Mercedes EQS SUV angeschaut: Das Elektro-SUV für die Fahrt zum Golfplatz

Wem der vollelektrische EQC noch nicht groß, schwer und teuer genug ist, der hat nun noch eine weitere Option von Mercedes-Benz: Das neue SUV auf der Basis der Luxuslimousine EQS soll das Segment der "large SUV" elektrifizieren. Mit einer Länge von 5,12 m ist das SUV zwar 9 cm kürzer als die Limousine, überragt diese jedoch mit einer Höhe von 1,71 m um rund 20 cm. Auch in der dritten Sitzreihe sollen erwachsene Personen mit einer Größe von 180 cm bequem Platz finden.
Der Verkaufsstart ist für Sommer 2022 geplant, die Markteinführung für Ende dieses Jahres. Zunächst stehen laut Pressemitteilung(öffnet im neuen Fenster) drei Modelle zur Verfügung: der EQS 450+ mit Hinterradantrieb und einer Leistung von 265 kW (360 PS), der EQS 450 4Matic mit Allradantrieb und identischer 265 kW Motorleistung, aber höherem Drehmoment sowie der EQS 580 4Matic mit 400 kW (544 PS). Eine AMG-Version ist nicht geplant, jedoch gibt es eine AMG-Ausstattungslinie.
Platz für sieben Erwachsene
SUV und Limousine basieren auf der gleichen Elektro-Plattform EVA2. Daher verfügt das SUV ebenfalls über den großen Akku von 107,8 Kilowattstunden (kWh) nutzbarer Kapazität. Der Radstand ist mit 3,21 m ebenfalls identisch. Damit will Mercedes den Fahrgästen möglichst viel Innenraum bieten.
Optional ist das SUV als Fünf- oder Siebensitzer bestellbar. Bei einer Vorführung des Wagens in Frankfurt am Main konnten wir feststellen, dass die dritte Sitzreihe durchaus für Erwachsene geeignet ist. Bei einer Körpergröße von rund 180 cm stößt man nicht mit dem Kopf an die Fahrzeugdecke. Die Beinfreiheit ist ebenfalls ausreichend. Laut Mercedes können auch zwei Meter große Menschen in der dritten Reihe Platz nehmen. Es gebe keine sicherheitsrelevanten Einschränkungen.
Elektrisch verstellbare zweite Sitzreihe
Serienmäßig ist bei allen Modellen die zweite Sitzreihe elektrisch um 130 mm verstellbar. Das soll auch den Einstieg zu den beiden hinteren Sitzen erleichtern. Dazu verschieben sich auf Knopfdruck nicht nur die zweite Reihe, sondern auch die Sitze von Fahrer und Beifahrer um bis zu 290 mm. Bei der Vorführung nahm das Auto jedoch keine Rücksicht darauf, ob die vorderen Sitze besetzt waren. Sollte diese Funktion so in Serie gehen, dürfte das bei manchen Personen Beklemmungsgefühle auslösen.

Dabei ist das EQS SUV eigentlich ganz auf Komfort ausgerichtet. Das dürfte vor allem auf dem vermutlichen Hauptmarkt des Wagens, den USA, eine wichtige Rolle spielen. Sogar für die dritte Reihe gibt es optional eine Sitzheizung und spezielle Belüftungsdüsen in der C-Säule.






















Das Kofferraumvolumen beläuft sich beim Fünfsitzer je nach Position der zweiten Reihe auf 645 bis 880 Liter - oder in zielgruppenrelevanten Messgrößen: Bis zu vier Golfbags passen in den Kofferraum. Beim Siebensitzer sind es 80 Liter oder eine halbe Golftasche weniger. Bei umgeklappten Sitzen beträgt der Stauraum 2.100 Liter beziehungsweise 2.020 Liter. Bei der hochgeklappten dritten Reihe schrumpft der Stauraum hingegen auf rund 200 Liter.
Noch schwerer als der GLS
Zwar ist das EQS SUV etwas kleiner als das Verbrenner-Pendant, der GLS, doch wiegt er wegen der großen Batterie mit rund 2.700 kg mehr. Mercedes gibt bislang noch kein zulässiges Gesamtgewicht an, jedoch soll man den Siebensitzer bei voller Beladung und voller Ausstattung mit einem deutschen Führerschein, der bis 3,5 Tonnen gilt, noch fahren können.
Zum Vergleich: Der Mercedes-AMG GLS 63 4Matic+ kommt mit einem Leergewicht von 2.630 kg und einer Zuladung von 765 kg auf ein zulässiges Gesamtgewicht von knapp 3,4 Tonnen.
Die Fronthaube ist im Vergleich zum EQS deutlich höher gebaut, damit der Wagen auch von vorne als richtiges SUV zu erkennen ist. Dennoch bleibt Mercedes seinem Konzept treu und verzichtet aus Gründen der Aerodynamik darauf, unter der Haube noch zusätzlichen Stauraum unterzubringen. Lediglich der Hepa-Filter wird darunter versteckt.
15 Prozent weniger Reichweite als die Limousine
Inwieweit sich der cw-Wert durch die geänderte Karosserieform im Vergleich zum EQS verschlechtert, teilt Mercedes vorläufig noch nicht mit. Der Wert dürfte jedoch deutlich über den 0,20 der Limousine liegen. Darüber verursacht die größere Stirnfläche ebenfalls einen größeren Luftwiderstand. Auch das höhere Gewicht wirkt sich nachteilig auf den Verbrauch aus.
Im Vergleich zur Limousine sinkt daher die Reichweite auf vorläufige Werte nach dem Prüfzyklus WLTP zwischen 536 und 660 km. Das sind mehr als 100 km oder rund 15 Prozent weniger als bei einer vergleichbar motorisierten EQS-Limousine. Bei den Allradmodellen liegt die Reichweite zwischen 507 und 613 km.
Mit dem BMW iX xDrive50 kann das Mercedes-SUV in Sachen Reichweite durchaus mithalten. Das dürfte auch für die zahlreichen Assistenz- und Komfortfunktionen gelten, die weitgehend dem Niveau der S-Klasse und dem der Limousine entsprechen. Jedoch mit einigen Einschränkungen. So soll das SUV zunächst weder die elektrischen Komforttüren noch den hochautomatisierten Drive Pilot erhalten. Zwar sind beide Funktionen noch nicht für die Limousine bestellbar, sie sollen aber in absehbarer Zeit kommen.
Deutlich höhere Bodenfreiheit
Verfügbar ist der sogenannte Hyperscreen, der drei Displays unter einem gemeinsamen Deckglas verbindet. Im EQS SUV soll es dann die Möglichkeit geben, vom Beifahrersitz aus während der Fahrt auf einem Bildschirm ein Video anzuschauen. Damit der Fahrer durch Blicke auf das 12,3 Zoll große OLED-Display nicht vom Fahrgeschehen abgelenkt wird, überwachen Kameras die Augenbewegungen. Wandern die Blicke zu oft nach rechts auf das Video, wird dieses gedimmt.
Mit Blick auf die Bodenfreiheit ist das EQS SUV deutlich geländetauglicher als der vollelektrische EQC . Letzterer liegt mit seinen 97 mm sehr schnell auf. Das EQS SUV kann hingegen zu den normalen 188 mm noch um 25 mm angehoben werden. Das ist für ein SUV akzeptabel. Die Limousine ist mit 134 mm Bodenfreiheit deutlich niedriger gebaut.
Offroad-Modus für das Gelände
Eine angenehme Fahrt abseits von glatt asphaltierten Straßen soll die serienmäßige Luftfederung Airmatic mit kontinuierlicher Verstelldämpfung ADS+ ermöglichen. "Eine ausgeklügelte Sensorik und Algorithmik stellen die Dämpfer entsprechend der Fahrbahnbeschaffenheit so ein, dass beispielsweise das Überfahren einer Unebenheit mit nur einem Rad sich nicht auf die ganze Achse und den Fahrgastraum überträgt" , erläutert Mercedes.
Zudem gibt es neben den Fahrmodi Eco, Comfort, Sport und Individual noch einen Offroad-Modus, der automatisch das Fahrzeug um 25 mm anhebt. Das Programm lässt sich mit oder ohne Antischlupfregelung (ESP) nutzen. Bei aktiviertem ESP wird demnach "wenig Schlupf an den potenziell durchdrehenden Rädern zugelassen. So werden zum Beispiel auf einer nassen Wiese deutlich geringere Spuren hinterlassen" .
Ziel des Fahrprogramms Offroad ohne ESP sei hingegen, "ausreichend viel Schlupf zuzulassen, aber das Fahrzeug dennoch sicher und einfach beherrschbar zu machen. Viel Radschlupf ist zum Beispiel hilfreich, um im Sand genügend Vortrieb zu haben - das Fahrzeug wühlt sich voran."
Auf dem Display lassen sich im Offroad-Modus bestimmte Werte wie Neigungs- und Böschungswinkel, Lenkeinschlag oder ein Kompass anzeigen. Zudem gibt es eine Funktion, die sich transparente Motorhaube nennt und ursprünglich vom Zulieferer Continental entwickelt wurde(öffnet im neuen Fenster) . Dabei rekonstruiert ein Algorithmus "das Bild unterhalb des Fahrzeuges und fügt dieses Bild exakt in die Rundumsicht ein, die dem Fahrer angezeigt wird."






















Umstieg auf 800 Volt nicht ausgeschlossen
Die Werte hinsichtlich Ladeleistung und Geschwindigkeit unterscheiden sich nicht von der Limousine. Bei einer Leistung von bis zu 200 kW benötigt das SUV 31 Minuten, um den Akkustand von 10 auf 80 Prozent zu erhöhen. In 15 Minuten sollen sich beim EQS 450+ bis zu 250 km Reichweite nachladen lassen.
Nach dem EQS SUV lässt Mercedes Ende dieses Jahres auf der EVA2-Plattform noch ein SUV auf Basis des EQE folgen. Dieses soll ebenfalls kürzer und höher als die Limousine ausfallen. Damit hat Mercedes die Möglichkeiten der EVA-Plattform zunächst ausgeschöpft. Für kleine Modelle ist die Plattform zu groß.
Im Gespräch mit Journalisten schloss Christoph Starzynski, Leiter Electric Vehicle Architecture bei Mercedes, einen Umstieg auf die 800-Volt-Technik innerhalb der EVA2-Plattform jedoch nicht aus. Der Autohersteller wolle die Entwicklung der Infrastruktur beobachten und sei "relativ flexibel, auch dann auf 800 Volt zu gehen" . Das betreffe nicht nur die künftige Plattform MMA, sondern auch die jetzige Plattform EVA2.
Keine LFP-Akkus für die Oberklasse
Starzynski bestätigte, dass Mercedes den Einsatz von günstigeren Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP) prüfe. Der Einsatz von LFP-Akkus müsse dabei für das entsprechende Fahrzeugsegment geeignet sein. Das dürfte bedeuten, dass solche Akkus für die Oberklasse wohl nicht infrage kommen, weil sich dadurch die Ladegeschwindigkeit verringern könnte. Zudem forscht Mercedes mit Partnerfirmen parallel an neuen Techniken wie Festkörperakkus, die aber wohl erst in einigen Jahren Serienreife erlangen dürften.
Mit Blick auf die aktuellen Lieferprobleme bei Fahrzeugkomponenten befürchtet das Unternehmen hingegen keine Probleme. Das Werk im US-Bundesstaat Alabama, das auch die Modelle für den deutschen Markt produziert, nutze vor allem nordamerikanische Zulieferer aus den USA, Kanada und Mexiko. "Wir haben einen extrem hohen Anteil an Nafta" , sagte Starzynski. Nur eine lokale Batteriezellfertigung gebe es dort noch nicht. Diese sei für das Jahr 2025 geplant.
Ein Auto für die gut betuchte Kundschaft
Ein Auto wie das EQS SUV ist trotz des Elektroantriebs sicherlich kein Vorzeigemodell für Klimaschutz und sparsamen Umgang mit Ressourcen. Dazu reicht es nicht aus, Bauteile wie Mercedes nach eigenen Angaben mit einem Gesamtgewicht von rund 70 kg anteilig aus ressourcenschonenden Materialien (Rezyklaten und nachwachsenden Rohstoffen) zu fertigen. Während das Studienfahrzeug EQXX vor wenigen Tagen erfolgreich eine 1.000-Kilometer-Strecke mit einer Akkuladung absolviert hat(öffnet im neuen Fenster) , ist das EQS SUV von einer solchen Effizienz im wahrsten Sinne des Wortes meilenweit entfernt.
Einen Preis für das Luxus-SUV hat Mercedes noch nicht genannt. Der Preis dürfte ebenso wie bei der Limousine EQS 450 jenseits der 100.000 Euro beginnen und sich beim EQS 580 4Matic mit allen Extras auf die 200.000 Euro zubewegen. Für viele Käufer dürfte es daher in der Tat vor allem ein geeignetes Gefährt sein, um ihre Golfbags zu bewegen.



