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MG4 im Test: Elektroauto? Normal, Digga!

Der MG4 ist ein relativ günstiges Elektroauto - für die Kompaktklasse. Wir sind mit dem Auto gefahren und können sagen: Es erfüllt seinen Zweck. Mehr aber auch nicht.
/ Werner Pluta
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Elektroauto MG4: ein MG, aber kein Roadster (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
Elektroauto MG4: ein MG, aber kein Roadster Bild: Werner Pluta/Golem.de

Elektroautos in der Kompaktklasse gibt es einige. Wir haben auch schon einige getestet, den Renault Mégane etwa oder den ID.3 von VW. Es sind schicke, aber auch teure Autos. Der chinesische Autokonzern Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) setzt den MG4 dagegen. Der ist zwar weniger mondän ausgestattet, aber dafür deutlich günstiger. Wir sind das Auto gefahren.

Mit der Automarke MG verbindet man am ehesten Sportwagen wie den MGA(öffnet im neuen Fenster) oder den MGB(öffnet im neuen Fenster) , die die Briten mit Unterbrechungen von den 1950ern bis in die 1990er hinein bauten: schnieke Zweisitzer, am besten noch mit offenem Verdeck.

Damit war jedoch um die Jahrtausendwende Schluss. Wegen des ausbleibenden Erfolgs verkaufte BMW nach wenigen Jahren die englische Marke Rover, zu der auch MG gehörte. Sie firmierte fortan als MG Rover Group, allerdings auch nicht lange: 2005 meldete der Hersteller Konkurs an, die chinesische Nanjing Automobile Group, die 2007 von SAIC übernommen wurde, kaufte die Marke.

MG baute nicht nur Sportwagen

SAIC baut weiter Autos unter der Traditionsmarke - aber keine Sportwagen. MG hatte auch früher nicht nur Sportwagen im Programm, sondern auch Allerweltsfahrzeuge wie den Metro(öffnet im neuen Fenster) oder den ZR(öffnet im neuen Fenster) .

MG 4 Probe gefahren
MG 4 Probe gefahren (03:10)

Unglücklicherweise haben sich die chinesischen Besitzer mit ihrer MG-Produktlinie eher an diesen Modellen orientiert als an den Sportwagen: Die MGs aus China sind konventionelle Sport Utility Vehicle (SUV) mit Verbrennungs- wie mit Elektroantrieb.

Der MG4(öffnet im neuen Fenster) ist ein SUV mit einem Coupé-Heck und das erste Modell auf der Modular Scalable Platform (MSP). Das ist die Elektro-Plattform des SAIC-Konzerns für Fahrzeuge mit unterschiedlichen Radständen, Spurweiten und Aufbauten sowie unterschiedlichen Akkupaketen. Für unseren Test hat der Hersteller uns die Standardvariante des MG4 zur Verfügung gestellt.

Das Auto ist knapp 4,30 m lang und knapp über 1,80 m breit. Der Radstand beträgt 2,7 m. Das Fahrzeug wiegt je nach Ausstattung zwischen gut 1,6 Tonnen und gut 1,8 Tonnen. Es hat einen 125 Kilowatt (kW) starken Heckantrieb und einen Akku mit einer Kapazität von 51 Kilowattstunden (kWh). Der Akku ist ja eine der teuersten Komponenten an einem Elektroauto - ein kleinerer Akku bedeutet demnach auch einen geringeren Preis.

Das Design ist eher konventionell: Auf Gimmicks wie versenkbare Türgriffe oder eine Projektion des Logos auf den Boden verzichten die Chinesen. Ausnahme sind einige Leuchtstreifen oben auf den Rücklichtern. Auch einige praktische Funktionen gibt es nicht, wie etwa die Rückspiegel, die beim Rückwärtsfahren automatisch gekippt werden, um einen besseren Blick nach hinten zu bekommen.

Der Innenraum ist geräumig

Der Innenraum macht einen geräumigen Eindruck. Dazu trägt vorne die niedrige Mittelkonsole bei, die tiefer als die Sitzfläche ist. Aus dem Armaturenbrett ragt nur ein kurzer Vorsprung, auf dem sich ein Lade-Pad für das Smartphone und der Fahrtregler befinden. Das ist ein Rad, das aus der Neutralstellung in der Mitte nach links oder rechts gedreht wird.

Unter dem Vorsprung sind USB-Stecker (USB-A und USB-C) angebracht, die allerdings etwas schlecht zu erreichen sind. Verwundert hat uns, dass auf der Rückseite der Sonnenblende auf der Beifahrerseite ein Spiegel fehlt.

Hinten ist bequem Platz für drei Personen. Auch die in der Mitte sitzt bequem und hat genug Fußraum, was nicht selbstverständlich ist. Für die drei Plätze auf der Rückbank steht ein USB-Anschluss zur Verfügung.

Das Bedienkonzept ist eher spartanisch: Unter dem zentralen Display befinden sich einige wenige Schalter, etwa für die Klimaanlage, den Warnblinker und die Home-Taste für das Infotainmentsystem. Weitere Schalter sowie zwei Vier-Wege-Tasten finden sich an den Lenkradspeichen, unter anderem für den Abstandsregeltempomat, die Musikregelung oder das Telefon.

Die meisten anderen Funktionen werden über das Display gesteuert.

Wie weit schafft es ein 51-kWh-Akku?

Praktisch ist ein aufgeräumter Home Screen, der in mehrere große Kacheln unterteilt ist: Temperaturregelung, Musik und Ladestand sind auf einen Blick erkennbar. Unpraktisch ist hingegen, dass einige Funktionen gut versteckt sind, etwa die Sitz- und Lenkradheizung: Die wird erst durch einen Klick auf die Kachel "Temperaturregelung" zugänglich. Dass sich dahinter noch ein Menü verbirgt, ist nicht intuitiv, weil es auf dem Home Screen Regler für Temperatur und Lüfter gibt.

Einen Schlüssel braucht man für das Auto nicht: Ein Sensor registriert, wenn jemand auf dem Fahrersitz Platz nimmt, und startet das Auto. Dafür, dass er nur einen 125 kW starken Motor hat, beschleunigt der MG4 ganz gut. Aber er ist kein Auto zum Rasen: Es braucht 7,7 Sekunden, um auf eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu kommen. Laut Tacho fährt das Auto 170 km/h - der Hersteller gibt die Höchstgeschwindigkeit mit 160 km/h an.

Der 51-kWh-Akku hält erwartungsgemäß nicht so lange: Für eine etwa 140 Kilometer lange Strecke hauptsächlich über Land verbrauchten wir 50 Prozent der Akkuladung, für eine 166 Kilometer lange Strecke auf der Autobahn 69 Prozent. Bei dieser Tour gab das Fahrzeug einen Verbrauch von 20,4 kWh pro 100 Kilometer an.

Geladen wird mit maximal 88 kW

Die maximale Ladeleistung beim Basismodell beträgt laut Hersteller 88 kW. Bei einem Ladestand von 31 Prozent kam das Fahrzeug an einem Schnelllader am Anfang auf knapp 54 kW, bei einer Außentemperatur im einstelligen Bereich. Nach 49 Minuten war der Akku von 31 auf 90 Prozent geladen. Bei einem anderen Ladestopp an einem Schnelllader brauchten wir 37 Minuten von einem Ladestand von 30 bis zu einem von 81 Prozent. Der Hersteller geht von 37 Minuten Ladezeit von 10 auf 80 Prozent aus.

Das ist nicht unbedingt berauschend. Auf der von uns zum Testen zuweilen genutzten Strecke von Hamburg nach Heidelberg hätten wir wohl mit einem Sicherheitspolster mindestens drei Ladestopps einlegen müssen. Wer öfter längere Strecken fährt, sollte eher zu einem der Modelle mit dem 64-kWh-Akku greifen, der zudem auch noch eine höhere Leistung aufnimmt: laut Hersteller 140 kW.

Negativ aufgefallen ist uns die eingeschränkte Sicht: Die Fenster sind eher klein geraten. Vor allem nach hinten hinaus ist wenig zu sehen: Wegen des Schräghecks ist die Heckscheibe relativ klein.

Die Kopfstützen sind im Weg

Die ohnehin schon eingeschränkte Sicht nach hinten wird durch die drei Kopfstützen der Rücksitze zusätzlich behindert. Selbst wenn sie ganz heruntergefahren sind, ragen sie noch recht weit in das Sichtfeld.

Unpraktisch ist das beim Einparken. Zwar warnt das Auto, wenn man sich einem rückwärtigen Hindernis nähert, sogar mit Entfernungsangabe. Eine Rückfahrkamera fehlt aber. Bei anderen von uns getesteten Fahrzeugen, die eine ähnlich kleine Heckscheibe haben, hat diese sich beim Rangieren als praktisch erwiesen.

Wichtige Merkmale für Autos heutzutage - Elektroautos zumal, bei denen das alte Unterscheidungsmerkmal Motor nicht mehr zählt - sind die Software und die Assistenzsysteme.

120 km/h in der Stadt

Zunächst: Unser Testwagen verfügte über kein On-Board-Navigationssystem. Erst in einer größeren Ausstattungsvariante gehört es dazu. Für unsere Fahrten nutzten wir deshalb Navigations-Apps auf dem Smartphone, um ans Ziel oder zum Lader zu finden.

An Assistenzsystemen verfügt das Fahrzeug über einen Abstandsregeltempomat, einen Lenkassistenten sowie über eine Verkehrszeichenerkennung. Letztere hat sich schon bei anderen Fahrzeugen, die wir getestet haben, als nicht immer zuverlässig erwiesen. Beim MG4 sollte man sie jedoch ganz abschalten.

Wir bekamen teilweise geradezu abenteuerliche Werte angezeigt: Auf einer Überlandfahrt war das System der Meinung, innerorts sei 60 km/h die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Außerhalb der geschlossenen Ortschaften hingegen hielt es 80 km/h für erlaubt. Ein echter Ausreißer waren 120 km/h mitten in Hamburg.

Der Tempomat erleichtert die Fahrt auf der Autobahn

Der Abstandsregeltempomat hingegen funktioniert recht gut. Auf der Autobahn erleichtert er die Fahrt. Da er nicht an die Verkehrszeichenerkennung gekoppelt ist, beschleunigte oder bremste das Fahrzeug nicht unerwartet, wenn eine Geschwindigkeitsbegrenzung falsch gedeutet wurde.

Auf der Autobahn gab es nur einmal eine Geisterbremsung - da fehlinterpretierten die Sensoren offensichtlich einen schräg vorausfahrenden Laster als Hindernis auf der eigenen Spur. An der Ampel bremste das System verlässlich hinter einem wartenden Fahrzeug und fuhr auch selbstständig wieder an.

Der Spurhalteassistent arbeitete nicht durchgehend zuverlässig. Teilweise reagierte er sehr spät, wenn das Auto schon fast die Spur verlassen hatte, korrigierte dann aber recht abrupt. Zuweilen mäanderte das Fahrzeug auf der Autobahn in der Spur und korrigierte dauernd nach. Bei einer Abendfahrt auf der Autobahn geschah das so penetrant, dass wir den Lenkassistenten lieber abschalteten.

Bei Baustellen funktionierte die Erkennung gelber Fahrbahnmarkierungen recht gut. Nur einmal kam es zu einer unangenehmen Situation: In einer Baustelle war die rechte Spur auf den Standstreifen verlegt. Als das Fahrzeug eine Abfahrt passierte, orientierte sich der Lenkassistent an der weißen Linie und zuckte nach rechts Richtung Ausfahrt.

Verfügbarkeit und Fazit

Der MG4 des chinesischen Konzerns SAIC ist bereits auf dem Markt. Die von uns getestete Standardvariante mit dem kleinen Akku kostet laut Website etwa 32.312 Euro. SAIC bietet den MG4 noch mit einem 64-kWh-Akku (Comfort, Luxury und XPower) sowie mit einem 77-kWh-Akku (Trophy Extended Range) an. Diese Versionen sind allerdings 4.000 bis 10.000 Euro teurer.

Fazit

Der MG4 ist ein günstiges Elektroauto der Kompaktklasse, das alltags-, allerdings nur bedingt langstreckentauglich ist. Größere Fehler fielen uns nur bei der Software auf, vor allem bei der Verkehrszeichenerkennung. Das wiederum ist etwas, das der Hersteller nachbessern und mit einem Update beheben kann.

Was für den MG4 spricht, ist sein Preis: Andere Fahrzeuge in der Klasse, etwa der Renault Mégane oder der VW ID.3 sind deutlich teurer. Der Mégane etwa kostet in der Basisversion 42.000 Euro.

Selbst der Opel Corsa ist teurer

Zugegeben: Die Konkurrenten bieten mehr, wie einen größeren Akku mit mehr Reichweite oder praktische Funktionen wie eine Rückfahrkamera. Wer allerdings beim Kauf eines Autos mehr auf den Preis als auf die Ausstattung schaut, ist mit dem MG4 gut bedient. Hier gibt es eine Kompaktklasse, die sogar weniger kostet als der elektrische Corsa von Opel.

Das Fazit ließe sich mit einem Satz zusammenfassen: Der MG4 ist ein Auto. Sprich: Es erfüllt seinen Zweck, bis zu fünf Personen von einem Ort zu einem anderen zu befördern. Begeistert hat es uns jedoch nicht - der Habenwollen-Effekt, den andere Elektroautos - nicht nur der Porsche Taycan - ausgelöst haben, ist ausgeblieben.

Aber vielleicht ist auch das eine wichtige Erkenntnis: Elektroautos sind nichts Besonderes mehr, sondern in der Normalität angekommen. Dafür steht der MG4: Er ist ein Auto, nicht weniger, aber auch nicht mehr.


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