisten Mitarbeiter hat das bisher keinen Einfluss." Github wartet nämlich auf die Freigabe der Übernahme durch die europäischen Kartellbehörden. Diese soll noch in der gleichen Woche, aber nach der Konferenz erfolgen. Erst danach können die Unternehmen tatsächlich zusammenwachsen.
Ob nach diesem Termin ein großer kultureller Umbruch bei Github stattfindet, ist ebenfalls fraglich. Github soll angeblich mit großer Unabhängigkeit weiter existieren. Ob und welche Änderungen sich konkret ergeben, wird man erst bei der nächsten Universe-Konferenz beurteilen können.
Verkehrte Welt: Die Github-Plattform ist nicht Open Source
Journalisten und die Öffentlichkeit loben Microsoft in der Nadella-Ära für seinen starken Wandel und eine neue Offenheit: Gegenüber Linux, gegenüber Open Source und gegenüber modernen Arbeitsweisen. Ein Beispiel für diesen Wandel ist der beliebte Editor Visual Studio Code, der auf Github das Repository mit den meisten Open-Source-Unterstützern ist.
Wenn man diesen Sinneswandel bei Microsoft betrachtet, dann könnte man auch noch ein anderes Szenario für denkbar halten: Was, wenn Microsoft (das Paradebeispiel für Closed Source und Silo-Mentalität in den letzten Jahrzehnten) den Open-Source-Posterboy Github nun dazu bewegt, selbst noch offener zu werden? Denn trotz allen Loyalitätsbekundungen gegenüber der Open-Source-Mentalität gibt es ironischerweise ein Produkt, dessen Quelltext nach wie vor verschlossen bleibt: Github selbst.
Offenlegung: Golem.de hat auf Einladung von Github an der Universe-Konferenz in San Francisco teilgenommen. Die Reisekosten wurden zur Gänze von Github übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben Dritter; diese Offenlegung dient der Transparenz.
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Quatsch. Mit Google haben sie wirklich nicht viel gemein.
"wartet vergeblich auf einen Umbruch" und dann sinngemäß "die Übernahme muss noch...
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