Microlino: Der elektrische Kabinenroller mit Retro-Charme

Nenn es nicht Auto! Der elektrische Microlino ist die Isetta für das 21. Jahrhundert, mit einem Fahrgefühl wie in den 1950ern. Wir haben eine Runde durch Mainz gedreht.

Ein Hands-on von veröffentlicht am
Elektrokabinenroller Microlino: Wie komme ich hier wieder raus?
Elektrokabinenroller Microlino: Wie komme ich hier wieder raus? (Bild: Werner Pluta/Golem.de)

Klappe auf und eingestiegen: Das Schweizer Unternehmen Micro Mobility Systems hat den Kabinenroller Isetta wieder aufleben lassen. Nach der Verzögerung durch einen Rechtsstreit ist das Fahrzeug jetzt auf dem Markt. Wir sind eingestiegen und haben eine Runde durch Mainz gedreht.

Inhalt:
  1. Microlino: Der elektrische Kabinenroller mit Retro-Charme
  2. Microlino ist kein Auto
  3. Microlino: Verfügbarkeit und Fazit

Die Farbe ist recht kräftig: ein tiefdunkles Blau. Etwas mehr Pastell – und es würde einen nicht verwundern, wenn die Tür aufginge und im nächsten Moment Maria Schell und O. W. Fischer oder Cornelia Froboess und Peter Kraus ausstiegen. Denn das Fahrzeug kann die Ähnlichkeit zum historischen Vorbild, der Isetta, nicht leugnen. Fahrzeug wohlgemerkt, denn der Werbespruch für den Microlino lautet: "This is not a car!"

Was das bedeutet, wird schnell klar – schon beim Einsteigen: Die Tür ist vorne. Statt auf zwei Sitzen nehmen die Insassen auf einer Bank Platz, Stichwort: Knutschkugel. Wer hinter das Lenkrad will, sollte dabei zuerst einsteigen. Und selbst dann gehört etwas Akrobatik dazu, sich an der Lenksäule vorbeizuquetschen. Denn die ist, anders als bei der originalen Isetta, fest und klappt nicht mit der Tür zur Seite.

Immer kräftig auf die Bremse drücken

Auch das Fahrerlebnis ist retro, wie sich beim Abbiegen vom Gelände der Alten Lokhalle in Mainz, wohin die Schweizer zur Präsentation geladen hatten, auf die Straße zeigt: Ein sanftes Tippen auf das Bremspedal reicht nicht aus, um das kugelige Auto zum Stehen zu bringen. Hier heißt es, richtig durchzutreten.

Auf Bremskraftverstärker und ABS hat das Unternehmen ebenso verzichtet wie auf eine elektronische Fahrdynamikregelung und eine Servolenkung. Hier wird noch ordentlich am Lenkrad gekurbelt. Daran gewöhnt man sich, wie an das unverstärkte Bremsen, schnell – oder schnell wieder: Denn der Autor hat das Fahren auf Autos gelernt, deren einzige Elektronik im Radio steckte. Reduktion ist das Motto.

Das fällt auch bei der Geräuschentwicklung auf: Zeichnen sich andere Elektroautos durch sanftes Dahingleiten aus, ist hier deutlich zu hören, wie der Elektromotor arbeitet. Er sitzt an der Hinterachse, was trotz der gerade mal 12,5 Kilowatt Leistung einen ordentlichen Antritt ermöglicht, ist aber von der Fahrgastkabine offensichtlich nur durch eine dünne Kofferraumverkleidung getrennt.

So klingt der Microlino wie der Zweitakter unter den E-Autos. Ein Mitarbeiter des Generalimporteurs Astara klärt später auf, dass der Motor im Bereich zwischen 50 und 60 km/h am lautesten ist und dann bei steigender Geschwindigkeit wieder leiser wird. Ob das bei einem Auto, das in erster Linie für den Stadtverkehr gedacht ist, so sinnvoll ist?

Boombox und Smartphone-Halterung statt Infotainmentsystem

Ein Infotainmentsystem, das das Motorengeräusch übertönen könnte, gibt es im Microlino nicht. In den Fahrzeugen der Pioneer-Edition, die jetzt in Deutschland auf den Markt kommt, liegt stattdessen ein Bluetooth-Lautsprecher. Und für das Smartphone gibt es eine Halterung am Türgriff. Darunter befinden sich – immerhin – zwei USB-Stecker.

Viele Bedienelemente gibt es nicht: Links neben Fahrersitz gibt es den Fahrtregler mit drei Einstellungen: vorwärts, rückwärts, neutral. Am Berg sollte man das Fahrzeug aber auf keinen Fall in der Neutral-Stellung stehen lassen. Ohne eine automatische Parkbremse würde es unweigerlich davonrollen. Hier wird noch per Handbremse blockiert. Am Türgriff sitzt ein kleines Touchdisplay unter anderem für Lüftung, Heizung und das Öffnen der Heckklappe.

  • Elektrokleinfahrzeug Microlino von Micro Mobility Systems (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Gedacht ist die Elektro-Isetta in erster Linie als Pendel- und Stadtfahrzeug. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Das Kleinfahrzeug hat eine selbsttragende Karosserie, was für mehr Sicherheit sorgen soll und in dieser Klasse einzigartig ist. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Der Motor sitzt an der Hinterachse und hat eine Leistung von 12,5 Kilowatt. Damit schafft der Microlino immerhin 90 km/h. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Das Fahrzeug ist sehr leicht und und hat deshalb trotz eines kleinen Akkus eine recht große Reichweite. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Die Insassen sitzen nebeneinander auf einer Bank - Stichwort: Knutschkugel. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • In den Kofferraum sollen drei Getränkekisten passen. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Das Interieur ist sehr reduziert. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Das Display bietet wenig Informationen. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Der Fahrregler ist eines der wenigen Bedienelemente. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Hier ist alles retro - es gibt sogar eine Handbremse. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Die Lüftung wird über ein Minidisplay bedient. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Ein Radio gibt es nicht. Die Pioneer-Edition hat eine Boombox an Bord. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Statt eines Navigationssystems weist das Smartphone den Weg. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Praktisch: Die manuell einzustellenden Rückspiegel ... (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • ... sind gleichzeitig auch die Scheinwerfer. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Das Fahrzeug hat einen Typ-2-Stecker, lädt aber nur mit 2,6 Kilowatt. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Das Schweizer Unternehmen Micro Mobility Systems wurde bekannt durch den Scooter. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Version 1.0 des Microlino hatte noch eine Gitterrahmenkonstruktion. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Oliver Ouboter, einer der Söhne  von Firmengründer Wim Ouboter (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Farbe kommt später: Bei der regulären Version werden mehr Farben zur Auswahl stehen. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
  • Unser Eindruck war positiv gut. Nicht so gut gefallen hat uns der recht laute Antrieb und der Preis. (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
Elektrokleinfahrzeug Microlino von Micro Mobility Systems (Bild: Werner Pluta/Golem.de)

In der Mitte des Drehreglers sitzt ein Boost-Knopf für einen kurzen sportlichen Antritt gegen einen Verbrenner an der Ampel. Gekennzeichnet ist er als "Sport" und mit dem Piktogramm einer Rakete auf dem Dach des Kabinenrollers.

Wer wissen will, was im Verkehr hinter dem Fahrzeug los ist, muss nach rechts oder links schauen. Einen Innenspiegel gibt es nicht, nur zwei Außenspiegel, die manuell eingestellt werden müssen. Sie haben eine doppelte Funktion: Auf der Vorderseite sind die Frontscheinwerfer – zeitgemäß LEDs – integriert. Für die Belüftung gibt es Seitenfenster und ein Schiebedach, das natürlich von Hand geöffnet wird.

Alles in allem: Mit einem modernen Auto kann der Microlino nicht konkurrieren. Aber es ist ja auch keines.

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Microlino ist kein Auto 
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Laoban 07. Mai 2023 / Themenstart

ich hab kein Zweifel dass der Bedarf an solche Fahrzeuge gross ist, aber zu dem Preis...

BlueBird12 07. Mai 2023 / Themenstart

Nein. Jugendliche von reichen Eltern kriegen was gescheites vor die Tür gestellt. Die...

wasdeeh 06. Mai 2023 / Themenstart

Das Problem ist halt, dass der Microlino sich mit seinem Konzept eher im Weg steht. Wenn...

bplhkp 06. Mai 2023 / Themenstart

Seit dem Statement sind fast 20% Inflation draufgekommen und diverse Lieferkrisen. Wegen...

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