Entscheiden Autos über Leben und Tod?
Golem.de: Es gibt zwei Dinge, die Menschen an autonomen Autos unheimlich faszinieren, weil es so menschliche Themen sind: Moral und Schuld. Sie kennen bestimmt das Straßenbahndilemma. Das ist eine Sammlung moralischer Gedankenspiele darüber, wer sterben soll und wer leben, in entsprechend formulierten Szenarien. In der Vorstellung vieler Menschen muss auch ein autonomes Auto dauernd solche Dilemmas auflösen. Der Stand der Dinge ist aktuell erst, dass ein Auto klassifizieren kann, was ein Baum ist und was ein Passant. Wie relevant bewerten Sie solche Maschinenentscheidungen im Alltag? Und warum fasziniert das Moraldilemma die Menschen so?
Herrtwich: Ich glaube, die Faszination kommt schlicht aus der Vorstellung, dass eine Entscheidung über Leben und Tod an eine Maschine delegiert wird. Das setzt verständlicherweise alle möglichen Phantasien frei. Vertrackte Dilemmas wie die Kurzgeschichten mit der Straßenbahn sind in der Realität allerdings sehr, sehr selten. Was sehen wir heute als Unfallursachen? Es sind fast immer Unachtsamkeiten oder Fehleinschätzungen. Ein Fahrer fährt zu schnell in eine Kurve, sieht plötzlich vor sich ein Hindernis, kann nicht mehr bremsen, et cetera.
Ein automatisiertes Auto kommt nicht leicht ins moralische Dilemma
Ein automatisiertes Auto kann die meisten dieser Unfälle vermeiden, weil Unachtsamkeit in dieser Weise bei einer Maschine nicht auftritt. Das heißt, es bleiben nur ganz wenige Situationen übrig. Es ist nicht so, dass das Roboterfahrzeug eine Straße entlangfährt und dann entscheiden muss: Fahre ich jetzt in die Menschen links oder in die Menschen rechts? Diese Menschen hat es alle schon viel früher gesehen und kann weit vorher anhalten.
Was vorkommen kann, sind Situationen, die sich schwer erwartbar aus ungünstigen physikalischen Umständen ergeben. Beispiel: Ich fahre in normalem Sicherheitsabstand hinter einem Lastwagen her. Dieser Lastwagen verliert plötzlich Ladung. Das ist ein unwahrscheinliches Ereignis, auf das ich auch als menschlicher Fahrer selten vorbereitet bin. Ein automatisiertes Auto hat jedoch immer noch die besseren Chancen, hier einen Unfall zu vermeiden, denn die Maschine sieht und reagiert viel schneller, aber das wäre so eine Dilemmasituation, weil ich mich am Rand des physikalisch Möglichen bewege.
Golem.de: Wo wäre hier das Dilemma?
Herrtwich: Naja, es fahren ja oft links oder rechts andere Autos. Kann ich ausweichen? Muss ich ausweichen? Ist das Ausweichen besser, als in die Ladung hineinzufahren? Das sind Situationen, in denen sich ein autonomes Auto durchaus wiederfinden kann. In den meisten Fällen gilt nach unserer Erfahrung allerdings, dass es am besten ist, so schnell wie möglich zu bremsen, relative Bewegungsenergie abzubauen.
Golem.de: Das zweite große Interesse gilt der Frage der Schuld, der Haftung. Kürzlich wurde das Wiener Abkommen geändert, um der technischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Das wurde vorher oft zitiert als Argument, dass autonome Autos rechtlich nicht möglich seien. Der Gesetzgeber hat sich jedoch überall sehr kooperativ gezeigt. Das wird bei der Haftung mit höchster Wahrscheinlichkeit ähnlich aussehen. Welche Modelle der Haftung gäbe es und was sehen Sie als den gangbarsten Weg?
Herrtwich: Das Wiener Abkommen war ein erster nötiger Schritt, um den Weg zur Zulassung automatisierter Autos zu ebnen. Das ist noch keine endgültige Klärung auf der Ebene des Zulassungsrechts und auch für gänzlich fahrerlose Fahrzeuge müsste das Abkommen noch einmal angepasst werden.
Im deutschen Recht reichen über weite Bereiche bestehende Haftungsregeln aus. Wir haben in Deutschland eine Halterhaftung. Jeder, der bei einem Unfall geschädigt wird, ist dadurch geschützt, dass der Halter des Fahrzeugs unabhängig von der Verschuldensfrage haftet und zudem versichert sein muss. Daneben haftet der Fahrer, wenn er nicht sorgfältig handelt oder der Hersteller bei Produktfehlern. Was bereits absehbar ist, ist, dass wir in automatisierten Fahrzeugen standardisierte Blackboxen haben werden, die bei einem Unfall erfassen, was passiert ist, damit der Unfallhergang sauber rekonstruiert werden kann.
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