Metaverse: Die Zukunft des Homeoffice ist kein virtuelles Büro
Mark Zuckerberg träumt vom Büro in der virtuellen Realität. An der echten geht seine Zukunftsvision allerdings vorbei.

Die Pandemie ist vorbei, oder wird trotz nach wie vor hoher Inzidenzen zumindest für beendet erklärt. Damit beenden viele Firmen auch das Experiment Homeoffice. Tech-Unternehmen wie Google und Apple bitten ihre Mitarbeiter wieder zurück ins gute alte Büro. Nur Mark Zuckerberg muss auf dem Arbeitsweg keine FFP2-Maske tragen, dafür aber eine VR-Brille.
Anders als viele Konkurrenten sieht der Facebook-Gründer und Meta-CEO in der Heimarbeit die Zukunft. Sein virtuelles Homeoffice-Büro ist allerdings durch ein Oculus Quest VR-Headset zugänglich. Das kann man mit einer Größe von vier Quadratmetern zwar nur schlecht von der Steuer absetzen, dafür aber lässt sich eine pittoreske Landschaftsaufnahme in HD als Hintergrund platzieren.
Zuckerberg hat während der Pandemie so viel Gefallen am Homeoffice gefunden, dass er schon 2021 ankündigte, den Rest des Jahres von zuhause zu arbeiten. Er könne durch das Arbeiten von zuhause mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, "was mich bei der Arbeit glücklicher und produktiver gemacht hat", erklärte Zuckerberg damals. Dank VR-Headset kann er bei Bedarf nun auch wieder Abstand gewinnen, falls ihm in den fünf Schlafzimmern seines Anwesens in Palo Alto mal die Decke auf den Kopf fällt.
Die Zukunft ist Meta
Warum Zuckerberg mehrere Stunden am Tag ein halbes Kilo Technik auf dem Kopf tragen möchte, um sich einen in 1.832 mal 1.920 Pixeln aufgelösten Schreibtisch vor einer Waldlandschaft anzuschauen, wo er auch einfach nach Hawaii auf sein Anwesen fliegen könnte, erschließt sich wohl nur einem Milliardär. Für solche ist die Möglichkeit, von überall zu arbeiten, ohnehin auch ohne Oculus-Headset gegeben. Facebook-Manager müssen sich schließlich nicht mit den Mathehausaufgaben der Tochter um den Küchentisch in der Stadtwohnung streiten.
Man möchte dem 37-Jährigen, der oft immer noch wie ein blutjunger Informatikstudent wirkt, fast abnehmen, dass er wirklich an das futuristische Heilsversprechen des Metaversum in VR glaubt. Am Ende des Tages bewirbt hier aber ein CEO ein Produkt - eines, auf das er die gesamte Zukunft seiner Firma gesetzt hat. Im Oktober 2021 benannte Zuckerberg Facebook in Meta um und tauschte einen der bekanntesten Markennamen der Welt gegen ein vergleichsweise beliebiges Wort. So überzeugt ist er vom Metaversum.
"Immer mehr Menschen verwenden Virtual-Reality-Headsets anstelle von Computern", schreibt Zuckerberg auf Facebook. Updates wie das neu eingeführte Virtual-Reality-Büro "machen es einfacher, produktiv zu sein, egal wo man ist". Diese immer mehr Menschen sind jedenfalls bisher nicht genug, um Metas VR-Abteilung Oculus in die Gewinnzone zu bringen. Zwar stieg der Umsatz zuletzt leicht an, gleichzeitig aber auch der operative Verlust - auf mehr als 10 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021.
Sauron guckt über die Schulter
Dass seine Mitarbeiter Zuckerberg liebevoll Sauron nennen, sollte ein schrilles Warnsignal für eine von Meta gestaltete Zukunft der Arbeit sein. Im Herrn der Ringe ist das allsehende, brennende Auge von Sauron der Mittelpunkt des Bösen. Sicher hat der Nerd den Fantasy-Klassiker gelesen, trotzdem gelang es ihm in einem Interview, seinem Kosenamen einen positiven Dreh zu geben. Er habe einfach so viel Energie, dass er damit leicht seine Kollegen verbrennen könne.
Schon heute werden Mitarbeiter überwacht, wo es nur geht. War es bisher die Kamera im Callcenter von Apple und Amazon, wird es für Chefs nun immer verlockender, auch das Geläster im Chatkanal zu belauschen. Denn ist der Arbeitspatz komplett digitalisiert, bietet das auch die Möglichkeit, ihn komplett zu überwachen.
Dabei hat das Versprechen vom Homeoffice als neuem Standard (in allen Berufen, in denen das möglich ist, natürlich) etwas Utopisches. In vielen Jobs stellte sich nach der Einführung der Homeoffice-Pflicht heraus, dass die Arbeit von zuhause eigentlich ganz gut funktioniert. Die Dokumente liegen eh in der Dropbox, der Slack-Chat hat längst die Büroküche ersetzt und Meetings international verteilter Teams finden sowieso als Videoanruf statt. Obendrein hat das Wegfallen des Pendelns dem angeschlagenen Klima ganz gut getan.
Dass Zuckerberg ein Einzelbüro bezieht, statt sich mit Kollegen zu umgeben, ist vielleicht auch besser so. Schon wenige Tage nach dem Start kam es in Metas VR-Plattform von Horizon Worlds zu Fällen sexueller Belästigung. Die Lösung? Ein virtueller Mindestabstand. Facebook will seine Mitarbeiter und Nutzer ins Metaversum ziehen, bevor es die Probleme der echten Welt gelöst hat. Wenn das geballte Ausmaß der Problemlösungskompetenz von Metas Zehn-Milliarden-Dollar-Abteilung eine Abstandsregel ist, hat das Metaversum noch einen sehr langen Weg vor sich.
Das Homeoffice im VR löst nicht die Probleme mit der mangelhaften Kinderbetreuung, die gerade Frauen Karrierechancen verbaut. Das Problem mit steigenden Mieten in den Städten, in denen sich Technologie-Konzerne ansiedeln, wird durch eine virtuelle Berglandschaft auch nicht angegangen. Und statt mehr Vertrauen schafft die totale digitale Einbindung in den Betrieb nur wieder neue Kontrollmechanismen für Vorgesetzte.
Wachen Sie auf, Mr. Anderson
Vor 23 Jahren schauten Millionen Kinobesucher Keanu Reeves dabei zu, wie er vom frustrierten Büroarbeiter Mr. Anderson zum großen Hacker Neo wurde. Der banale Büro-Cubicle in einer Computerwelt ist ein Albtraum, aus dem es aufzuwachen gilt. Das hippe Virtual-Reality-Büro von Mark Zuckerberg ist nichts anderes als die Rückkehr des Hackers an Mr. Andersons tristen Arbeitsplatz - jetzt mit schicker Holzverkleidungstextur und Fensterblick.
Während der Pandemie wurde viel über neue Arbeitsweisen geredet, von gestiegener Lebensqualität und einer besseren Balance zwischen Beruf und Freizeit. Das sind auch die Vorzüge, die Mark Zuckerberg für sich entdeckt hat. Doch unterscheidet sich seine Vorstellung von der Arbeit nicht so sehr von der altmodischen Anwesenheitspflicht-Kultur bei Apple und Google, wie er vielleicht glaubt. Ein Büro in VR nachzubauen, ist ein kreatives Armutszeugnis für einen Unternehmer, der nicht weniger als die Zukunft des Internets entwickeln will. So nützt es vor allem den Angestellten, die sowieso schon drei bis zehn paradiesische Anwesen auf der ganzen Welt besitzen.
Die Unreal Engine kann die Stadt aus der Matrix nahezu fotorealistisch zum Leben erwecken und alles, was man dafür braucht, ist Hardware für ein paar hundert Euro.
Solche Techdemos geben einen Eindruck davon, welche virtuellen Welten in Zukunft möglich sind. Aber wenn das Metaversum einfach nur auf eine etwas freundlichere Version des Büro-Cubicles hinausläuft, aus dem Keanu Reeves in 1999 ausbricht, dann sind wir schon auf dem Weg in die nächste Dystopie. Neo konnte in der Matrix immerhin fliegen. Im Metaversum muss man immer noch E-Mails lesen.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)
Weitere Informationen gibt es hier in unserem Karriere-Ratgeber zum Thema Homeoffice
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damit kennt jeder einfache mitarbeiter/angestellte/mensch den ihm zugedachten...
Ich kann die uneingeschränkte Kritik nicht nachvollziehen. Für mich klingt der Kommentar...
Ich möchte hier an dieser stelle auch mal anmerken das sich Meta in der Vergangenheit...
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