Es geht um legale Inhalte, nicht um Verleumdung

Wohlgemerkt: In dem ganzen Verfahren geht es um Informationen, die rechtmäßig im Netz stehen. Gegen Falschbehauptungen und Verleumdungen kann man sich anderweitig schützen. Wenn mir also jemand unterstellen würde, korrupt zu sein oder mich beleidigen würde, könnte ich dagegen klagen. Die zu schließende Schutzlücke ist dementsprechend klein.

Mit der Einführung der neuen Datenschutzverordnung wird dieses Recht wohl ausgebaut werden. Die Organisation Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisierte in einem Blogpost, dass der aktuelle Entwurf der Verordnung ein Recht auf Löschung vorsehe. Wurden durch das vom EuGH eingeführte Recht auf Vergessenwerden nur Links aus Suchergebnissen entfernt, geht es hier um die Entfernung von Inhalten auf Webseiten.

Wer findet, dass Informationen die über ihn gespeichert sind, nicht mehr relevant sind, kann diese löschen lassen - wenn keine gesetzlichen Gründe wie Aufbewahrungsfristen dagegensprechen. Informationen, die noch aus der Kindheit stammen, können mit noch weniger Hürden gelöscht werden. Nutzer können auch verlangen, dass personenbezogene Informationen gelöscht werden, wenn diese von anderen gepostet wurden.

Der Diensteanbieter muss dann erst einmal löschen, noch während er die Anfrage prüft, und kann den Content dann wiederherstellen, wenn die Prüfung negativ verläuft. Es ist nicht vorgesehen, dass der ursprüngliche Autor über die Löschung informiert oder angehört wird. Auch das ist absurd. Denn das Recht sieht eigentlich vor, dass Betroffene sich gegen derartige Maßnahmen zur Wehr setzen können. Doch in diesem Fall würde ein Webseitenbetreiber nur zufällig davon Kenntnis bekommen.

Dienstanbieter selbst zur Content-Polizei zu machen, ist natürlich bequemer als der Rechtsweg - aber berücksichtigt dann eben auch per Definition die berechtigten Interessen der Öffentlichkeit.

Datenschutz als Kommunikationsverbot

Weil heute ein Großteil der Kommunikation digital erfolgt, fallen dabei zwangsläufig Daten an. Der Datenschutz stößt somit in eine neue Sphäre vor: die Regulierung und Kontrolle der Online-Kommunikation auf Webseiten, bei Medien und in sozialen Netzwerken. Für Tageszeitungen und Rundfunkmedien gelten schon die Presse- und Äußerungsrechte. Doch wer jetzt auch online publiziert, muss seine Angebote auch am Datenschutzrecht messen lassen.

Das ist vernünftig, wenn es den Einsatz von Trackern, Cookies und andern Instrumenten zur Analyse des Nutzerverhaltens betrifft. Doch sobald das Datenschutzrecht in den redaktionellen Bereich heranreicht, wird es problematisch. Hier sind die geltenden Regeln ausreichend - auch, wenn sie gerade von Boulevard-Medien oft nicht ausreichend berücksichtigt werden. Es gibt fein abgestufte juristische Tests, die darüber entscheiden, ob bei einem Artikel zum Beispiel der Name eines Mörders erwähnt werden darf, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen hat.

Der langjährige schleswig-holsteinische Datenschützer Thilo Weichert gilt als Datenschutzextremist. Er wollte Unternehmen und Behörden in Schleswig-Holstein den Betrieb von Facebook-Seiten verbieten, weil Facebook mit der Sammlung von Nutzerdaten gegen deutsches Datenschutzrecht verstoße. Thilo Weichert drohte sogar der Staatskanzlei des Landes mit einer Strafe von 50.000 Euro. An der Datenspeicherung von Facebook können die Unternehmen und Behörden aber nichts ändern - und ein Austausch mit Bürgern und Kunden ist nichts, was für die Stellen optional ist. Deutlich sinnvoller wäre es gewesen, die Unternehmen anzuhalten, eine datenschutzfreundliche Lösung wie die 2-Klick-Buttons für verschiedene soziale Netzwerke auf der Webseite einzubauen. Daran könnten Unternehmen, anders als am Facebook-Geschäftsgebaren, wirklich was ändern.

Auch Open-Data-Projekte sind immer wieder betroffen

Datenschutzrechte behindern auch Projekte, die sich für eine bessere Transparenz von öffentlicher Verwaltung einsetzen oder zum Beispiel gegen Korruption kämpfen wollen. Union und SPD weigerten sich lange beharrlich, die Namen der Personen freizugeben, die von ihnen einen Hausausweis des Bundestages bekommen haben - mit dem Hinweis auf den Datenschutz. Denn die Lichtbildausweise seien an Personen gebunden, sagte Christine Lambrecht von der SPD der Süddeutschen Zeitung; die Veröffentlichung der Daten könnte Rückschlüsse auf die jeweilige Person ermöglichen. Gerade dies aber ist ja der Sinn der Veröffentlichung - denn wenn ein bezahlter Lobbyist Einfluss auf aktuelle Gesetzesvorhaben nimmt, hat die Öffentlichkeit ein Recht zu erfahren, für wen er in welchem Auftrag lobbyiert. Erst eine erfolgreiche Klage des Berliner Tagesspiegel hat dazu geführt, dass die Daten schlussendlich veröffentlicht wurden.

Der Schutz der Privatsphäre ist ein hohes Gut. Doch wenn die Veröffentlichung bestimmter Informationen verhindert wird, kann die Öffentlichkeit unter Umständen Schaden nehmen. Das Datenschutzrecht darf nicht verwendet werden, um die Inhalte der Kommunikation im Netz zu regulieren - dafür gibt es Instrumente wie das Presserecht. Denn sonst trifft das Datenschutzrecht Medien, Blogger und andere Menschen, die im Netz publizieren wollen, und würde der Privatsphäre so am Ende nicht helfen. Denn diese Menschen nehmen einerseits ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahr und einige von Ihnen tragen auch zur Aufklärung über Missstände bei - auch im Bereich des Datenschutzes.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)

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 Meinungsfreiheit: Die Öffentlichkeit muss vor dem Datenschutz geschützt werden
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dsb 18. Jan 2016

Herr Hauke Gierow scheint nicht gerade viel Ahnung von Datenschutz zu haben. Das sieht...

rf-99 08. Jan 2016

Es geht darum Personen vor dem missbräuchlichen Umgang mit deren persönlichen Daten zu...

Moe479 29. Dez 2015

nein die bétreiber haben bereits assoziale interessen, sie wollen mit dir geld verdeinen...

Moe479 29. Dez 2015

ist imho schützenswerter als _alles_ andere, denn sie bestimmt unser freies sein, ohne...



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