Wie die Hermannpost in die Appstores kam
Golem.de: Wer nutzt die Hermannpost? Für wie viele Nutzer mussten Sie QR-Codes generieren?
Ruiz: Alle Mitarbeiter, alle Eltern und Kinder der Schule haben ein Konto. Das sind insgesamt um die 500.
Golem.de: Wofür nutzt ihr den Messenger?
Ruiz: Seit der Rückkehr zum Präsenzunterricht hat sich der Fokus auf Ankündigungen, Erinnerungen und direkte Kommunikation verschoben. Während des Lockdowns wickelten wir den kompletten Unterricht über den Messenger ab. Das hat sich für uns bewährt.
Wir hatten einen Stundenplan, den die Kinder in Echtzeit verfolgen konnten. Wir starteten mit den Logo-Nachrichten, dazu gaben wir den Kindern Aufgaben. Für den Projektunterricht hatten wir Projekthefte erstellt und verteilt, für jede Seite gab es über die Hermannpost Zusatzmaterial wie zum Beispiel HTML-Seiten, Sachgeschichten von der Sendung mit der Maus oder von uns erstellte Videos oder ein Quiz. Dazwischen gab es immer Bewegungspausen mit Videos, die die Sportlehrkräfte gemacht haben.
Über öffentliche Räume konnten die Kinder darüber hinaus Zusatzangebote wahrnehmen, wie Musik, Basteln oder Nähen. Dabei ging es uns viel darum, die Kinder während des Lockdowns zu aktivieren.
Golem.de: Andere Schulen hatten dafür vor allem auf Unterricht via Videokonferenz gesetzt.
Ruiz: Auf Videokonferenzen mit Frontalunterricht haben wir gar nicht gesetzt. Unsere Kinder kommen teilweise aus finanziell nicht so gut gestellten Familien, die beispielsweise nur ein Smartphone besitzen, auf das die Kinder erst abends zugreifen können. Mit der Hermannpost sehen sie aber auch am Abend über die Gruppen, was den Tag über passiert ist, und können noch am Unterricht teilhaben, weil er eben nicht synchron sein muss.
Auch wegen der Privatsphäre finden wir Videokonferenzen schwierig. Da hört und sieht man insbesondere in kleinen Wohnungen schon viel aus den Familien, was einen eigentlich nichts angeht.
Golem.de: Und wie kommen die Nutzer an die App? Gibt es die Hermannpost für Android und iOS?
Ruiz: Fluffychat ist in Flutter geschrieben, was uns eine Unterstützung unter Android und unter iOS ermöglicht. Unter Android kann man die Hermannpost einfach im Google Play Store herunterladen. Wir sind dort allerdings als Beta-Version gelistet. Das hat für uns den Vorteil, dass es deutlich weniger aufwendig ist, weil weniger Kontrollinstanzen von Google durchlaufen werden müssen.
Bei iOS ist das etwas komplizierter. Wir haben zwar wenige iOS-Nutzer, aber genug, dass wir ihnen die App zur Verfügung stellen mussten. Auch hier sind wir im Beta-Programm, allerdings muss zuerst Testflight installiert werden, damit Beta-Apps per geteiltem Link installiert werden können. Zudem muss die App im Testflight mindestens alle 90 Tage aktualisiert werden, auch wenn wir nichts daran geändert haben. Letztlich haben wir gemacht, was nötig ist, damit die Nutzer die App installieren können. Zudem haben wir natürlich Anleitungen und Hilfestellungen erstellt.
Golem.de: Gibt es auch einen Desktop- oder Web-Client?
Ruiz: Derzeit nicht, mit Flutter wäre das allerdings ohne großen Aufwand möglich. Fluffychat kann das.
Golem.de: Unterstützt die Hermannpost auch Föderation, also beispielsweise die Kommunikation mit anderen Schulen? Gibt es eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung?
Ruiz: Nein, föderiert haben wir bewusst nicht, weil der Messenger ja nur schulintern genutzt werden soll. Mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist es etwas komplizierter. Das bereitet uns immer noch die meisten Probleme.
Zwischen den Lehrkräften haben wir die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aktiviert, bei den Schülern und Eltern haben wir sie erst einmal vermieden, weil die Schlüssel immer wieder verlorengehen und dann alte Nachrichten nicht mehr gelesen werden können. Das passiert leider auch bei den Lehrern immer wieder, die wir im Unterschied zu Eltern und Kindern geschult haben. Entsprechend haben wir die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Eltern und Kinder bisher unzumutbar gefunden.
Wir suchen an dem Punkt noch nach einer Lösung. Wir haben beispielsweise schon überlegt, die Schlüssel zu generieren und in die QR-Codes aufzunehmen. Bisher hat einfach die Zeit gefehlt, sich intensiv damit zu befassen. Aber natürlich setzten wir eine Transportverschlüsselung zum Server ein und die Festplatten im Server sind ebenfalls verschlüsselt. Da wir aber selbst den Server administrieren, er nicht föderiert ist und nur Schulisches über ihn kommuniziert wird, fanden wir das erst mal vertretbar. Optimal ist es aber natürlich noch nicht.
Auch der Messenger des Ministeriums setzt auf Matrix - kam aber erst später
Golem.de: Einen offiziellen Schul-Messenger gibt es nicht?
Ruiz: Tatsächlich hat das Schulministerium vor den Sommerferien 2020 einen Messenger angekündigt, aber es gab zunächst keine konkreten Informationen dazu. Wir wussten also nicht, was für einen Funktionsumfang er bieten und auf welcher Basis er erstellt würde. Vor allem aber wussten wir nicht, wann er kommen würde. Also wollten wir nicht auf das Land warten und dann möglicherweise feststellen, dass der Messenger für uns wichtige Funktionen nicht hat. Deswegen haben wir im Juni 2020 beschlossen, uns selbst um eine Lösung zu kümmern.
Ich habe dann die Sommerferien durchgearbeitet, aber mit Schulbeginn im August 2020 hatten wir unsere eigene Messenger-Lösung auf Basis von Matrix und Fluffychat - da war die Lösung vom Schulministerium, der Logineo NRW Messenger, der ebenfalls auf Matrix basiert, noch gar nicht da. Im Unterschied zu uns wird beim Logineo-Messenger allerdings auf Element gesetzt.
Golem.de: Hätte sich dann nicht ein Wechsel auf Logineo angeboten?
Ruiz: Leider nein. Wir freuen uns zwar, dass das Ministerium ebenfalls auf Matrix und Open Source setzt, aber auch wenn die grundlegende Technik die gleiche ist, fehlen unsere Anpassungen beim Logineo-Messenger: Logineo nutzt mit Single Sign-on (SSO) eine komplett andere Anmeldetechnik. Damit kann man unseren Messenger nicht nutzen.
Dazu kommt, dass wir die Nutzer und Gruppen über Matrix Corporal verwalten. Beispielsweise wenn wir Nutzer den unterschiedlichen Räumen zuweisen, in denen dann der Unterricht stattfindet oder Ankündigungen für die gesamte Schule gepostet werden. Das ist unseres Wissens nach bei Logineo nicht möglich. Mit entsprechenden Ressourcen und Know-how könnte man unseren angepassten Messenger für die Lösung des Ministeriums sicherlich nutzbar machen - die haben wir aber leider nicht.
Golem.de: Mit welchen Problemen seid ihr als Schule, die nebenher ihren eigenen Messenger betreibt, konfrontiert?
Ruiz: Das Grundproblem ist Zeit. Eigentlich haben wir nicht die Ressourcen, um einen eigenen Messenger zu betreiben. Das lief schon alles ganz gut und wir sind froh, dass wir den Messenger haben und dank Open-Source-Software an unsere Bedürfnisse anpassen konnten.
Auf der anderen Seite ist unser Projekt aber sehr zeitaufwendig. Fluffychat führt laufend neue Funktionen ein und macht viel Refactoring - das ist natürlich toll, aber wir kommen da einfach kaum hinterher. Zudem sind wir sehr ausgemergelt durch Corona, das Hochwasser und dazu noch die App-Entwicklung.
Das ist ein bisschen das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Eigentlich bräuchten wir jemanden, der oder die das richtig betreut, als eigene Stelle - nicht nur nebenher.
Golem.de: Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Ruiz: Eigentlich wünschen wir uns, dass jemand die Entwicklung des Messengers übernimmt. Also unsere Ideen und Erfahrungen aufgreift und das Projekt fortführt, professionalisiert und dann auch für andere Schulen öffnet - es muss ja nicht Hermannpost heißen. Das können wir derzeit nicht leisten. Wir können ja beispielsweise nicht anderen Schulen unseren Schlüssel geben, mit dem die QR-Codes erstellt werden.
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Ein Matrix-Server allein macht noch keinen Grundschul-Messenger |
Die Probleme mit technischen Laien , Anmeldung, verlorene Schlüssel, evtl ungewollte...
Das ist nicht ganz richtig. Einige Bayerische Schulen bieten keinen Ethikunterricht an...
Kinder (in der Grundschule) sollten meiner Meinung nach zuerst mal mit Papier und Stift...
Klar, in der Grundschule studiert, wundert mich hier nix mehr