Totale Fehleinschätzungen während der Pandemie

Dass die echte Krise für Tech-Konzerne mit dem Ende einer anderen Krise erst beginnt, zeigt sich auch in den Geschäftszahlen. Intel musste durch den Abschwung des PC-Marktes zuletzt einen Verlust von mehr als 660 Millionen US-Dollar wegstecken, der Werbe-Umsatz von Google sackte im letzten Quartal ab - auf weiterhin hohem Milliarden-Niveau, aber schlechter als zuvor. Auch Mark Zuckerbergs mittlerweile in Meta umbenanntes Facebook musste erstmals einen Nutzerrückgang vermelden.

Auch einer der größten Gewinner des Lockdown-induzierten Anstiegs von Heimarbeitern hat das Ende seines Wachstums erreicht: Zoom teilte im Februar 1.300 "hart arbeitenden, talentierten Kollegen" mit, dass sie gehen müssen. Seine Mitarbeiter, die CEO Eric Yuan als "Zoomies" anspricht, informierte er nicht per Videoanruf, sondern mit einer E-Mail.

Mit der plötzlichen Notwendigkeit einer Alternative zu Hands-on-Meetings waren ab 2020 auch die Umsätze von Zoom sprunghaft angestiegen. Verdiente das Unternehmen 2019 noch 330 Millionen US-Dollar, waren es 2022 bereits rund 4,1 Milliarden - ein Anstieg um mehr als das Zehnfache. Damit wuchs auch die Belegschaft. Von 2019 bis 2022 hat sich die Zahl der Angestellten von 1.700 auf über 6.300 mehr als verdreifacht.

Dass die Unternehmen jetzt so stark schrumpfen, hat auch damit zu tun, dass sie ihr eigenes Wachstum während der Pandemie überschätzt haben. "Es ist nun klar, dass sich diese Wette nicht ausgezahlt hat", sagte Shopify-CEO Tobias Lütke erstaunlich direkt, als das Unternehmen bereits im Juli 2022 ankündigte, zehn Prozent seiner Belegschaft zu entlassen.

Entschuldigungen, aber keine Konsequenzen

Damit meint er, dass das Wachstum des Kundenverhaltens während der Pandemie doch eine Ausnahme und nicht die neue Normalität gewesen sei - und gesteht mit der Wortwahl ein, dass ihm diese Möglichkeit durchaus bewusst war. "Letztendlich war es meine Entscheidung, diese Wette einzugehen, und ich habe mich geirrt. Jetzt müssen wir uns darauf einstellen", sagte Lütke damals und viele geschäftsführende Kollegen taten es ihm gleich.

Verantwortung für die Entscheidung hinter dem Unwort Overhiring übernahmen viele CEOs: Mark Zuckerberg gestand "Fehltritte" ein, ebenso Salesforce-CEO Marc Benioff, der zugab, während der Pandemie zu viele neue Mitarbeiter eingestellt zu haben. Coinbase-CEO Brian Armstrong gestand ein, die vielen Neuanstellungen hätten das Unternehmen gelähmt, statt es effizienter zu machen (und baute ein halbes Jahr später noch weitere Arbeitsplätze ab).

Auch Yuan übernahm die Verantwortung. Anders als viele seiner Kollegen wollte er "diese Verantwortung nicht nur mit Worten, sondern auch mit meinem eigenen Handeln zeigen". Sein Gehalt für das kommende Geschäftsjahr soll um 98 Prozent gekürzt werden, auf Bonuszahlungen will er für das Jahr 2023 verzichten.

Yuan bleibt damit eine Ausnahme. Wirkliche Konsequenzen etwa in Form eines Rücktritts von der Führungsposition waren bislang selten - und das, obwohl die eingestandenen Fehleinschätzungen des Marktes dermaßen große Auswirkungen auf die Unternehmen und vor allem ihre Angestellten hatten und damit eigentlich das Urteilsvermögen der Geschäftsführer infrage stellen müssten.

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 Massenentlassungen nach Corona: Wie die Tech-CEOs sich verzockt habenSoftwareentwickler werden noch immer gebraucht 
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debunix 15. Feb 2023 / Themenstart

Danke! Man meint ja mittlerweile, dass das keiner mehr auf dem Schirm hat.

pythoneer 15. Feb 2023 / Themenstart

Sie fragen nach Begründungen und wenn diese kommen verabschieden Sie sich? Das ist aber...

BlackSuit 14. Feb 2023 / Themenstart

Das ist einfach völliger Quatsch. Die gewonnene Berufserfahrung bleibt, egal aus welchen...

bofhl 14. Feb 2023 / Themenstart

Wieso sollten die CEO generell alle verzockt haben - ich meine der Firmen die alle...

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